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Und immer lockt das Weib

Alles begann 1956, als sie für Regisseur Roger Vadim tanzte. Über Nacht wurde sie zum Star. Später dienten ihre Züge als Vorbild für die Nationalheilige Marianne, die in jedem Rathaus Frankreichs steht. Heute hat sie sich von den Menschen abgewendet und ganz dem Tierschutz verschrieben.

Von Katja Nicodemus | 28.09.2009
    Sie ist der größte Star, den Frankreich je hervorgebracht hat. Die Frau, die für eine neue Form der Schönheit stand. Vor Brigitte Bardot waren weibliche Filmstars unerreichbare Wesen, die gestylt über Galatreppen schwebten. Bardot hüpfte im leichten Röckchen über Stock und Stein und fütterte die Kameras mit einem Sex, der verwirrend natürlich war. Auf der ganzen Welt kopierten die Frauen ihre »Sauerkrautfrisur«, mit der sie aussah, als sei sie eben erst dem Bett entstiegen. Sie war die global verständliche Antwort auf die Steifheit der Fünfziger, die pure Körperlichkeit, ein neuer Lebensstil, die Revolution.

    Alles begann 1956, als Brigitte Bardot in Roger Vadims Film ... und immer lockt das Weib ihren Mambo tanzte. Nie zuvor hatte man eine Frau auf der Leinwand so tanzen sehen. Bardot tanzt diesen Mambo wild, enthemmt und ganz für sich. Sie tanzt ihn vor dem Spiegel und an den Blicken der Männer vorbei. Trotzdem wurde der Auftritt zum Sinnbild erotischer Verheißung und Verfügbarkeit. Quasi über Nacht wurde Brigitte Bardot der erste Superstar jenseits des Studio-Systems. Die Massenhysterie, die sie auslöste, war beispiellos. Es gab keine Agentur und nicht die heute üblichen Trutzburgen der PR. Es gab keinen Schutz vor dem Wahnsinn, der losbrach:

    "Für mich war es die Hölle. Die Hölle! Ich hatte kein Leben. Ich war eine Gefangene meiner selbst. Eine Gefangene meines Gesichts. Ich ging nur nachts und in Schleier gehüllt aus, damit man mich nicht erkannte. Ich konnte in kein Geschäft, nie etwas einkaufen. Ich konnte nicht vor die Tür, ohne von einer Fotografenhorde verfolgt zu werden. Oder von Privatmenschen, die sich hinter Autos versteckten, um mich zu fotografieren. Es gab einfach keine Freiheit."

    Brigitte Bardot, am 28. September 1934 in Paris geboren, wurde selbst zu einer Art Lebensfilm: Die junge Bardot barfuß und fröhlich am Strand von St. Tropez. Das Leben als ewige Party, auf der man nur hin und wieder einem Champagnerkorken ausweichen muss. Die Gazettenbilder und die drei Tonnen Rosen, die Gunter Sachs über ihrem Haus in La Madrague abwerfen lässt. Kein Regisseur wusste diese Mischung aus Ausstrahlung, Image und Natürlichkeit besser ins Bild zu setzen als Jean-Luc Godard. In seinem 1963 entstandenen Film Die Verachtung treibt Bardot ihren Filmehemann Michel Piccoli mit schulterzuckender Laszivität an den Rand des Wahnsinns.
    Es erstaunt nicht weiter, dass Bardots liebster Film Henri-Georges Clouzots Die Wahrheit ist. Er handelt vom Mordprozess einer »gefallenen« jungen Frau, die ihren Geliebten umgebracht hat. Am Ende hält Bardots Heldin ein bewegendes, tragisches Plädoyer für sich, für ihre Lebensweise, für »ihre« Wahrheit.

    "Ich wurde sehr kritisiert. Man beschimpfte mich als Schlampe, weil ich mich von meinem Mann trennte, obwohl ich gerade ein Kind in die Welt gesetzt hatte. Ich erhielt ununterbrochen Schmähbriefe. Clouzot sagte mir: 'Es ist so, als ob du selbst verurteilt würdest. Weil du dich nicht konform verhalten hast. Weil die Franzosen dich nicht mögen. Es ist dein Prozess!' Und als er sagte: 'Action', da ließ ich alles, was in mir drin war, los. Als es vorbei war, fing ich an, wie verrückt zu weinen. An diesem Tag gab es viele Statisten im Saal. Und sie applaudierten alle. Es war ein unvergesslicher Moment."

    Bardot war es müde, Mythos und Hassobjekt zu sein. 1972, auf dem Höhepunkt der sexuellen Revolution, zieht sie sich ganz ins Private zurück und wird eine besessene Tierschützerin. Politisch entwickelt sie sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer Rechtsradikalen. 2003 schreibt sie das Buch Ein Ruf aus der Stille. In diesem Machwerk, einem 160-seitigen Wutausbruch, wettert Bardot gegen Frankreichs faule Lehrer und freche Schüler, gegen Marihuana, die Politik und die moderne Kunst. Sie zieht über die Schwulen, die Muslime, die Medien, die Emanzen und die 68er her. Sie verteidigt ein ultrakonservatives Familienbild. Es hat eine gewisse Ironie, dass die Frau, die Achtundsechzig vor den Achtundsechzigern erfunden hat, den Platz der Französin heute ausschließlich im Herzen der Familie sehen will. Zumal Bardot diese Rolle für sich selbst nie in den Sinn gekommen wäre:

    "Ich habe meine eigenen Entscheidungen getroffen. Ich habe die Dinge mit Mut entschieden. Ich habe nie gezögert, sondern gehandelt. Ich war eine Frau, die das Leben eines Mannes führt. Ich war von niemandem abhängig. Ich hatte immer meine finanzielle, materielle, aber auch meine amouröse Unabhängigkeit. Im Grunde war ich immer der Mann meines Lebens."

    Der Regisseur Louis Malle, mit dem sie Viva Maria! und Privatleben drehte, beschrieb Brigitte Bardot einmal als eine »Art Dreifaltigkeit« aus dem Menschen, der Schauspielerin und schließlich dem Mythos Brigitte, der alles so kompliziert mache. Hinzu kam die ultrarechte. Und die Tierschützerin Brigitte Bardot, die sich – und das gehört auch zur seltsamen Tragik ihres Lebens - selbst vor ihrem Mythos beschützt.