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Und noch eine Ernte mehr

Landwirte stellt der Klimawandel vor besondere Herausforderungen: Die traditionelle Fruchtfolge auf den Feldern wird sich ändern, es dürfte sogar neue Früchte in unseren Breiten geben. Im Gegensatz zur restlichen Welt könnte der Klimawandel hierzulande sogar zu besseren Anbaubedingungen führen.

Von Almuth Knigge |
    An diesem dunklen Herbstmorgen versinkt Rattey in dichten Nebelschwaden. Auch über die Weinberge hat sich der milchige Schleier gelegt. Die ersten kalten Nächte haben die Rebhänge in ein buntes Farbenmeer verwandelt.

    Winzer Henry Ebert streift durch die Rebstöcke und probiert die letzten übrig gebliebenen, hellgrünen Trauben. Das Keltern hat sich der ehemalige Forstgehilfe selbst beigebracht:

    "Vereinzelt sind noch welche dran, und da kann man von konzentriertem Zucker sprechen. Hier sind ein paar schöne Exemplare, mal probieren, hm, wunderbar, so ein leichter Geschmack von Stachelbeere liegt da vor, mochte ich schon als Kind ganz gerne."

    Als sich vor zehn Jahren der Verein der Privatwinzer im tiefen Nordosten gründete, da kam der Deutsche Wetterdienst, schenkte den Spaßwinzern reinen Wein ein und kam zu einem ernüchternden Urteil: zu kalt für Weinbau. Das war vor zehn Jahren. Und heute gilt Schloss Rattey als Symbol des Klimawandels:

    "Also wenn man die letzten Jahre so betrachtet merkt man, es gibt immer längere Sommer, man misst ja kurz vor der Lese die Öchsle-Grade im Weinberg, oder man macht eine Probemessung, wir liegen meistens nur zwei, drei Grade darunter, unter den Werten, die dort im Süden vorzufinden sind, und das zeigt ganz deutlich, dass sich das Klima verschoben hat in die nördliche Richtung."

    Dem stimmt Manfred Stock vorbehaltlos zu. Der Klimaforscher arbeitet am Potsdaminstitut für Klimafolgenforschung. Während seiner Studien hat er auch die Ratteyer Reben für sich entdeckt:

    "Hab also auch den Mecklenburger Landwein getrunken, muss sagen, war gar nicht so übel, man konnte da durchaus sagen, da ist ein Potenzial."

    Der Wein von Schloss Rattey ist ein Vorgeschmack auf die Zukunft. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Weinbauzonen in den nächsten 90 Jahren um bis zu 500 Kilometer in Richtung Polen verschieben könnten. Plötzlich erscheint vieles möglich, manches auch bedrohlich. Ein Wein aus Deutschland kann heute nach Frankreich schmecken, andererseits fürchtet mancher um den schlanken, säurebetonten deutschen Riesling:

    "Also wir sind da am Anfang einer ganz erheblichen Veränderung, die aber für Deutschland und für deutsche Anbaugebiete in den nächsten Jahrzehnten erstmal Chancen bietet. Das, was früher die sauren Lagen waren, die man also höchstens für die Essigproduktion nehmen konnte, das sind dann diejenigen, die sich ganz interessant entwickeln, wo man also bei einem guten reifen Wein noch eine entsprechende fruchtige Note erhält, während in den heißen Lagen, die dann zu heiß sind, unter Umständen nur ein hoher Alkoholgehalt aber ein langweiliger Wein herauskommt, und das ist ja nichts, was sich der Käufer wünscht."

    Weinselige Zeiten also - und auch für die übrige Landwirtschaft in Mittel- und Nordeuropa könnte der Klimawandel, im Gegensatz zur restlichen Welt, zu verbesserten Anbaubedingungen führen, schätzt Professor Christoph Gienapp von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei im mecklenburgischen Gülzow:

    "Der Klimawandel zwingt den Landwirt die Fruchtfolgen aufzuweiten, über neue Kulturarten nachzudenken und sie einzubauen, in der Produktion zur Anwendung zu bringen, und da ist die Bioenergieproduktion, hat da eine große Facette von Möglichkeiten, dass Biomasse in der Energieproduktion zum Einsatz kommt."

    Eine Chance für die Landwirtschaft, sagt Gienapp. Weil die Vegetationsperiode insgesamt länger wird, kann der Landwirt pro Hektar mehr Ertrag erwirtschaften, wenn er Zwischenfrüchte anbaut, die nur für die Biogasanlage benötigt werden und gleichzeitig für die Fruchtfolge gut sind. Seine Forscher arbeiten intensiv an Anpassungsstrategien, zum Beispiel Klimaställen für das Vieh, neuen Pflanzensorten und der Reduzierung von Emissionen in der Landwirtschaft. Das ist zum Beispiel eine Chance für die Industrie.

    Besuch beim Kartoffelkönig von Mecklenburg, knapp 240 Kilometer weiter westlich von Gülzow, in Kogel, nahe Zarrentin. Der Klimawandel ist auch hier angekommen. Klaus Zabel kennt auch die negativen Seiten:

    "In diesem Jahr ist es so gewesen, dass wir, weil ich das ja auch immer aufzeichne, da haben wir am 18. März hier in der Region den letzten Regen gehabt, und den ersten wieder am 27. Juni, und zwischendurch hat es nicht geregnet. Hier nicht, waren mal Millimeter, aber das ist am nächsten Tag ja gleich wieder weg."

    Aber ohne Wasser keine Kartoffeln. Also setzt Klaus Zabel von der Agrar GmbH "Schaaletal" für seine 150 Hektar Kartoffeln seit ein paar Jahren wieder Beregnungsanlagen ein. Das kostet.

    "Wir haben eine Zahl, die sich zusammensetzt aus Energie, Wartung, Betreuung und so weiter, also Zusatzberegnung bei 150 Hektar Kartoffeln kostet mal eben so 100.000 Euro."

    Dafür spart er an anderer Stelle wieder ein. Er probiert aus, was die Forscher der Landesforschungsanstalt und des Biosphärenreservats Schaalsee ausgetüftelt haben. Ein neues Düngesystem zum Beispiel - Flüssigdünger, der über extra entwickelte Injektionsräder gezielter an die Pflanze gebracht werden kann. Das Ergebnis hat bislang überzeugt.

    "Es ist da schon ein bis 1,5 Doppelzentner mehr rausgekommen, durch diese Injektionsdüngung, das ist tatsächlich schon so, weil wir auch ganz akkurat unsere Bücher geführt haben, um der Landesforschungsanstalt auch sagen zu können, haben wir jetzt was gekonnt oder ist das ein Windei."

    Der Vorteil - statt dreimal muss er nur noch einmal düngen - das spart Zeit und Geld. In diesem Jahr hat er auf einer Probeparzelle eine andere Bodenbearbeitung ausprobiert, die die Erosion der leichten Böden verhindern soll. Zabel stellt sich den veränderten Bedingungen.

    "Wenn wir hier noch weiter Landwirtschaft betreiben wollen, dann müssen wir uns damit beschäftigen, dass dieser Klimawandel bei uns kommt, und wir müssen nach neuen Maßnahmen und neuen Methoden suchen."

    Wassersparende Methoden. Da ist die Herausforderung für die Zukunft.