Von Frank Grotelüschen
Lehrte, eine Kleinstadt bei Hannover. Im Industriegebiet liegt die Steuerzentrale der E.ON Netz GmbH: Computer, Flachschirme und eine riesige Schautafel, groß wie eine Kinoleinwand. Sie zeigt ein Gewirr aus bunten Linien und Lämpchen - das Hochspannungsnetz von halb Deutschland mit mehr als 100 Kraftwerken und Umspannstationen.
5:30 Uhr. Die Schichtingenieure warten darauf, dass in Deutschland die Lichter angehen und der Stromverbrauch sprunghaft in die Höhe schnellt. Im Großen und Ganzen wissen die Energieversorger recht genau, wie viel Strom die Bundesbürger zu welcher Tageszeit verbrauchen. Doch auf ein paar Megawatt genau lässt sich der Bedarf natürlich nicht schätzen. Diese Unterschiede zwischen Angebot und Nachfrage auszugleichen - das ist der Job von Markus Valura, dem Regelleistungsmanager.
Wenn alle alles richtig machen, habe ich hier relativ wenig zu tun. Nun ist das leider selten der Fall. So muss ich schon häufig eingreifen.
Die Unterschiede zwischen Angebot und Nachfrage gleicht Valura durch sog. Reservekraftwerke aus - Pumpspeicher etwa oder Gaskraftwerke, die sich relativ schnell zu- bzw. wegschalten lassen. Das Ziel: eine Null in der Anzeige auf der großen Schautafel.
Das ist die Anzeige unten rechts. Da, wo jetzt die 6 MW stehen. Das ist ein sehr guter Wert. Wenn ich den immer hätte, wäre ich sehr glücklich. Ein negativer Wert heißt, dass ich zuviel Leistung bei mir habe. D.h. ich muss mit meinen Kraftwerken etwas herunter. Ein positiver Wert entsprechend andersrum: Ich habe zuwenig Leistung in meiner Regelzone. Ich muss meine Kraftwerke hochfahren.
Valura muss besonders ein Auge auf den Strom haben, der von den einigen Tausend Windrädern kommt. Schließlich ist der Wind ein unzuverlässiger Geselle - mal stürmt es, mal herrscht Flaute. Doch völlig ausgeliefert sind die Netzbetreiber den Launen des Windes nicht. Denn seit einiger Zeit gibt es Computerprognosen, die den Windstrom vorhersagen.
Wir liegen laut Prognose bei 400 MW, und wir liegen bei unserer Messung zurzeit bei 300 MW. Aber diese 100 MW Abweichung machen mir keinen großen Kummer.
Die Fachleute, die diese Prognosen entwickeln, sitzen in Kassel, am Institut für Solare Energieversorgungstechnik, kurz ISET. Sie nehmen die Windvorhersage der Meteorologen und rechnen sie mit dem Computer um in die zu erwartende Windstrom-Ernte. Keine einfache Sache. Denn um es genau zu machen, müsste man die Umrechnung eigentlich für jedes einzelne Windrad machen, sagt ISET-Forscher Kurt Rohrig.
Es gibt in Deutschland momentan über 12.000 Windenergieanlagen. Wenn man das für alle 12.000 machen muss, dann sind größere Computer nötig. Und die Kosten würden den Nutzen nicht mehr rechtfertigen. Deshalb haben wir Modelle entwickelt, die aufgrund von wenigen, repräsentativen Daten die zu erwartende Windleistung für große Versorgungsgebiete bestimmen. Wir machen Stichproben und rechnen das hoch.
Nur für jedes zehnte Windrad erstellt Rohrig eine genaue Prognose. Den Rest schätzt er per Hochrechnung. Bei E.ON läuft seine Software seit zwei Jahren. Im Durchschnitt sagt sie den Windstrom immerhin bis auf einen Fehler von 10 Prozent genau voraus. In der Praxis aber gibt es schon mal üble Ausreißer.
6:45 Uhr. In der E.ON-Steuerzentrale zeigt Markus Valura auf einen seiner Bildschirme.
Heute morgen ist der Wind nicht ganz so doll. Wir liegen zurzeit bei 300 MW. Das war vor anderthalb Tagen etwas anders. Da habe ich auch hier gesessen, und da war es etwas ungemütlich. Wir hatten eine Prognose, die lag bei etwa 600-700 MW. Und in der Nacht zwischen null und zwei stieg der Wind relativ plötzlich auf 2400 MW. Das war für mich ein großes Problem. Da mussten wir hingehen und tatsächlich Kernkraftwerke in der Leistung absenken, um diesen starken Windeinfluss, der nicht prognostiziert war, auszuregeln.
Solche Ausreißer werden Valura wohl auch in Zukunft nicht erspart bleiben. Zwar arbeiten die Experten in Kassel daran, die Prognose immer weiter zu verbessern. Aber hundertprozentig genau werden sie den Windstrom nie vorhersagen können - allein schon deswegen nicht, weil die Wettervorhersage immer wieder mal danebenliegt. Die Folge: Auch in Zukunft wird man bei der Windenergie mit unvorhersehbaren Schwankungen leben müssen. Und das bedeutet: Wenn in Nord- und Ostsee die geplanten riesigen Offshore-Windparks in Betrieb gehen, werden die Netzbetreiber manch neues Reservekraftwerk einrichten müssen.
Lehrte, eine Kleinstadt bei Hannover. Im Industriegebiet liegt die Steuerzentrale der E.ON Netz GmbH: Computer, Flachschirme und eine riesige Schautafel, groß wie eine Kinoleinwand. Sie zeigt ein Gewirr aus bunten Linien und Lämpchen - das Hochspannungsnetz von halb Deutschland mit mehr als 100 Kraftwerken und Umspannstationen.
5:30 Uhr. Die Schichtingenieure warten darauf, dass in Deutschland die Lichter angehen und der Stromverbrauch sprunghaft in die Höhe schnellt. Im Großen und Ganzen wissen die Energieversorger recht genau, wie viel Strom die Bundesbürger zu welcher Tageszeit verbrauchen. Doch auf ein paar Megawatt genau lässt sich der Bedarf natürlich nicht schätzen. Diese Unterschiede zwischen Angebot und Nachfrage auszugleichen - das ist der Job von Markus Valura, dem Regelleistungsmanager.
Wenn alle alles richtig machen, habe ich hier relativ wenig zu tun. Nun ist das leider selten der Fall. So muss ich schon häufig eingreifen.
Die Unterschiede zwischen Angebot und Nachfrage gleicht Valura durch sog. Reservekraftwerke aus - Pumpspeicher etwa oder Gaskraftwerke, die sich relativ schnell zu- bzw. wegschalten lassen. Das Ziel: eine Null in der Anzeige auf der großen Schautafel.
Das ist die Anzeige unten rechts. Da, wo jetzt die 6 MW stehen. Das ist ein sehr guter Wert. Wenn ich den immer hätte, wäre ich sehr glücklich. Ein negativer Wert heißt, dass ich zuviel Leistung bei mir habe. D.h. ich muss mit meinen Kraftwerken etwas herunter. Ein positiver Wert entsprechend andersrum: Ich habe zuwenig Leistung in meiner Regelzone. Ich muss meine Kraftwerke hochfahren.
Valura muss besonders ein Auge auf den Strom haben, der von den einigen Tausend Windrädern kommt. Schließlich ist der Wind ein unzuverlässiger Geselle - mal stürmt es, mal herrscht Flaute. Doch völlig ausgeliefert sind die Netzbetreiber den Launen des Windes nicht. Denn seit einiger Zeit gibt es Computerprognosen, die den Windstrom vorhersagen.
Wir liegen laut Prognose bei 400 MW, und wir liegen bei unserer Messung zurzeit bei 300 MW. Aber diese 100 MW Abweichung machen mir keinen großen Kummer.
Die Fachleute, die diese Prognosen entwickeln, sitzen in Kassel, am Institut für Solare Energieversorgungstechnik, kurz ISET. Sie nehmen die Windvorhersage der Meteorologen und rechnen sie mit dem Computer um in die zu erwartende Windstrom-Ernte. Keine einfache Sache. Denn um es genau zu machen, müsste man die Umrechnung eigentlich für jedes einzelne Windrad machen, sagt ISET-Forscher Kurt Rohrig.
Es gibt in Deutschland momentan über 12.000 Windenergieanlagen. Wenn man das für alle 12.000 machen muss, dann sind größere Computer nötig. Und die Kosten würden den Nutzen nicht mehr rechtfertigen. Deshalb haben wir Modelle entwickelt, die aufgrund von wenigen, repräsentativen Daten die zu erwartende Windleistung für große Versorgungsgebiete bestimmen. Wir machen Stichproben und rechnen das hoch.
Nur für jedes zehnte Windrad erstellt Rohrig eine genaue Prognose. Den Rest schätzt er per Hochrechnung. Bei E.ON läuft seine Software seit zwei Jahren. Im Durchschnitt sagt sie den Windstrom immerhin bis auf einen Fehler von 10 Prozent genau voraus. In der Praxis aber gibt es schon mal üble Ausreißer.
6:45 Uhr. In der E.ON-Steuerzentrale zeigt Markus Valura auf einen seiner Bildschirme.
Heute morgen ist der Wind nicht ganz so doll. Wir liegen zurzeit bei 300 MW. Das war vor anderthalb Tagen etwas anders. Da habe ich auch hier gesessen, und da war es etwas ungemütlich. Wir hatten eine Prognose, die lag bei etwa 600-700 MW. Und in der Nacht zwischen null und zwei stieg der Wind relativ plötzlich auf 2400 MW. Das war für mich ein großes Problem. Da mussten wir hingehen und tatsächlich Kernkraftwerke in der Leistung absenken, um diesen starken Windeinfluss, der nicht prognostiziert war, auszuregeln.
Solche Ausreißer werden Valura wohl auch in Zukunft nicht erspart bleiben. Zwar arbeiten die Experten in Kassel daran, die Prognose immer weiter zu verbessern. Aber hundertprozentig genau werden sie den Windstrom nie vorhersagen können - allein schon deswegen nicht, weil die Wettervorhersage immer wieder mal danebenliegt. Die Folge: Auch in Zukunft wird man bei der Windenergie mit unvorhersehbaren Schwankungen leben müssen. Und das bedeutet: Wenn in Nord- und Ostsee die geplanten riesigen Offshore-Windparks in Betrieb gehen, werden die Netzbetreiber manch neues Reservekraftwerk einrichten müssen.