Archiv


Und sie bewegen sich doch

Hörsaalbesetzungen und Demonstrationen zeigen Erfolg: Rektoren und Studierende verschiedener Hochschulen haben sich mittlerweile individuell über die Reform der Bachelorstudiengänge geeinigt.

Von Thomas Wagner |
    Hörsaal 042 der Pädagogischen Hochschule Weingarten in Oberschwaben: Studierende halten den Raum seit Mitte November besetzt - eine Aktion wie vielerorts bundesweit. Ihre Forderungen gleichen denen an anderen Hochschulen: weniger Notendruck, eine Entrümpelung der Prüfungsordnungen. Gestern Abend schließlich ein Gespräch mit der Hochschulleitung. Die Studierenden stoßen auf Verständnis.

    "Das Gespräch war meiner Meinung nach erfolgreich. Die Rektorin und all die anderen von der Hochschule, die dabei waren, nehmen unsere Forderungen auch sehr ernst und leiten jetzt die verschiedenen Punkte in die Gremien weiter."

    Für Anna Eiler, Studierendenvertreterin aus Weingarten, ist das schon ein Durchbruch: weg vom anfänglichen Konfrontationskurs mit der Hochschulleitung, hin zu einem konstruktiven Dialog. Die Studierenden fühlen sich neuerdings ernst genommen. Maxi Ludwig und Sebastian Voth von der PH Weingartenn:

    "Ich weiß nicht, ob ich daran glauben soll, dass was passiert. Aber ich wünsche es mir so sehr. Und deshalb passiert es jetzt auch einfach. Punkt."

    "Ich denke, dass sich etwas ändern wird. Ich denke, das ist ein lang anhaltender Prozess. Aber ich glaube, dass wir nicht aufgeben werden. Aber irgendwann kann sich die Politik dem auch nicht verschließen und muss anerkennen, dass die Gesellschaft ein Problem hat und sich diesen Problemen auch stellen muss."

    Selbst die überaus kritischen Studierendenvertreter der Uni Freiburg gestehen dem Rektor zu, "Handlungsbereitschaft" gegenüber den Forderungen der Studierenden signalisiert zu haben. Das Verständnis dürfe sich aber nicht nur auf die Bereitschaft erstrecken, den Prüfungsdruck von den Bachelorstudiengängen zu nehmen. Der Rektor müsse sich in weitaus mehr Punkten, beispielsweise bei der Verbesserung der finanziellen Situation der Studierenden, auf die AStA-Vertreter zu bewegen. In Zukunft wolle man aber den konstruktiven Dialog fortsetzen. An der Fachhochschule Erlangen können die Studierenden mit Solidaritätsadressen argumentieren, mit denen sie noch vor kurzem nicht gerechnet haben: Der Direktor des Stadtmuseums sicherte ihnen ebenso die Unterstützung zu wie die Intendantin des Erlanger Stadtmuseums.

    In Stuttgart-Hohenheim waren noch vor einem Jahr die Fronten zwischen der Hochschulleitung und den Studierendenvertretern extrem verhärtet; von einem Dialog konnte keine Rede sein. Anders dagegen jetzt: Nach den Streik- und Protestaktionen der vergangenen Monate beschloss der Senat dieser Tage, eine eigene Bolognakommission einzurichten. Die soll mit Hochschullehrern, aber auch mit Studierendenvertretern besetzt werden und Vorschläge erarbeiten, wie vor allem die Bachelorstudiengänge im Sinne der Studierenden umgestaltet werden können. Professor Martin Blum, Prorektor für Lehre:

    "Das zeigt auch die Notwendigkeit, die Studenten wirklich auch mitzunehmen bei diesem Bolognaprozess. An erster Stelle steht jetzt, den Prüfungsdruck zu mindern, eine wichtige Forderung der Studierenden auch. Wir haben zwar bislang nur eine Prüfung pro Modul. Aber wir gehen dran, alle Studiengänge zu überarbeiten. Also große Frage: Prüfungsdruck vermindern. Und die zweite Geschichte ist die Zulassung zu den Masterstudiengängen. Das Studierende mit einem Bachelor, die weiter studieren wollen, auch garantiert eine Zulassung zum Masterstudium bekommen."

    Daneben beschloss der Senat, sich im Dialog mit der baden-württembergischen Landesregierung für die Wiedereinführung eines hochschulpolitischen Mandates der Studienvertreter einzusetzen. In Baden-Württemberg wurde die "verfasste Studentenschaft", in der jeder Studierende Pflichtmitglied ist und die über ein autonomes finanzielles Budget verfügt, 1977 abgeschafft. Dass die Uraltforderung vieler Studierender nach Wiedereinführung nun sogar in Hohenheim in einen einstimmigen Senatsbeschluss mündete, zeigt Simon Munder vom AStA der Uni Hohenheim eines: Die Proteste der vergangenen Wochen haben was bewirkt, haben zu erheblich mehr Verständnis bei der Hochschulleitung, aber auch bei einzelnen Politikern für die Interessen der Studierenden geführt.

    "Da ist eine Situation, die durchaus positiv für uns auch ist. Ich bin der Meinung, wir sind jetzt im konstruktiven Part und wir haben im Sommer beziehungsweise in der Mitte des Jahres unseren Unmut geäußert, haben protestiert und haben verschiedene Aktionen gemacht. Wir haben Gehör gefunden. Jetzt geht es darum, unsere Forderungen entsprechend umzusetzen. Und das kann eigentlich nur im konstruktiven Dialog funktionieren. Und solange wir noch in diesem Dialog sind, möchte ich ihn auch mitnehmen."

    Fortschritte erhofft sich Simon Munder auch von der Kultusministerkonferenz heute in Bonn. Seiner Meinung nach werden die Kulturminister den Forderungen der Studierenden am ehesten dort nachkommen, wo es kein Geld kostet. Das genau sei aber nicht genug, macht Simon Munder deutlich:

    "Ich spreche jetzt von Studiengebühren. Ich spreche von einer Verlängerung des BAföG, wobei das Sache des Bundeshaushaltes ist. Ich spreche von einer Erhöhung des BAföG. Ich spreche von einem besseren Betreuungsverhältnis von Lehrenden und Studierenden. Das sind alles Dinge, die unglaublich wichtig sind, die aber wahrscheinlich als Zugeständnis eher nicht kommen werden. Und da müssen wir dranbleiben. Wir dürfen uns nicht mit einzelnen kleinen Erfüllungen abspeisen lassen."