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Und sie bleiben doch oben

Technik. – In den Grünanlagen – so es dort erlaubt ist – haben wir sie schon bewundert: Jene stolzen Besitzer kleiner fliegender Kisten, die mit ihren knatternden Vehikeln nur über die Fernsteuerung verbunden sind. Dass dabei Pilot oder Technik mitunter kostspielig versagen, gehört quasi zum Geschäft. Bei Profis darf das allerdings nicht passieren, dafür sind Vermessungs- und Aufklärungsdrohnen dann doch zu teuer. Ein Plus an autonomer Flugsicherheit stellten jetzt Ingenieure der Technischen Universität Braunschweig vor - sogar zum Bastlertarif.

    Von Michael Engel

    Erster Eindruck: "Carolo" macht ordentlich Krach. Zweiter Eindruck: das Ganze sieht irgendwie komisch aus. Propeller und Motor liegen – ebenso wie die 40 Zentimeter großen Tragflächen – hinten am Heck. Nur das kleine Höhenleitwerk hält die Nase vorn in den Wind. Solche "Entenflugzeuge" sehen aus, als würden sie verkehrt herum fliegen, sagt Professor Peter Vörsmann, Leiter des Instituts für Luft- und Raumfahrtsysteme. Er schwört auf die Vorteile:

    Die "Ente" hat den Vorteil, dass das Höhenleitwerk vorne auch Auftrieb produziert. Das ist bei einem konventionellen Flugzeug nicht der Fall. Außerdem ist es einfacher für den Landeanflug eines solchen Flugzeuges, den Propeller aus Strukturgründen am Ende der Tragfläche zu haben.

    Erhöhter Auftrieb ist wichtig. So konnte die elektronische Nutzlast auf hundert Gramm gesteigert werden – bei einem Gesamtgewicht von nur 300 Gramm. 70 Stundenkilometer erreicht das elektrisch getriebene Mikroflugzeug: 30 Minuten Flugzeit, dann ist der Akku leer. Das absolute Highlight: Carolo soll völlig autonom alle Turbulenzen meistern.

    Dieses Flugzeug fliegt ja in der turbulenten Atmosphäre. Wir haben Wind, Wetter, Regen, Schnee und auch bei diesen Bedingungen soll es fliegen. Und wenn man sich einmal vorstellt, dass die 40 Zentimeter Spannweite gleiche Wellenlängen haben, die wir auch in der Turbulenz finden, dann ist es eine große Herausforderung, dieses Flugzeug zum Beispiel noch in einer Gewitterfront fliegen zu können. Da wollen wir hin. An Bord des Mikrofliegers befinden sich Beschleunigungssensoren, Drehratengeber und ein Satellitennavigationssystem – das alles verknüpft mit einem Bordcomputer, der den Winzling selbsttätig auf Kurs hält. Die Elektronikbauteile sind Pfennigartikel, betont der Ingenieur, man muss sie nur intelligent miteinander verknüpfen. Gerade mal 1000 Euro habe die Elektronik gekostet. Sogar eine Digitalkamera gehört dazu. Erste Einsatzmöglichkeit: die Verkehrsüberwachung:

    Die zweite Anwendung ist die Wetterforschung. Ich kann mir Carolo als Wetterflieger vorstellen. Denken Sie heute an die Wetterballone, die Radiosonden, das sind Wegwerfprodukte. Sie steigen auf, manchmal werden sie wiedergefunden, aber sie werden nicht wieder verwendet. Carolo können wir wieder verwenden – an jedem Ort. Das heißt, wir haben die Chance, mit einem wiederverwertbaren low-cost – also einem Produkt, das wirklich nicht viel kostet von der Elektronik her - die Wetterforschung zu verbessern, Klimamodelle und Atmosphärenmodelle zu verbessern.

    Die Bordelektronik sendet die Daten während des Fluges über eine Handyfrequenz zurück zur PC-Station. Umgekehrt sind – vom PC aus - jederzeit Kursänderungen möglich. Dass sie immer kleiner werden, schneller und leistungsfähiger – die Mikroflugzeuge der Zukunft – da besteht nach Ansicht des Experten kein Zweifel:

    Die Elektronik ist ja in diesem Flugzeug nicht hoch integriert. Wenn wir daran denken, was auf mehreren Chips verteilt ist, auf dem Chip des Satellitennavigators, dem Bordrechner, wenn ich das alles auf einen Chip bringe, dann denke ich werden wir in circa fünf Jahren Mikroflugzeuge sehen, die Spannweiten von zehn bis 15 Zentimeter haben, hundert Gramm schwer sind und die gleichen Aufgaben erfüllen.

    Erste Testflüge haben bereits begonnen. Der eigentliche Premierenflug – "autonom" allein mit Hilfe der Bordelektronik - ist für 2003 geplant. Urteil des Experten: "Das könnte auch ein interessantes Spielzeug werden."