Ute Wegmann: Stephenie Meyer - geboren 1973, verheiratet in Arizona, Mutter von drei Kindern - schrieb die drei Erfolgsromane "Biss zum Morgengrauen", "Biss zur Mittagsstunde", "Biss zum Abendrot". Annähernd 1800 Seiten Lesestoff, angesiedelt in einer verregneten Kleinstadt. Die weibliche Hauptfigur Bella zieht zu ihrem Vater nach Forks und lernt auf der High School Edward kennen. Sie verlieben sich. Das Genre! Liebesroman? Fantasy? Vampirroman? Von allem etwas. Mit dem Vampirthema, seit der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts zunehmend sexualisiert, würzt Meyer den Liebesroman. Die fantastischen Elemente potenzieren das Übermenschliche dieser Liebe.
Stephenie Meyer: Absolute Liebe, also die Liebe, für die Menschen wie Romeo und Julia bereit sind zu sterben, hat eine übernatürliche Qualität, weil es nicht die Liebe ist, die man im Alltag erlebt. Und nicht über einen längeren Zeitraum. Das Gefühl der ersten Wochen, des ersten Verliebtseins, das kann nicht immer andauern. Irgendwann setzt die Realität wieder ein. Aber eine kraftvolle und romantische Liebe hat eine übernatürliche Qualität. Ich glaube, die Intensität der Liebe, die ich beschrieben habe, hat mehr mit der Liebe zu meinen Kindern zu tun als mit romantischer Liebe. Es gibt einfach eine Art von Liebe, für die du sterben würdest. Sie verändert dein ganzes Leben und du wirst sie nie verlieren. Die Liebe zu den Kindern ist so eine Art. Diese Liebe ist absolut absolut.
Wegmann: Angefangen hat alles mit einem Traum, den die Autorin aufschrieb. Im Traum begegnete ihr Edward.
Meyer: Edward spielt eine große Rolle. Er ist der Grund, warum die Leute die Bücher lesen. Er ist der Grund, warum ich die Bücher geschrieben habe. In meinem Traum hat er mich angeregt, seine Geschichte zu schreiben. Er ist mehr als ein Prinz. Er ist eine Engelsfigur und gleichzeitig ein Teufel. Er hat eine Verbindung zum Bösen. Beides zusammen macht ihn so attraktiv und unvergesslich.
Wegmann: Edward ist ein Jüngling von nie gesehener Schönheit.
Edward ist ein gottähnliches Wesen, der Traum vieler Mädchen: makellose Lippen, glatte Haut, eine muskulöse Brust, mal sind die Augen honigfarben, mal golden, er spricht sanft, er blickt sanft, er lässt sich geschmeidig zu Boden sinken, sein Lächeln ist strahlend, sein Blick weich. Aber er ist ein Vampir. Und die Frage, die die Geschichte vorantreibt, ist die alles entscheidende: Wird er Bella in eine Vampirin verwandeln, so wie sie es wünscht? Wird er sie beißen?
"Biss zum Morgengrauen" ist leichte Lektüre, literarisch wenig anspruchsvoll, schnell lesbar, Unterhaltung, konzentriert auf die schwärmerischen Beigaben, die Mädchenliteratur ausmachen. "Biss zur Mittagsstunde" überrascht mit einem fantastischen Geheimnis um die Figur des Bella-Freundes Jacob Blake, ein Junge, der sie tröstet als Edward mitsamt seiner Familie zu Beginn von Band zwei verschwindet, um nicht in Versuchung zu geraten, den Biss zu vollziehen. Trennungsschmerz bewegt diesen Roman." Biss zum Abendrot" erweist sich als zunehmend anstrengend, denn hier wirken die episch ausgedehnten Dialoge noch gefühlsbetonter. Pubertär emotionales Schwanken der beiden Verliebten prägt - noch stärker als in den vorangegangenen Bänden - die Geschichte in diesem dritten Teil.
Bella ist anfangs ein naives Mädchen, völlig absorbiert von der Liebe zu dem jungen Mann, der unerreichbar scheint. Mit der Zeit entwickelt sie jedoch mehr Konturen und Widerstände, sicherlich auch hervorgerufen durch die Zuneigung Jacob Blakes.
Aber welches Frauenbild verkörpert Bella? Ist sie wirklich eine moderne junge Frau? Widersprüchlich sind ihre Aussagen und Verhaltensweisen: Einerseits lehnt sie das "Provinztussigehabe" der frühen Heirat ab, andererseits will sie ‚gebissen' werden, sterben für die Liebe, um Unsterblichkeit zu erlangen, um endlich zu Edward und seiner Vampirfamilie zugehören.
Meyer: Ich sehe Bella als sehr starke Person. Ein Individuum. Ihr Geschlecht ist dabei uninteressant für die Geschichte. Wenn Bella zum Beispiel die Vampirin gewesen wäre und Edward der Mensch, wäre es die gleiche Geschichte gewesen.
Einige Leser fanden Bella zu abhängig von Edward, das verstehe ich nicht. Sie ist ein Mensch und kein Übermensch, und dafür hält sie sich wirklich gut. Ich hatte nicht die Absicht, einen feministischen Roman zu schreiben, aber ich bin eine starke Frau und ich denke, etwas davon hat Bella auch.
Wegmann: Stephenie Meyer lässt Bella leiden. Ihre sexuellen Wünsche bleiben Träume, Edward muss sich kontrollieren. Und somit bleibt auch ihr nichts anderes als Selbstkontrolle. Die sexuelle Abstinenz mit dem sich immerwährend zügelnden Vampir erträgt Bella mit erstaunlich viel Humor.
Meyer: Ich fand es interessant, zwei Leute zu zeigen, von denen einer sehr rollengebunden ist und der andere macht, was er will. Und diese Rollen letztlich umzukehren: Edward zieht die Grenzen. Und Bella sagt: vergiss es! Es ist anders als normalerweise und daran hatte ich Spaß. Aber nicht jeder versteht meinen Humor. Fast alles, was Bella sagt, ist scherzhaft. Sie ist sarkastisch und spricht mit ironischem Unterton. Es gibt Leute, die lesen Bella als sehr ernste Figur. Aber so klingt sie nicht für mich.
Wegmann: Aber was meint Bella denn ernst und was ist Ironie? Ihre Hingabebereitschaft bis zum Tod und ihre extrem kitschige Orientierung an Äußerlichkeiten sowie die damit verbundene Faszination an körperlicher Perfektion, die wiederholt thematisiert wird, wirken nicht scherzhaft und lassen ihre starken Seiten unglaubwürdig erscheinen. Fragwürdig ist das Spiel mit dem konservativen Rollenbild, und fragwürdig ist auch, dass Bella sich letztlich fast immer den Regeln Edwards unterwerfen muss und möchte. Denn: Edward will erst die Hochzeit, dann den Biss, dann den Sex.
Wahre Liebe und Sexualität, die beiden Themen, die junge Menschen in der Pubertät besonders bewegen, bindet die Autorin geschickt durch das Vampirthema. Denn: Edwards Vampirismus ist verantwortlich dafür, dass weder Sexualität noch die einzigartige Liebe gelebt werden können. Und gleichzeitig birgt der Vampirismus die große Hoffnung auf Unsterblichkeit.
Es verwundert nicht, dass Stephenie Meyer vor allem pubertierende Mädchen, Schwärmende und Schmachtende erreicht und alle, die an die große Liebe glauben möchten und auch Erwachsene, die - so sagt sie - sich durch den Roman an die Absolutheit ihrer ersten großen Liebe erinnern.
Für den Genuss der Lektüre braucht der erwachsene Leser oder wohl eher die Leserin auf alle Fälle die Fähigkeit der Rückbesinnung auf die eigene Pubertät. Im besten Fall hat sie auf dem katholischen Land stattgefunden, in den Sechziger Jahren.
Wer daran gern zurückdenkt oder heute weiblich und zwischen 13 und 16 ist, für dieses weibliche Wesen könnte Edward zu einer echten Gefahr werden.
Stephenie Meyer: Absolute Liebe, also die Liebe, für die Menschen wie Romeo und Julia bereit sind zu sterben, hat eine übernatürliche Qualität, weil es nicht die Liebe ist, die man im Alltag erlebt. Und nicht über einen längeren Zeitraum. Das Gefühl der ersten Wochen, des ersten Verliebtseins, das kann nicht immer andauern. Irgendwann setzt die Realität wieder ein. Aber eine kraftvolle und romantische Liebe hat eine übernatürliche Qualität. Ich glaube, die Intensität der Liebe, die ich beschrieben habe, hat mehr mit der Liebe zu meinen Kindern zu tun als mit romantischer Liebe. Es gibt einfach eine Art von Liebe, für die du sterben würdest. Sie verändert dein ganzes Leben und du wirst sie nie verlieren. Die Liebe zu den Kindern ist so eine Art. Diese Liebe ist absolut absolut.
Wegmann: Angefangen hat alles mit einem Traum, den die Autorin aufschrieb. Im Traum begegnete ihr Edward.
Meyer: Edward spielt eine große Rolle. Er ist der Grund, warum die Leute die Bücher lesen. Er ist der Grund, warum ich die Bücher geschrieben habe. In meinem Traum hat er mich angeregt, seine Geschichte zu schreiben. Er ist mehr als ein Prinz. Er ist eine Engelsfigur und gleichzeitig ein Teufel. Er hat eine Verbindung zum Bösen. Beides zusammen macht ihn so attraktiv und unvergesslich.
Wegmann: Edward ist ein Jüngling von nie gesehener Schönheit.
Edward ist ein gottähnliches Wesen, der Traum vieler Mädchen: makellose Lippen, glatte Haut, eine muskulöse Brust, mal sind die Augen honigfarben, mal golden, er spricht sanft, er blickt sanft, er lässt sich geschmeidig zu Boden sinken, sein Lächeln ist strahlend, sein Blick weich. Aber er ist ein Vampir. Und die Frage, die die Geschichte vorantreibt, ist die alles entscheidende: Wird er Bella in eine Vampirin verwandeln, so wie sie es wünscht? Wird er sie beißen?
"Biss zum Morgengrauen" ist leichte Lektüre, literarisch wenig anspruchsvoll, schnell lesbar, Unterhaltung, konzentriert auf die schwärmerischen Beigaben, die Mädchenliteratur ausmachen. "Biss zur Mittagsstunde" überrascht mit einem fantastischen Geheimnis um die Figur des Bella-Freundes Jacob Blake, ein Junge, der sie tröstet als Edward mitsamt seiner Familie zu Beginn von Band zwei verschwindet, um nicht in Versuchung zu geraten, den Biss zu vollziehen. Trennungsschmerz bewegt diesen Roman." Biss zum Abendrot" erweist sich als zunehmend anstrengend, denn hier wirken die episch ausgedehnten Dialoge noch gefühlsbetonter. Pubertär emotionales Schwanken der beiden Verliebten prägt - noch stärker als in den vorangegangenen Bänden - die Geschichte in diesem dritten Teil.
Bella ist anfangs ein naives Mädchen, völlig absorbiert von der Liebe zu dem jungen Mann, der unerreichbar scheint. Mit der Zeit entwickelt sie jedoch mehr Konturen und Widerstände, sicherlich auch hervorgerufen durch die Zuneigung Jacob Blakes.
Aber welches Frauenbild verkörpert Bella? Ist sie wirklich eine moderne junge Frau? Widersprüchlich sind ihre Aussagen und Verhaltensweisen: Einerseits lehnt sie das "Provinztussigehabe" der frühen Heirat ab, andererseits will sie ‚gebissen' werden, sterben für die Liebe, um Unsterblichkeit zu erlangen, um endlich zu Edward und seiner Vampirfamilie zugehören.
Meyer: Ich sehe Bella als sehr starke Person. Ein Individuum. Ihr Geschlecht ist dabei uninteressant für die Geschichte. Wenn Bella zum Beispiel die Vampirin gewesen wäre und Edward der Mensch, wäre es die gleiche Geschichte gewesen.
Einige Leser fanden Bella zu abhängig von Edward, das verstehe ich nicht. Sie ist ein Mensch und kein Übermensch, und dafür hält sie sich wirklich gut. Ich hatte nicht die Absicht, einen feministischen Roman zu schreiben, aber ich bin eine starke Frau und ich denke, etwas davon hat Bella auch.
Wegmann: Stephenie Meyer lässt Bella leiden. Ihre sexuellen Wünsche bleiben Träume, Edward muss sich kontrollieren. Und somit bleibt auch ihr nichts anderes als Selbstkontrolle. Die sexuelle Abstinenz mit dem sich immerwährend zügelnden Vampir erträgt Bella mit erstaunlich viel Humor.
Meyer: Ich fand es interessant, zwei Leute zu zeigen, von denen einer sehr rollengebunden ist und der andere macht, was er will. Und diese Rollen letztlich umzukehren: Edward zieht die Grenzen. Und Bella sagt: vergiss es! Es ist anders als normalerweise und daran hatte ich Spaß. Aber nicht jeder versteht meinen Humor. Fast alles, was Bella sagt, ist scherzhaft. Sie ist sarkastisch und spricht mit ironischem Unterton. Es gibt Leute, die lesen Bella als sehr ernste Figur. Aber so klingt sie nicht für mich.
Wegmann: Aber was meint Bella denn ernst und was ist Ironie? Ihre Hingabebereitschaft bis zum Tod und ihre extrem kitschige Orientierung an Äußerlichkeiten sowie die damit verbundene Faszination an körperlicher Perfektion, die wiederholt thematisiert wird, wirken nicht scherzhaft und lassen ihre starken Seiten unglaubwürdig erscheinen. Fragwürdig ist das Spiel mit dem konservativen Rollenbild, und fragwürdig ist auch, dass Bella sich letztlich fast immer den Regeln Edwards unterwerfen muss und möchte. Denn: Edward will erst die Hochzeit, dann den Biss, dann den Sex.
Wahre Liebe und Sexualität, die beiden Themen, die junge Menschen in der Pubertät besonders bewegen, bindet die Autorin geschickt durch das Vampirthema. Denn: Edwards Vampirismus ist verantwortlich dafür, dass weder Sexualität noch die einzigartige Liebe gelebt werden können. Und gleichzeitig birgt der Vampirismus die große Hoffnung auf Unsterblichkeit.
Es verwundert nicht, dass Stephenie Meyer vor allem pubertierende Mädchen, Schwärmende und Schmachtende erreicht und alle, die an die große Liebe glauben möchten und auch Erwachsene, die - so sagt sie - sich durch den Roman an die Absolutheit ihrer ersten großen Liebe erinnern.
Für den Genuss der Lektüre braucht der erwachsene Leser oder wohl eher die Leserin auf alle Fälle die Fähigkeit der Rückbesinnung auf die eigene Pubertät. Im besten Fall hat sie auf dem katholischen Land stattgefunden, in den Sechziger Jahren.
Wer daran gern zurückdenkt oder heute weiblich und zwischen 13 und 16 ist, für dieses weibliche Wesen könnte Edward zu einer echten Gefahr werden.