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Und, wie geht's so?

Heute schon geplaudert? Vielleicht im Büro oder an der Bushaltestelle? Oder auf der Sylvesterparty? Angela Fritzen und Concetta Milione haben es mit Sicherheit schon getan. Sie lieben den Smalltalk. An der Fachhochschule Düsseldorf haben Angela Fritzen und Concetta Milione ihre Diplomarbeit über Smalltalk verfasst. Mit einem Magazin zum Thema Smalltalk haben die frisch gebackenen Kommunikationsdesignerinnen nicht nur ihre Professoren überzeugt, sondern auch den Art-Directors-Club. Die Vereinigung der Werbefachleute hat die beiden Frauen zu "Talenten des Jahres" gekürt.

Autor: Kai Toss |
    "Na, wie geht's?" "Ja , muss. Und selbst?"

    "Und, was machst Du so in letzter Zeit?"

    Zugegeben, es könnte etwas origineller sein, der Einstieg ins unverfängliche Gespräch. Angela Fritzen findet das jedoch nicht schlimm. Smalltalk nämlich...

    ...lebt eigentlich von einer Banalität, von seiner Oberflächlichkeit. Das was vielen so gegen den Strich geht, was viele so schlimm finden am Smalltalk - gerade das ist es, wovon er lebt. Dieses "Hallo, wie geht's, lange nicht mehr gesehen. Wie geht's der Familie?" und all diese Kleinigkeiten, um zu signalisieren: Uns geht's gut. Dieser soziale Kontakt muss gepflegt werden.

    Eine Erkenntnis, erzählt Concetta Milione, zu der sich die beiden Grafikerinnen erst einmal durchringen mussten.

    Ich dachte immer, man müsste tagein, tagaus etwas sinnvolles reden. Und dieses Banale, diese Oberflächlichkeit, die hat mich total gestört. Es hat mich gestört, wenn mich der Zehnte gefragt hat: "na und was machst du jetzt so?", weil ich wusste: Es interessiert die Leute nicht wirklich. Und mir ging's genauso. Ich hatte krampfhaft versucht, irgendwelche Fragen mir aus dem Ärmel zu schütteln und bin da immer total steif ran gegangen.

    Die beiden Frauen wollten mit ihrer Abschlussarbeit einen Ratgeber vorlegen, ein Magazin, das das Thema Smalltalk ansprechend mit vielen Bildern und wenig Text aufbereitet. Viel haben sie sich angelesen, viel haben sie sich vorgenommen. So wollten sie beispielsweise zeigen, dass Smalltalk eine ähnliche Funktion hat, wie das gegenseitige Kraulen bei Affen: Nähe suchen, Rangordnung festlegen, Beziehungen pflegen. Das in Bildern darzustellen erschien den beiden jedoch zu kompliziert. Drei Wochen vor dem Abgabetermin haben die Junggrafikerinnen ihr ganzes Konzept über den Haufen geworfen und noch einmal von vorne angefangen. Scheitern nicht ausgeschlossen.

    Wir wollen eigentlich zeigen, was man schon drüber weiß und haben ein Magazin geschaffen, indem wir alles Wissenswerte, alles, was jeder kennt, wo sich jeder wieder findet, umgesetzt. Und das sollte Spaß machen.



    Ja, ja, der frühe Vogel fängt den Wurm

    Ordnung ist das halbe Leben

    Knapp daneben ist auch vorbei.

    Wer A sagt, muss auch B sagen.

    Nur die Harten kommen in den Garten

    Abgedroschene Fragen, auch sie gehören zum Smalltalk. Dargestellt haben sie die Preisträgerinnen in riesigen Lettern über eine ganze Doppelseite. Von Spruch zu Spruch wird die Schrift immer kleiner bis die einzelnen Phrasen im Buchstabensalat versinken. An anderer Stelle überraschen die beiden Frauen mit Fotos, die sie wie Karikaturen arrangiert haben. Fotos von Männern, in Folie verpackt, gut gekühlt in der Gefriertruhe. "Aufwärmen bis spätestens 2003" steht darunter. Smalltalk als Kitt, der die Wirtschaft in Schwung hält. Auf einer anderen Doppelseite sind Dutzende von Portraits zu sehen. Unter jedem Bild steht der Name und die nur auf den zweiten Blick zu sehende Berufsbezeichnung "Meteorologe". Der Klassiker des Smalltalks...

    Macht Sie das Wetter eigentlich auch so fertig?

    Zu kalt, zu heiß, zu nass, zu glatt. Concetta Milione mag sogar dieses Thema.

    Inzwischen sehr gerne. Früher hab ich's leider nicht so gerne getan, aber inzwischen bin ich davon kuriert - durch meine Diplomarbeit.

    Akademische Selbsterfahrung der etwas anderen Art. Und die Zusammenfassung der Beiden:

    Smalltalk ist banal. Smalltalk ist oberflächlich, und das ist auch gut so.

    Concetta Milione und Angela Fritzen haben sofort nach ihren Studium Jobs in Werbeagenturen gefunden. Nicht zuletzt die originelle Diplomarbeit hat den Grafikerinnen die Türen geöffnet.

    Die war ja wirklich mit drin in der Mappe. Es waren ganz viele Arbeiten aus dem Studium in der Mappe. Wir haben uns in hauptsächlich Düsseldorf und Köln beworben. Die Diplomarbeit hat auf jeden Fall ihren Anteil dazu beigetragen, dass wir die Jobs gefunden haben, die wir jetzt haben.

    Mit Smalltalk zum Erfolg. Die beiden Grafikerinnen haben den Leitsatz vieler schlechter Ratgeber optimal für sich umgesetzt.

    Doppelt gemoppelt hält besser.

    Herr, schmeiß Hirn vom Himmel.

    Ende gut, alles gut.