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Uneinigkeit über EZB-Anleiheankäufe

Am Tag nach der Entscheidung der EZB, Anleihen überschuldeter Euro-Staaten aufzukaufen, reißen die Diskussionen darüber nicht ab, ob die Notenbank rechtlich dazu befugt ist. EZB-Präsident Mario Draghi ist davon überzeugt - Bundestagsabgeordnete hingegen sehen das anders.

Von Michael Braun | 07.09.2012
    Die Erleichterung des Marktes hält an: Die EZB habe "geliefert", habe ihre Ankündigungen endlich präzisiert. Vor allem habe sie klare Bedingungen für die geplanten unlimitierten Staatsanleihen-Käufe genannt, namentlich die, dass sie nur Anleihen aus Ländern kaufe, die sich unter den Rettungsschirm stellten und damit hohe Auflagen bekämen. Es gefällt auch bisher kritischen EZB-Beobachtern, dass die Zentralbank damit die Hauptverantwortung bei den Regierungen belasse. Und doch läuft die Debatte, ob die EZB ihr Mandat überdehne, also verbotene Staatsfinanzierung betreibe. Der CDU-Abgeordnete und Haushaltspolitiker Klaus–Peter Willsch ist davon überzeugt. Er sagte heute im Deutschlandfunk:

    "Wir können uns das nicht bieten lassen, immer zulasten Deutschlands, weil wir diejenigen sind, die die Bonität dafür geben, die letztlich auch haften nach Maßgabe der Anteile an der EZB, also mit 27 Prozent, für all das, was dort vielleicht schiefgehen kann. Und deshalb ist es in der Tat zu erwägen, ob hier nicht mal rechtlich überprüft werden muss, ob die EZB hier ihr Mandat massiv überschreitet. Ich bin davon überzeugt, dass das so ist."

    Dass diese Prüfung schlecht für die EZB ausgehen könnte, konnte sich diese Woche auch der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank vorstellen. Martin Blessing über Anleihekäufe durch die EZB:

    "Eine unbegrenzte und weitreichende Intervention der Zentralbank durch den Kauf von Staatsanleihen läge außerhalb des Mandats der EZB. Und ich kann mir nicht vorstellen, wir durch einen Rechtsbruch langfristig Vertrauen und eine starke Währungsunion aufgebaut werden können."

    Der Zentralbankrat selbst hat aber ein gutes Gewissen, jedenfalls in seiner großen Mehrheit, die EZB-Präsident Mario Draghi gestern repräsentierte:

    "Wir sind sicher, innerhalb unseres Mandats zu handeln. Anleihekäufe, wie wir sie planen, sind durch Artikel 18 unseres Statuts gedeckt als eines von verschiedenen Instrumenten, die Geldpolitik nutzen kann. Wir erfinden hier nichts Neues."

    Der Artikel 18 der EZB-Satzung erlaubt der Bank, "auf den Finanzmärkten tätig (zu) werden, indem sie ... börsengängige Wertpapiere kaufen und verkaufen" kann. Dies allerdings nur, wenn die Käufe "zur Erreichung der Ziele" der Zentralbank nötig seien.

    Dagegen steht unter anderem der Artikel 21 der gleichen Satzung. Der verbietet der EZB den "unmittelbaren Erwerb" von Staatsanleihen. Das beachtet die EZB. Sie will ihre geplanten Anleihekäufe nicht direkt mit den betroffenen Staaten verabreden. Sie will vielmehr auf dem sogenannten Sekundärmarkt kaufen, also Banken Staatsanleihen abkaufen, die die zuvor bei den Staaten gezeichnet haben. Ein Trick? Eine Umgehung des Verbots? Der Jurist Professor Helmut Siekmann, der an der Uni Frankfurt den Lehrstuhl für Geld- und Finanzmarktstabilität innehat, fragt sich jedenfalls,

    "Was mir mehr Sorgen macht, ist die Frage, inwieweit sich die EZB mit ihren Maßnahmen noch im Rahmen des geltenden Rechts bewegt."

    Derweilen wurde bekannt, dass die EZB alle Anforderungen an die Kreditwürdigkeit der Sicherheiten, die ihr Staaten unter dem Rettungsschirm im Austausch gegen Geld anbieten, aufgehoben hat. Auch wird daran erinnert, dass eine expansive Geldpolitik eine Währung nicht stärken könne. Zudem könnte die Bundesbank die Gelegenheit nutzen, die Auflagen für die Kreditprogramme der Rettungsfonds zu verschärfen. Und all das, heißt es in einem Marktkommentar, könne die Euphorie an den Börsen dämpfen.