Koldehoff: Gehen wir doch einmal ans Eingemachte. Eigentlich haben beide Stiftungen ja durchaus unterschiedliche Aufgaben. Die Kulturstiftung der Länder ist beispielsweise dafür zuständig, Kulturgüter, die möglicherweise Deutschland verlassen könnten, für Deutschland zu erhalten, indem sie Ankäufe unterstützt. Die Bundeskulturstiftung hingegen fördert beispielsweise zeitgenössische kulturelle Aktivitäten. Warum würde trotzdem eine Fusion Sinn machen?
Naumann: Sie macht nur einen Sinn, wenn es dort einheitliche und nicht von den Ländern, die ja nichts einzahlen in die Bundeskulturstiftung, Entscheidungsstränge gibt, die von den Ländern dominiert werden, das ist aber die Absicht. Man könnte ja sagen, das ist ja eigentlich ganz egal, Hauptsache das Geld für die Kultur ist da. Nun ist es aber so, dass die Geschichte der Länderkulturstiftungen ausweist, dass die Länder selbst an dieser Stiftung überhaupt nicht interessiert sind. Die Summen, die da eingezahlt werden, liegen, glaube ich, so ungefähr bei neun bis zehn Millionen Euro, jedenfalls lagen sie das in dieser Höhe noch vor einigen Jahren, jährlich. Tatsache ist, dass in der Vergangenheit diese Stiftung äußerst stiefmütterlich von den Ländern behandelt wurde und heftig sogar vom Bund mitfinanziert wurde.
Koldehoff: Die Forderung der Länder haben Sie schon angesprochen, Mitspracherecht, beziehungsweise Genehmigungen durch die Länder bei allen Entscheidungen der Bundeskulturstiftung.
Naumann: Ich stelle mir das dann so vor, dass dann in letzter Instanz die berühmte Kulturministerkonferenz einen Delegierten entschickt, der wird das dann seinerzeit wieder in die diversen Sekretariate der Kulturministerkonferenz hineinfüttern, dann gibt es einen Abstimmungsprozess und am Ende haben wir das, was PISA für die Schulen bescheinigt hat, dann auch in der Kulturstiftung des Bundes, nämlich ein Verwaltungschaos, mangelnde Standards, politische Spiele sondergleichen. Ich halte diese Idee schon im Prinzip eigentlich für falsch.
Koldehoff: Sie würde in der Konsequenz eigentlich auch bedeuten, dass Ihre Nachfolgerin im Amt der Kulturstaatsministerin, Christina Weiss den Schreibtisch räumen könnte?
Naumann: Nein, das würde es auf keinen Fall bedeuten. Das liegt also in der Organisationsgewalt des Bundeskanzler, Minister zu ernennen, ganz wie es ihm gefällt, im Rahmen der Verfassung. Die Verfassung sieht eindeutig vor, dass der Bund dort, wie es heißt, in der Natur der Sache, so hat es das Bundesverfassungsgericht definiert, Kompetenzen und Zuständigkeiten des Bundes gibt, diese selbstverständlich auch politisch und öffentlich verwaltet werden. Dieses alles wieder abzuschaffen, würde uns zurückwerfen in den Status quo ante, das heißt in die Zeit, wo fast zwei Milliarden Mark vom Bund ausgegeben wurden, ohne dass es darüber eine öffentliche Diskussion im Bundestag gab und ohne dass, angesichts des riesigen Volumens des Bundeshaushaltes, die gewählten Politiker im Bundestag eigentlich eine Chance hatten zu schauen, was mit dem Geld passiert. Das ist jetzt mit Hilfe des Kulturausschusses der Fall.
Koldehoff: Sie haben im Zusammenhang mit der Kulturhoheit der Länder vor einiger Zeit schon von Verfassungsfolklore gesprochen ...
Naumann: Nein, das habe ich nicht, das ist eine kaum noch auszurottende ...
Koldehoff: Stellen Sie es richtig, was haben Sie gesagt?
Naumann: Ich habe geschrieben, dass der Begriff der Kulturhoheit der Länder in der Verfassung nicht vorkommt und insofern der Begriff eine Verfassungsfolklore ist, das ist ein barocker Begriff. Man sagt ja auch nicht "Eure Hoheit" mehr hierzulande, in anderen Worten: Den Sachverhalt, den dieser Begriff beschreibt, den gibt es selbstverständlich und das ist der Sachverhalt, dass die Länder in unserem föderalen System für die Kulturförderung zuständig sind. Das wird ihnen niemand streitig machen, ich wünschte mir allerdings, sie würden es, - von Land zu Land ist das ja unterschiedlich -, etwas ernster nehmen.
Koldehoff: Wäre es denn beispielsweise denkbar, die Kulturstiftung der Länder auch zu einer Kulturstiftung des Bundes umzufunktionieren und vielleicht auf die Weise aus dem Dilemma, das da nun am Donnerstag wieder verhandelt werden soll, wieder herauszufinden?
Naumann: Ja, natürlich. Das Vernünftigste wäre meines Erachtens, diese Länderstiftung buchstäblich aufzulösen und das Geld, das die Länder in diese Stiftung packen, der Bundeskulturstiftung ganz einfach zu überweisen. Denn in letzter Instanz passiert ja die Kulturförderung des Bundes nicht im luftleeren Raum sondern realisiert sich in den Kommunen und Städten des Landes, das heißt diese Geisterdebatte geht in Wirklichkeit immer nur um Macht. Welche Macht haben die Länder, die Kulturausgaben des Bundes zu kontrollieren.
Koldehoff: Michael Naumann, einst Staatsminister für Kultur zur Debatte um die deutschen Kulturstiftungen.