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Unerhörter Luxus auf See

Der "Imperator" war mit allem Luxus ausgestattet. Nur gut ein Jahr nach dem Untergang der Titanic startete das Schiff von Cuxhaven aus Richtung New York. Doch das "unüberwindliche Bollwerk", wie es von Zeitzeugen genannt wurde, hatte einen großen technischen Fehler.

Von Mathias Schulenburg | 11.06.2013
    In Cuxhaven war der 11. Juni 1913 ein schöner, warmer Tag mit einer leichten, erfrischenden Seeluftbrise, und bedeutend war er noch dazu: Das damals größte Schiff der Welt, der Imperator, brach von dort aus zu seiner Jungfernreise nach New York auf. DER Imperator auf Geheiß seiner Majestät Wilhelm II., nicht, wie sonst für Schiffe üblich, DIE. Der Schweizer Journalist Karl Friedrich Kurz schwärmte, das Schiff sei:

    "... eines der größten Wunderwerke, das Menschengeist erdacht und Menschenhand erschaffen. Ein ungeheuerliches Riesenwerk, das aufgehört hat, ein Schiff zu sein, das eine schwimmende Stadt geworden ist, ein unüberwindliches Bollwerk, ein Ungetüm, für das unseren Sprachen der Name fehlt …"

    Tatsächlich hatten es Eigner und Erbauer – die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft HAPAG, und die Hamburger Vulcan-Werft – an nichts fehlen lassen. Der Luxus war unerhört und ging nicht auf Kosten der Sicherheit – jedem der im Maximalfall fast 4600 Passagiere stand ein Platz in einem Rettungsboot zur Verfügung – anders als bei der Titanic, deren Untergang nur 13 Monate zuvor den Verantwortlichen noch vor Augen stand.

    Was den Luxus anging, hätte es der Imperator ohne Weiteres mit der Titanic aufnehmen können. Die höheren Kreise wurden von einem Küchenchef internationalen Ranges bekocht: Auguste Escoffier, dessen Kochbücher heute noch zu hohen Preisen gehandelt werden. Auf Passagiere der Ersten Klasse wartete auch ein mit Marmor verkleidetes Schwimmbad im Pompejianischen Stil.

    Natürlich stand hinter dem Aufwand auch der Wunsch nach imperialer Größe; bezeichnend dafür war eine riesenhafte Adlerfigur aus Bronze mit 16 Metern Flügelspannweite am Bug des Imperators, die einen Globus mit dem Motto der HAPAG, "Mein Feld ist die Welt" in den Krallen hielt, was angelsächsische Passagiere durchaus indigniert aufnahmen.

    Technisch gab der Koloss zunächst keinen Anlass zur Klage; die von Dampfturbinen bewegten Antriebswellen drehten die fünf Meter hohen Schiffsschrauben mit bis dahin ungekannter Laufruhe.

    Die Jungfernfahrt endete wie vorgesehen nach sieben Tagen in einem New Yorker Hafen, bejubelt von einer großen Menschenmenge.

    Dann entfaltete sich ein Missgeschick: Am Ankerplatz angekommen, neigte sich der Schiffskörper so, dass alles, was rund und nicht befestigt war, von den Tischen rollte. Diese Neigung zur Schräglage hatte sich zum Schrecken von Passagieren und Besatzung schon auf hoher See gezeigt – der Imperator hatte also einen zu hoch gelegenen Schwerpunkt. Dann brach im Passagierbereich ein kleiner Brand aus, den die New Yorker Feuerwehr mit solcher Vehemenz löschte, dass Tausende Tonnen Löschwasser die Schräglage verstärkten, die nun für jedermann sichtbar war - auch für die zahlreichen Pressefotografen. Eine Blamage.

    Nach einigen weiteren Atlantiküberquerungen wurde bei der Hamburger Vulcan-Werft schließlich der Versuch unternommen, der Neigung des Imperators zur Schlagseite abzuhelfen. Massen von schwerem Marmor wurden aus den Gesellschaftsräumen der Ersten Klasse entfernt – darunter sogar eine Büste ihrer Majestät! –, schweres Mobiliar durch Rohrgestühl ersetzt und 2000 Tonnen Zement in Kielnähe deponiert – fortan hielt sich der Imperator tadellos gerade. Der 1914 beginnende Erste Weltkrieg aber machte aller Pracht ein Ende.

    "Es muss denn das Schwert nun entscheiden, mitten im Frieden überfällt uns der Feind ..."

    Das Riesenschiff wurde in der Elbe vertäut; nach dem Krieg brachte es 25.000 amerikanische Kriegsteilnehmer nach Hause, tat dann bei der britischen Cunard-Line unter dem Namen Berengaria lange Dienst als Linienschiff und erfreute sich großer Popularität. Dem riesigen Bronzeadler am Bug hatte schon vor dem Krieg ein großer Atlantiksturm die Flügel genommen, der Rest war dann auch noch entfernt und wohl zu Granathülsen verarbeitet worden.