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Unermüdliche Kunstmuskulatur

Technik. - Französische Forscher haben eine Apparatur entwickelt, die das Kauen genau imitiert. Mit dem Kausimulator soll getestet werden können, welche Aroma- und Geschmacksstoffe beim Kauen von Lebensmitteln oder Medikamenten freigesetzt werden - notfalls in immer wiederholten Testreihen.

Von Suzanne Krause |
    Das menschliche Kauen soll der Kausimulator so detailgetreu wie möglich reproduzieren. Doch auf den ersten Blick hat die Apparatur keinerlei Ähnlichkeit mit dem menschlichen Mund. Der Prototyp besteht zum größten Teil aus einem Computer, der den künstlichen Mund steuert. Und zu dem gehören ein starrer Oberkiefer und ein beweglicher Unterkiefer, sowie die bewegliche Zunge. All das ist untergebracht in einem zylindrischen Hohlraum von 10 Zentimeter Höhe. Das Ganze sitzt auf einem Sockel, in dem die pneumatischen Motoren sind. Zum "Füttern" nimmt Christian Salles den oberen Teil des Zylinders ab. Salles ist Forschungsleiter des Projekts "Menschliche Ernährung" beim staatlichen Institut für Agrarforschung in Dijon.

    "Im Inneren des Zylinders befinden sich zwei bewegliche Teile. Zum einen der Unterkiefer: auf einer kreisförmigen Unterlage wurden hier Backenzähne befestigt. Diese Zähne aus einem speziellen Kunststoff entsprechen exakt denen einer menschlichen Testperson, ihr Gebiss wurde gescannt und originalgetreu nachgeformt. Die hohle Mitte des Gebisses wird ausgefüllt von einem Kolben, der auf und abfährt und der die Zunge ersetzt. Der Oberkiefer ist starr in der oberen Hälfte des Zylinders montiert. In ihn mündet ein Ventil, mit dem sich Gas in den Mund einblasen läßt. Das Gas wird dann durch Analyseinstrumente wieder abgesaugt, so messen wir beim Kauen freigesetzten Geschmacks- und Aromakomponenten in Echtzeit. Und wir können auch nach und nach Speichel zugeben in Mengen, die denen eines menschlichen Essers beim Kauen entsprechen."

    Der künstliche Mund ist so groß wie der eines durchschnittlichen erwachsenen Mannes. Zylinder auf, Nahrung rein, Zylinder zu - und schon treiben die Motoren im Sockel Kaukraft und Kaubewegungen an. Gesteuert wird dies alles von einem speziell entwickelten Computerprogramm. Als Grundlage dienen Parameter, die bei menschlichen Testkauern gewonnen wurden. Sinnliche Empfindungen lassen sich dem Kausimulator natürlich nicht programmieren. Dafür aber mahlt er stur und beliebig wiederholbar Nahrung klein und zeigt so auch Etappe für Etappe den Zersetzungsprozess des Testobjekts auf. Salles:

    "Bei einem menschlichen Testesser haben wir das Problem, dass es immer wieder zu unterschiedlichen Versuchsergebnisse kommen kann. Bei einer Wiederholung kaut die Person vielleicht ein bisschen anders. Und irgendwann hat sie auch genug geschluckt und ermüdet. Zudem werden häufig Nahrungsmittel getestet, deren Geschmack zu wünschen übrig lassen kann. Das schreckt den Testesser ab, aber nicht den Kausimulator. Mit dieser Apparatur lassen sich die Versuche nun standardisieren und die Parameter nach unseren Wünschen modifizieren."

    Derzeit tüfteln die Wissenschaftler noch an den letzten Feinheiten des Apparates. Anwendung findet der Kausimulator natürlich an erster Stelle beim Testen neuer Nahrungsmittel, seien sie fest oder flüssig. Salles:

    "Wir haben auch vor, ihn bei Forschungsprojekten einzusetzen, in denen es um die Freisetzung von Salz in Speisen geht. Denn heutzutage gibt es Vorschriften, die Salzmengen in Nahrungsmitteln aus gesundheitlichen Gründen zu senken. Möglich ist es beispielsweise auch, Medikamente zu testen. Denn um die bitteren Wirkstoffe zu überdecken, werden ihnen Aromastoffe beigegeben. Und einsetzbar ist der Kausimulator ebenso im Bereich Hunde- und Katzennahrung, um zu überprüfen, wie die appetitanregenden Stoffe freigesetzt werden."

    In einem solchen Fall bekommt der Apparat natürlich eine neue Prothese, bestückt mit der Kopie eines Vierbeiner-Gebisses.