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Unerträglich lähmend

Der österreichische Kabarettist und Box-Moderator Werner Schneyder hat an der Bremer Oper "Die Csárdásfürstin" inszeniert. Leider hat er übersehen, dass es bei der vermeintlich leichten Muse oft genau auf die Bruchlinie zwischen vordergründigem Humor und tiefer liegenden Gefühlen und Konflikten ankommt.

Von Jörn Florian Fuchs |
    In der Zeit vor dem Jahreswechsel meinen es die Theater in deutschen Landen ungewöhnlich gut mit dem Publikum. Auf den Spielplänen finden sich muntere Märchenopern, unterhaltsame Komödien oder bunte Operetten. Gerade die letzteren sorgen oft für ausverkaufte Häuser und Ovationen. In Bremen jedoch hielt sich besagter Jubel arg in Grenzen, vielmehr spendete ein spürbar ermüdetes Publikum den durchwegs mäßig bis blassen Solisten und dem recht glanzlosen Dirigat von Tarmo Vaask matten Applaus. Das Produktionsteam um den österreichischen Kabarettisten, Journalisten, Boxkommentator und Regisseur Werner Schneyder erhielt einige empörte Buhs.

    Werner Schneyder legt die turbulente Geschichte um Standesdünkel, Liebesverwirrungen und nicht zuletzt den erotischen Zauber langer Nächte im Varieté vollständig trocken. Die Handlung spielt kurz vor dem Ersten Weltkrieg, eine Drehbühne sorgt für rasche Szenenwechsel, vom Theater zum Salon, zur Kantine und wieder zurück. Mann kleidet sich vorwiegend vornehm, die Damenwelt glitzert und glimmert, besonders rund ums Dekolleté.

    Die allbekannten Revues, die großen Auf- und Abgänge, der Sehnsuchtsgesang einer zeitweise verschmähten Tänzerin - dies alles erlebt man in Bremen leider wie in große Tücher gebettet, schwer und träge wird agiert und reagiert, die Ensembles versprühen kaum Charme, nur selten zündet ein Witz. Schneyder hat für seine Inszenierung neue Texte geschrieben, die an vielleicht drei, vier Stellen lustig sind und die im Gegenzug ebenso oft ein bisschen Politik vermitteln. So erleben wir ein Gespräch über das drohende Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie oder hören einen Disput zum Thema Chancen und Risiken des Dreierbunds. Was uns das heute sagen soll beziehungsweise noch zu sagen hat, bleibt rätselhaft.

    Während der erste Teil des Abends immerhin noch ein wenig Atmosphäre vermittelt, wird es nach der Pause fast unerträglich lähmend. Zur Lähmung tragen leider auch Mark Duffins kehlig-monotoner Edwin bei und Patricia Andress, die weder gestisch noch vokal besonders beweglich ist. Jan Byl singt einen nur in der Mittellage überzeugenden Eugen von Rohnsdorff, Ingrid Fröseth eine akzeptable Komtesse Anastasia, Roman Martin schließlich gibt Graf Boni als listigen, etwas verwachsenen Lackel.

    In einer Talkshow erklärte Werner Schneyder unlängst, er wolle mit dieser "Csárdásfürstin" etwas völlig neues wagen, gleichsam einen dritten Weg zwischen Regietheater und konventioneller Ästhetik beschreiten. Auf jeden Fall wolle er das Genre Operette ernst nehmen. Schneyder hat Kálmáns zugleich heiteren wie melancholischen Melodienreigen tatsächlich wohl zu ernst genommen und schlicht übersehen, dass es bei der vermeintlich leichten Muse oft genau auf die Bruchlinie zwischen vordergründigem Humor und tiefer liegenden Gefühlen und Konflikten ankommt.

    Am Schluss der Bremer "Csárdásfürstin" bedient sich der Regisseur dann knapp und frech aus dem Ideenrepertoire von Peter Konwitschny und David Alden. Die glücklich vereinte Festgemeinde winkt zeitlupenhaft ins Publikum, plötzlich tritt ein Soldat auf, auch er winkt, dann verschwinden die Konturen der Bühne in düster-rotem Licht. Der finale Holzhammer schlägt hier also erbarmungslos zu: es gibt Krieg, die 'schöne' Operettenzeit ist vorbei. Vielen Dank auch für diese Belehrung und schon mal: frohes neues Jahr, bei Grafens und anderswo!