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Unerwünschte Regenbögen

Telekommunikation. - Glasfasern bilden das Rückgrat des gesamten Internetverkehrs und des digitalen Telefonnetzes. Diese Kabel ermöglichen es, Daten als Lichtsignal _ und damit in Sekundenbruchteilen _ über weite Distanzen zu schicken. Glasfasern sind nicht nur ein schnelles Medium, sondern können auch erstaunliche Mengen an Daten übertragen, derzeit liegt der Übertragungsstandard bei etwa zehn Milliarden Bits pro Sekunde. Theoretisch könnten Glasfasern noch weitaus mehr Daten bewältigen. Aber eine physikalische Schwierigkeit verhindert bislang eine bessere Ausnutzung der Kapazitäten. Ein Forscherteam der Universität Paderborn hat jetzt eine einfache Lösung des Problems gefunden.

Von Christian Schütte | 02.03.2004
    Auf den ersten Blick sehen Glasfaserkabel aus wie Nylonfäden. Aufgewickelt auf etwa ein Dutzend kleiner, handlicher Spulen, lagern im Labor des Paderborner Instituts für optische Nachrichtentechnik mehrere Hundert Kilometer Glasfaserkabel. Was die Forschergruppe um Reinhold Noé daran untersucht, ist ein altbekannter Effekt: dass ein Lichtstrahl gebrochen wird, wenn er zum Beispiel durch ein Glasprisma geht. Dieser Regenbogen-Effekt, "chromatische Dispersion" genannt, tritt auch bei Laserpulsen in Glasfaserkabeln auf _ und ist hier eher unerwünscht.

    Wenn man Impulse schnell ein- und ausschaltet, dann besitzt das Signal selbst bereits eine gewisse Bandbreite, so dass verschiedene Teile des Impulses mit verschiedenen Geschwindigkeiten laufen. Dadurch kommt es empfängerseitig zu einer Impulsverbreiterung, und kurze Impulse können also nicht mehr detektiert werden, die maximal nutzbare Bitrate wird begrenzt.

    In heutigen Kabelnetzwerken transportiert jede Glasfaser einen Datenstrom von zehn Milliarden Bits oder zehn Gigabits pro Sekunde. Bald sollen es viermal soviele Daten sein. Doch damit erhöht sich auch die Anfälligkeit des Systems gegenüber chromatischer Dispersion, und zwar um den Faktor 16.

    Bei 40 Gigabit pro Sekunde wäre man in der normalen Standardfaser bereits nach 5 Kilometern am Ende und könnte nicht weiter übertragen. Und deswegen ist sofort klar, dass bei den hohen Datenraten eine Kompensation der chromatischen Dispersion unumgänglich ist.

    Ein solcher Kompensator ist an sich nicht schwer zu bauen. Die Herausforderung besteht darin, den auszugleichenden Wert überhaupt erst zu ermitteln. Denn trotz ihrer enormen Auswirkungen auf die Datenübertragung liegt die chromatische Dispersion im schwer messbaren Bereich der Femtosekunden. Um sie zu detektieren, haben Noé und sein Team ein neues Verfahren entwickelt, das sie in ihrem Labor vorführen. Zu Beginn des Experiments sind Sender und Empfänger durch ein kurzes Glasfaserkabel miteinander verbunden. Wie der grüne Leuchtbalken eines Oszilloskops anzeigt, tritt bei dieser geringen Entfernung erwartungsgemäß noch keine chromatische Dispersion auf.

    Frau Milivoyevic steckt jetzt als nächstes die Fasern um, so dass wir... Wie viele Kilometer sind das jetzt dann? Zwei Kilometer Lichtwellenleiter. So, die optischen Verstärker werden schon wieder eingeschaltet, der Empfänger rastet auch auf das Datensignal ein. Und Sie sehen jetzt, wenn Sie auf das Oszilloskop schauen, der Leuchtbalken ist an einer anderen Stelle, das zeigt eine positive chromatische Dispersion von dieser Lichtwellenleiterstrecke an.

    Dass sich deren Wert ganz genau ablesen lässt, ist einem technischen Trick zu verdanken. Die Forscher modulieren den Sendelaser, so dass sich seine Frequenz geringfügig nach oben und unten verschiebt. Durch diese Manipulation macht sich der Regenbogen-Effekt jetzt so bemerkbar, dass die Lichtimpulse mit kleinen Ankunftsschwankungen beim Empfänger eintreffen. Diese minimalen Abweichungen in der Ankunftszeit lassen sich detektieren, da der Empfänger ohnehin mit einer Art Uhr ausgestattet ist, der so genannten Taktrückgewinnung, die den Bittakt des Signals von 40 Gigahertz wieder herstellt.

    Und diese Taktrückgewinnung hat auch einen Taktphasendetektor, der feststellt, ob das ankommende Datensignal richtig im Takt ist mit dem lokal erzeugten Takt oder zu früh oder zu spät kommt.

    Mit Hilfe weiterer Berechnungen lassen sich Ankunftsschwankungen beliebig genau bestimmen. Die Paderborner Forscher sind zwar nicht die ersten, denen eine Messung und anschließende Kompensation des Regenbogen-Effekts in Glasfaserkabeln gelingt. Doch anders als bei bisherigen Verfahren benötigen sie dafür kaum zusätzliche Geräte.

    Üblicherweise wurden relativ komplizierte Verfahren eingesetzt, Dinge letztendlich, die einen optischen Empfänger in seinen Kosten zum Beispiel verdoppelt könnten. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Kosten extrem herunterzubringen. Ich glaube, dass die Kosten nicht größer als 50 Euro sein dürften.

    Noé hofft, dass das Kostenargument bei den Firmen und Netzwerkbetreibern zieht und seine Messmethode in ein paar Jahren zum Standard wird.