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UNESCO-Generalkonferenz in Paris
Warme Worte, wenig Inhalt

An drängenden Themen mangelt es eigentlich nicht. Aber bei der UNESCO-Generalkonferenz verlieren sich viele der kulturpolitischen Vertreterinnen und Vertreter aus aller Welt in Floskeln und Dankesformeln. Momente der Eindringlichkeit sind selten.

Von Jürgen König | 19.11.2019
Eröffnung der 40. UNESCO-Generalkonferenz in Paris am 12. November 2019.
Viele Länder, viele Fahnen, viel Gerede beim "Forum der Kulturminister" in Paris (imago / Michael Baucher)
Das Forum der Kulturminister bildet den Höhepunkt dieser über zweiwöchigen 40. Generalkonferenz der UNESCO. Es sei ein Treffen in Krisenzeiten, wie die Generaldirektorin der UNESCO, Audrey Azoulay, in ihrer Begrüßung formulierte.
"Unsere letzte Kulturministerkonferenz fand vor fast 20 Jahren statt. Seither hat die Welt sich sehr geändert. Immer mehr wurde die Kultur zu einem der wichtigsten Instrumente, den Herausforderungen des Jahrhunderts zu begegnen. Angesichts der weltweiten Brüche und der Krise mancher Institutionen bleibt doch die Kultur eine gemeinsame Sprache, die Grenzen überwindet. Sie spricht direkt zu den Herzen der Menschen und ist vielleicht die wichtigste Schule für Verschiedenheit und Vielfalt, für den Respekt gegenüber anderen. Gerade jetzt, da der Extremismus an Boden gewinnt, müssen wir kulturelle Vielfalt in unseren vernetzten Gesellschaften als Ressource begreifen."
Problematisches Format
117 Kulturministerinnen und -minister in einem Saal! Das erlebt man wahrlich nicht alle Tage. Und jede und jeder darf nicht nur, sondern soll etwas sagen. Eigentlich großartig, denkt man sich, und es ist doch ein problematisches Format. Denn jede Ministerin, jeder Minister hatte nur drei Minuten Redezeit. Doch was machen Ministerinnen und Minister bei solchen Gelegenheiten immer, als wär es ein Naturgesetz?
Genau: Sie danken zunächst dem Veranstalter für die gute Organisation, bezeichnen es als große Ehre, dabei sein zu dürfen. Eine Würdigung der UNESCO für ihren jahrzehntelangen Einsatz für Bildung, kulturellen Fortschritt und den Frieden schließt die einleitenden Ministerworte in der Regel ab. Das ist ehrenwert, ohne Zweifel - und doch bald schon ermüdend. Gefühlte 117 Grußworte - ohne Nachfragen, ohne Gegenrede und Diskussion.
Nur selten entstanden Momente der Eindringlichkeit, wie etwa bei der Kulturministerin von Mali, N’Diaye Ramatoulaye Diallo. Sie beschrieb ein Festival, eine Biennale der Künste: eine Art Meisterschaft, für die seit langem schon alle zwei Jahre Jugendliche aus ganz Mali in der Hauptstadt Bamako zusammenkommen. Als der Norden des Landes von islamistischen Terroristen überfallen und teilweise erobert wurde, machten die Kämpfe das Festival unmöglich. Doch seit 2017 findet es wieder statt.
"Es ist der wichtigste Faktor für den sozialen Zusammenhalt und die Aussöhnung in Mali. Es war so schön, nachdem so lange Zeit hindurch Mali zu zerbrechen drohte, nun plötzlich zu sehen, wie die Kinder und Jugendlichen wieder alle kamen, sich die Hand reichten, die Nationalhymne sangen, Lieder vom Zusammensein, von den Werten des Anstands und des gegenseitigen Respekts. Das ist ein richtiges Fest, bei dem dieses große Völkergemisch Mali wieder zusammenfindet!"
Keine Diskussion, keine Nachfragen
Nur wenige Ministerinnen und Minister taten in ihren Beiträgen etwas anderes als – sehr allgemein – die kulturpolitischen Grundsätze und Initiativen ihrer Länder aufzulisten. Doch wenn der Kulturminister Frankreichs die Kulturdiplomatie als völkerverbindendes Element lobpreist, hätte man gerne auch etwas zu den Hintergründen der italienischen Weigerung gehört, Gemälde von Leonardo da Vinci als Leihgaben nach Frankreich zu schicken. Wenn der Kulturminister von Katar ausführt, die Würde des Menschen sei das Fundament jedweder Kultur und für sein Land elementar, kommen einem unweigerlich Berichte in den Sinn, wonach die Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter, die in Katar die Stadien für die Fußball-WM 2022 errichten, katastrophal sind. Über 1400 Arbeiter sollen bereits gestorben sein. Bei der UNESCO kein Wort von alledem und auch keine Gelegenheit, derlei anzusprechen.
Mag sein, dass hinter verschlossenen UNESCO-Türen über solche Themen hart diskutiert wird. Doch gehören nicht gerade diese Themen in die öffentliche Diskussion? Die deutsche Kulturstaatsministerin war übrigens nicht anwesend, auch nicht Michelle Müntefering, Staatsministerin für internationale Kulturpolitik im Außenministerium. Für Deutschland sprach Antje Leendertse, Staatssekretärin im Außenministerium. Die Redezeit von drei Minuten hielt sie exakt ein.