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UNESCO-Weltnaturerbe in Gefahr

Was haben der Aachener und der Kölner Dom und die Hansestadt Lübeck gemeinsam? Was verbindet die Zeche und Kokerei "Zollverein" in Essen mit der Rheinlandschaft zwischen Koblenz und Bingen? Alle diese Orte, Denkmäler oder Gebiete gehören in Deutschland zum Weltnaturerbe der UNESCO, der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Weltnaturerbe ist dabei die Bezeichnung für Naturdenkmäler, die von der UNESCO als besonders erhaltenswert für die Menschheit eingestuft werden. Dieses Prädikat wird natürlich auch in allen anderen Ländern dieser Erde vergeben. Nur, so beklagen Naturschützer, wird es nicht immer entsprechend gewürdigt. Heute Vormittag wurde in Berlin zum Beispiel auf die Gefährdung eines Weltnaturerbe-Gebietes im Kaukasus aufmerksam gemacht.

Autor: Dieter Nürnberger |
    Es geht eigentlich mal wieder um den traditionellen Konflikt zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und den Belangen von Umwelt- und Naturschutz. Das Weltnaturerbe West-Kaukasus, wie es offiziell heißt, liegt nordöstlich des Schwarzen Meeres und es ist vor allem Gebirge, welches von der UNESCO 1999 zum Weltnaturerbe ernannt wurde. Allerdings ist der Gedanke des Umweltschutzes hier schon länger beheimatet - ein Naturreservat wurde schon vor 80 Jahren gegründet. Und ein Vergleich fällt immer wieder - und das ist der Vergleich mit den Alpen. Nicole Kovalev ist die Leiterin des Arbeitskreises Kaukasus beim Naturschutzbund und der Grünen Liga. Und sie betont vor allem die Einzigartigkeit dieses großen Fleckens Natur in Russland:

    Es sind rund 300.000 Hektar, die unberührt sind. Es gibt kaum befahrbare Wege, die das Naturerbe zerschneiden, allenfalls Pfade, die von Rangern mit Pferden benutzt werden. Aber es gibt keine Erschließung im eigentlichen Sinne. Es ist somit ein einzigartiges, zusammenhängendes Gebiet zwischen Europa und Asien, welches sich die Ursprünglichkeit bewahrt hat. Zum Beispiel sind auf den subalpinen Wiesen, die oberhalb der Baumkronen liegen, über 30 Prozent der Pflanzenarten endemisch, das heißt, sie kommen nur dort vor.

    Und wenn man Bilder aus diesem Gebirge sieht, dann kann man nur erahnen, welche Vielfalt sich hier im Laufe der Jahrhunderte etabliert hat. Rund 4.000 Pflanzenarten kommen vor, es gibt zusammenhängende Wälder mit Eichen-, Buchen-, Tannen- und Kiefernbeständen. Und bei der Tierwelt sieht es ähnlich beeindruckend aus - Hirsche, Steinböcke und Gämse können hier noch ein artgerechtes Leben führen. Es gibt Bären dort und auch sehr viele Reptilien, die aufgrund ihres geringen Vorkommens sonst auf der Welt längst auf der Internationalen Roten Liste stehen. Warum jetzt die Umweltschützer Alarm schlagen - es hat den Grund in diversen Bauplanungen, die vor allem die Verkehrs- und Tourismusinfrastruktur verbessern oder überhaupt erst aufbauen sollen, sagt die Expertin der Grünen Liga:

    Was jetzt allerdings problematisch ist, ist der Wunsch der dortigen Landesregierung, Teile des Schutzgebietes aus der Schutzverordnung herauszulösen. Man plant beispielsweise zwanzig riesige Hotelkomplexe, um den Ski-Tourismus anzukurbeln. Dadurch würde die Gegend einen Teil ihrer Attraktivität verlieren. Und gerade in Gegenden, wo eben die Zahl der endemischen Arten, die sonst kaum noch vorkommen, noch höher als im Gesamtschutzgebiet sind. Und es ist ja auch fraglich, ob wirklich die dortige Republik und deren Bevölkerung an der Entwicklung teilnehmen könnte. Hinter den Hotelkomplexen stehen finanzkräftige Investoren, die nicht unbedingt aus der Region oder nicht einmal aus Russland kommen. Die Gelder würden dann auch nicht in der Region bleiben und vielleicht woanders hin wandern.

    Da gibt es also vielleicht sogar verständliche wirtschaftliche Interessen in der Region. Eine Gegend, die ja eher als arm gilt - und somit auf Devisen angewiesen ist. Auf der anderen Seite wäre dies natürlich ein enormer Imageverlust, wenn beispielsweise dieser Status als Weltnaturerbe der UNESCO gefährdet wäre oder gar aberkannt würde. Naturschutzbund und Grüne Liga favorisieren deshalb den sanften Tourismus, so Nicole Kovalev:

    Das heißt: Kleine Pensionen und ein Netz des öffentlichen Nahverkehrs, ein Tourismus-Informationszentrum und die Markierung von Wanderwegen, auch der Aufbau von Schutzhütten und Campingplätzen etc. Das würde auch nicht das Schutzgebiet betreffen, sondern nur die vor gelagerten Bereiche. Man könnte bestimmte Wanderrouten durch das Schutzgebiet legen, die aber nur per Führung möglich sind. So dass von den Wander-Touristen auch keine Gefahr für die Tier- noch für die Pflanzenwelt ausgehen kann.

    Wie gesagt, vom äußeren Eindruck erinnert die Gebirgswelt im West-Kaukasus an die Alpen. Und man hofft nun, dass die längst eingetretenen negativen Entwicklungen durch den Tourismus beispielsweise in den Alpen zumindest hier in Russland vermieden werden können, ohne zukünftig völlig auf die finanziellen Segnungen der Besucher verzichten zu müssen.