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Unflexible Nervenzellen sind schuld am Rückfall

Neurologie. - Suchterkrankungen lassen sich heute erfolgreich behandeln, allerdings gehört der Rückfall zu jeder Suchterkrankung. Aber warum fällt es Suchtranken so schwer, ihr Verhalten zu ändern? Das haben US-amerikanische Forscher jetzt an koksenden Ratten untersucht. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift "Nature Neuroscience" veröffentlicht.

Von Kristin Raabe |
    Koksende Ratten – das ist in einem Labor an der Universität Maryland Realität. Die Tiere erhalten regelmäßig ihre Ration Kokain. Natürlich alles im Dienste der Wissenschaft. Denn mit Hilfe der Ratten untersucht Geoffrey Schoenbaum, was im Gehirn von Süchtigen vor sich geht. Für die Experimente muss der Forscher die koksenden Ratten trainieren.

    "”Wir bringen den Tieren bei, auf unterschiedliche Gerüche zu reagieren. Bei dem einen Geruch bekommen sie eine leckere Zuckerlösung, bei dem anderen Geruch eine übelschmeckende Lösung. Die Ratten wissen dann schnell, dass sie bei dem zweiten Geruch die Lösung gar nicht probieren brauchen. Dann drehen wir die Bedeutung der Gerüche um. Auf den zuvor mit der Zuckerlösung gekoppelten Geruch, kommt nun die übelschmeckende Lösung. Normale Ratten ändern dann schnell ihr Verhalten, aber kokainabhängige Ratten sind nicht in der Lage ihr Verhalten so schnell zu ändern.""

    Der amerikanische Forscher wollte wissen, warum es den suchtkranken Ratten so schwer fiel, ihr Verhalten zu ändern. Deswegen schaute er sich einige Nervenzellen im Mandelkern der Ratten genauer an. Der Mandelkern ist ein Teil des Gehirns, der wichtig für soziales Lernen ist und auch bei Suchterkrankungen beteiligt ist. Im Mandelkern feuerte jeweils eine Gruppe von Nervenzellen für einen der beiden Gerüche. Schoenbaum:

    "”Wenn wir dann die Bedeutung der Gerüche austauschten, änderte sich auch die Gruppe von Nervenzellen, die für diesen Geruch feuerte. Die Nervenzellen die vorher noch für den Geruch mit der negativen Bedeutung gefeuert hatten, fingen dann an für den anderen Geruch zu feuern, denn schließlich hat der jetzt die negative Bedeutung. Bei den kokainabhängigen Ratten war das aber anders. Wenn wir bei ihnen die Bedeutung der Gerüche austauschten, dann feuerten die Nervenzellen genau wie vorher. Sie vermittelten also eine alte Information und reagierten nicht auf die veränderten Umweltbedingungen. Deswegen konnten die abhängigen Ratten auch ihr Verhalten nicht ändern.""

    Geoffrey Schoenbaum wollte nun allerdings wissen, ob es möglich ist, etwas gegen das unflexible Verhalten der koksenden Ratten zu unternehmen. Dazu zerstörte er kurzerhand die unflexiblen Nervenzellen im Mandelkern ihres Gehirns. Schoenbaum:

    "Wir konnten tatsächlich das unflexible Verhalten der Tiere rückgängig machen, wenn wir die Nervenzellen zerstörten, die diese Fehlinformation vermittelten. Wenn die unflexiblen Nervenzellen weg sind, können auch die kokainabhängigen Ratten ihr Verhalten an die neue Umgebung anpassen."

    Natürlich geht es dem amerikanischen Forscher letztlich nicht darum, den koksenden Ratten, mehr Flexibilität beizubringen. Letztlich sollen auch diese Experimente dazu beitragen, Suchterkrankungen beim Menschen besser zu verstehen. Denn auch im Gehirn von Suchtkranken bleiben die positiven Erfahrungen mit der Droge jahrelang im Gehirn erhalten und werden nicht durch spätere negative Erfahrungen ausgelöscht. Schoenbaum:

    "Eines der kritischen Probleme bei der Behandlung von Suchtkranken sind die Rückfälle. Durch Stress oder wenn sie mit dem alten Umfeld konfrontiert sind, werden Suchtkranke auch nach Jahren der Abstinenz noch rückfällig. Und bei einem solchen Rückfall kontrolliert wahrscheinlich ein Teil des Mandelkerns ihr Verhalten."

    Natürlich ist es nicht so ohne weiteres möglich, beim Menschen die unflexiblen Nervenzellen im Mandelkern zu zerstören. Aber vielleicht gibt es irgendwann Medikamente, die diese Nervenzellen unter Kontrolle bringen und so Rückfälle bei Suchtkranken verhindern.