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Unfruchtbarkeit
Forscher befeuern Entwicklung von Eizellen

Gynäkologie. - Bei etwa einem Prozent aller Frauen produzieren die Eierstöcke keine reifen Eizellen. Göteborger Forscher haben eine neue Behandlungsmethode entwickelt, die diesen Frauen helfen kann: Sie haben einen Faktor identifiziert, der offenbar wie eine Bremse auf die Eizellreifung wirkt. Japanischen Forschern ist es gelungen, diesen Faktor bei knapp 30 Frauen auszuschalten. Eine der behandelten Frauen hat bereits erfolgreich ein Kind zur Welt gebracht, vier weitere sind derzeit schwanger.

Von Christine Westerhaus |
    Eine schwangere Frau hält ihren Bauch.
    Bei etwa einem Prozent der Frauen reifen die Eizellen nicht heran, daher werden sie nicht schwanger. (dpa/Fredrik von Erichsen)
    Warum manche Frauen keine befruchtungsfähigen Eizellen produzieren, kann viele Gründe haben. Manchmal ist eine Chemotherapie schuld daran, die das empfindliche Eierstockgewebe geschädigt hat. In anderen Fällen fehlen die Hormone, also die Botenstoffe, die die Eizellen zur Reifung bringen. Bei manchen Frauen sind aber offenbar spezielle Moleküle am Werk, die verhindern, dass die Eizellen befruchtungsfähig werden. Sie funktionieren wie eine zelluläre Bremse, erklärt Kui Liu von der Göteborg Universität, der diesen Mechanismus vor einigen Jahren identifiziert hat.
    "Es ist wie in einem Auto: Wenn man die Bremse löst, fährt es auf einmal schneller. Genau das haben wir gesehen, als wir das Eizellgewebe von neugeborenen Mäusen behandelt haben. Wir haben die Wirkung eines Enzyms namens Pten mit einem Hemmstoff unterdrückt und gesehen, dass die winzig kleinen Follikel plötzlich anfingen zu wachsen."
    Pten ist ein Enzym, das auch im menschlichen Körper vorkommt. Es hat eine wichtige Kontrollfunktion: Indem es entartete Zellen dazu bringt, sich selber umzubringen, schützt es den Körper vor Krebs.
    "Man wird Frauen also kein Medikament verabreichen wollen, dass dieses schützende Enzym ausschaltet. Das Schöne an unserer Methode ist aber, dass man sie in der Petrischale durchführen kann: Man entnimmt der Frau Gewebe aus den Eierstöcken, behandelt es mit einem Inhibitor, der Pten unterdrückt und bringt die Eizellen so zur Reifung. Dann entnimmt man sie und befruchtet sie künstlich."
    Genau das ist Lius Kollegen in Japan nun gelungen. Sie behandelten das Eierstockgewebe von 27 Frauen mit einer Ovarialinsuffizienz mit einem Pten-Inhibitor und verhalfen so fünf von ihnen zu einer Schwangerschaft. Die Methode könne aber nicht nur Frauen mit einer Ovarialinsuffizienz verhelfen, so Liu. Sie eigne sich auch dazu, tiefgefrorenes Eizellgewebe aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.
    "Heutzutage wird in vielen Fällen das Eierstockgewebe junger Frauen eingefroren bevor eine Krebsbehandlung durchgeführt wird. Das klingt nach einer wunderbaren Methode, aber die Frage ist, wie man das eingefrorene Gewebe später dazu bringt, Eizellen heranreifen zu lassen: Wir denken, dass man ihm einen Wachstumsschub geben kann, indem man das Enzym Pten mit einem Inhibitor unterdrückt."
    In Europa und den USA ist es bisher nicht erlaubt, menschliches Gewebe aus den Eierstöcken mit dieser Methode zu behandeln. Kui Liu geht aber davon aus, dass sie in fünf bis zehn Jahren auch in Europa zugelassen sein wird. Dann könnte das Problem schon weitaus mehr Frauen betreffen als heute, befürchtet der Forscher. Denn die zunehmende Unfruchtbarkeit in der Bevölkerung führt er vor allem auf die starke Umweltverschmutzung zurück. Besonders in seinem Heimatland China sei das ein Problem.
    "Meine persönliche Meinung ist, dass wir uns selbst dieses Problem schaffen. Es gibt zwar bisher keine Beweise, aber ich denke, dass es eine Verbindung gibt zwischen der zunehmenden Umweltverschmutzung und dieser Form von Unfruchtbarkeit, bei der Frauen keine reifen Eizellen produzieren können. Wie das genau zusammen hängt, müssen wir noch genauer untersuchen. Aber das beste wäre natürlich, wenn wir die Umwelt sauberer halten würden – ich bin überzeugt, dass wir damit auch das Problem lösen würden, dass immer mehr Menschen unfruchtbar werden."