Um es vorweg zu nehmen: Diese Ausstellung zählt sicher zu den herausragenden des Berliner Sommers, und das obwohl sie relativ kleinformatig ist und von den Berliner Festspielen im zweiten Obergeschoß des Martin-Gropius-Baus versteckt wurde, dem Ort, an dem eigentlich gerade die riesige "Neue Hebräer"-Schau mit ihrer Qumran-Rolle alle Aufmerksamkeit für sich beansprucht.
Péter Nádas, der bekannte ungarische Schriftsteller mit abgeschlossener Fotografen-Ausbildung, hat so etwas wie einen Mnemosyne-Atlas in ganz eigener Sache zusammengestellt. Er greift tief zurück in die Archive der ungarischen Avantgarde-Fotografie, um jene Aufnahmen zutage zu fördern, die sein Bildgedächtnis wie keine anderen geprägt haben, und damit zugleich auch, wie er bekennt, seine Idee davon, wie Fotografie beschaffen sein muss, um buchstäblich unter die Haut zu dringen. Damit sind keineswegs reißerische Inszenierungen gemeint, ganz im Gegenteil: Diese Schau, die zum Großteil aus Schwarz-Fotografien besteht, folgt für sich genommen poetischen Prinzipien. Die Motive sind sorgsam ausgewählt und zu kleinen Reihen zusammengestellt, beispielsweise Menschen am oder im Wasser, Kriegsfotografie, Kirmesfotografie, Studien von Bäumen, Stilleben, Akt und Portraitfotografie. Es ist hier eben nicht so, wie es bei repräsentativen Großschauen gern gemacht wird, dass die großen Namen mit jenen Bildern vertreten sind, die man immer schon mit ihnen assoziiert, sondern dass sie jeweils ihre Beiträge zu einzelnen Motiven liefern, woran man jedoch ihre Art zu sehen, vielleicht auch ihr Anliegen, zu fotografieren, am Ende noch viel besser, viel feiner verstehen lernt. Endre Ernö Friedmann beispielsweise, 1913 in Budapest geboren und später unter dem Namen Robert Capa weltberühmt geworden, ist hier nicht in erster Linie als Ikone der Kriegsfotografie zu sehen - obgleich auch davon einige Beispiele ausgestellt sind -, sondern er taucht hier etwa mit einem Bild von einer Osterkirmes in Sevilla von 1935 auf, darauf Menschen, die auf einem Kettenkarussell durch die Luft wirbeln. Im direkten Vergleich mit Aufnahmen desselben Sujets etwa von André Kertesz oder auch von Péter Nádas wirkt Capa als der mit Abstand düsterste, bei ihm huschen die Körper wie gespenstische Schatten durchs Bild, sie sind verzerrt von der Geschwindigkeit, während die anderen Fotos die Karussellfahrer sehr genau bei ihren unfreiwilligen kleinen Bewegungen oder Grimassen fixieren, die sie in der Schwerelosigkeit vollführen.
Rudolph Barlogh, Jahrgang 1879, gestorben 1944, gilt Nádas’ besonderes Interesse, denn Barlogh hat uns alle, die wir ihm nachfolgten, das Sehen gelehrt, bekennt der Schriftsteller. Die Aufnahmen Barloghs von den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs, die hier zu sehen sind, unterstreichen diese Auffassung eindrücklich. Hier wird ein Wesenszug der ungarischen Avantgarde herausgearbeitet, der von allem Anfang an ein Hang zur Surrealität und melancholischen Distanz eigen ist, ohne dass man im Experimentieren mit Motiven oder auch abstrakten Formen jemals die Fühlbarkeit des Bildes aus dem Blick verloren hätte. Selbst wenn diese Fotografie scheinbar nur dokumentieren will, wie Kata Kálmán 1932 den "Fabrikarbeiter Ernö Weisz" mit einem Portrait, tut sie dies in ihrer durch und durch malerischen Ausrichtung immer auch in der Absicht, ein über die Zeiten hin verständliches Bild zu produzieren, das ohne jede Erklärung auskommt. Der "Fabrikarbeiter Ernö Weisz" blickt uns so gegenwärtig an, als wäre er ein Zeitgenosse noch heute. Andererseits aber gerät die malerische Inszenierung nie zur bloßen Attitüde, sondern wird immer auch von einem strengen, dokumentarischen Zug durchdrungen, wie bei Eva Besnyö, Laszlo Moholy-Nagy oder auch Gyula Halász jr., besser bekannt als Brassai. Die Verschmelzung von dokumentierender Momentaufnahme und zeitloser Inszenierung wurde in dieser Perfektion und zu dieser Zeit nur noch in Frankreich erreicht.
Péter Nádas mengt seine eigenen, ebenfalls außerordentlich sehenswerten Bilder, die einige Jahrzehnte später entstanden sind, unter diese Ahnen des eigenen Blicks, er versammelt sie um sich wie Referenzen, oder vielleicht sollte man wirklich sagen: wie eine Familie aus Bildern. Daher ja auch der Titel der Ausstellung: "Seelenverwandt", der natürlich auch eine tiefe politische Bedeutung beinhaltet. Denn schon vor dem zweiten Weltkrieg wurde die ungarische Fotoanvantgarde in alle Welt verstreut und konnte oder wollte nach 1945 ins kommunistische Ungarn nicht zurückkehren. Péter Nádas will sie nun alle in ihre eigentliche, ideelle Heimat zurückführen, in ein neues Ungarn der "Seelenverwandtschaft."
Péter Nádas, der bekannte ungarische Schriftsteller mit abgeschlossener Fotografen-Ausbildung, hat so etwas wie einen Mnemosyne-Atlas in ganz eigener Sache zusammengestellt. Er greift tief zurück in die Archive der ungarischen Avantgarde-Fotografie, um jene Aufnahmen zutage zu fördern, die sein Bildgedächtnis wie keine anderen geprägt haben, und damit zugleich auch, wie er bekennt, seine Idee davon, wie Fotografie beschaffen sein muss, um buchstäblich unter die Haut zu dringen. Damit sind keineswegs reißerische Inszenierungen gemeint, ganz im Gegenteil: Diese Schau, die zum Großteil aus Schwarz-Fotografien besteht, folgt für sich genommen poetischen Prinzipien. Die Motive sind sorgsam ausgewählt und zu kleinen Reihen zusammengestellt, beispielsweise Menschen am oder im Wasser, Kriegsfotografie, Kirmesfotografie, Studien von Bäumen, Stilleben, Akt und Portraitfotografie. Es ist hier eben nicht so, wie es bei repräsentativen Großschauen gern gemacht wird, dass die großen Namen mit jenen Bildern vertreten sind, die man immer schon mit ihnen assoziiert, sondern dass sie jeweils ihre Beiträge zu einzelnen Motiven liefern, woran man jedoch ihre Art zu sehen, vielleicht auch ihr Anliegen, zu fotografieren, am Ende noch viel besser, viel feiner verstehen lernt. Endre Ernö Friedmann beispielsweise, 1913 in Budapest geboren und später unter dem Namen Robert Capa weltberühmt geworden, ist hier nicht in erster Linie als Ikone der Kriegsfotografie zu sehen - obgleich auch davon einige Beispiele ausgestellt sind -, sondern er taucht hier etwa mit einem Bild von einer Osterkirmes in Sevilla von 1935 auf, darauf Menschen, die auf einem Kettenkarussell durch die Luft wirbeln. Im direkten Vergleich mit Aufnahmen desselben Sujets etwa von André Kertesz oder auch von Péter Nádas wirkt Capa als der mit Abstand düsterste, bei ihm huschen die Körper wie gespenstische Schatten durchs Bild, sie sind verzerrt von der Geschwindigkeit, während die anderen Fotos die Karussellfahrer sehr genau bei ihren unfreiwilligen kleinen Bewegungen oder Grimassen fixieren, die sie in der Schwerelosigkeit vollführen.
Rudolph Barlogh, Jahrgang 1879, gestorben 1944, gilt Nádas’ besonderes Interesse, denn Barlogh hat uns alle, die wir ihm nachfolgten, das Sehen gelehrt, bekennt der Schriftsteller. Die Aufnahmen Barloghs von den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs, die hier zu sehen sind, unterstreichen diese Auffassung eindrücklich. Hier wird ein Wesenszug der ungarischen Avantgarde herausgearbeitet, der von allem Anfang an ein Hang zur Surrealität und melancholischen Distanz eigen ist, ohne dass man im Experimentieren mit Motiven oder auch abstrakten Formen jemals die Fühlbarkeit des Bildes aus dem Blick verloren hätte. Selbst wenn diese Fotografie scheinbar nur dokumentieren will, wie Kata Kálmán 1932 den "Fabrikarbeiter Ernö Weisz" mit einem Portrait, tut sie dies in ihrer durch und durch malerischen Ausrichtung immer auch in der Absicht, ein über die Zeiten hin verständliches Bild zu produzieren, das ohne jede Erklärung auskommt. Der "Fabrikarbeiter Ernö Weisz" blickt uns so gegenwärtig an, als wäre er ein Zeitgenosse noch heute. Andererseits aber gerät die malerische Inszenierung nie zur bloßen Attitüde, sondern wird immer auch von einem strengen, dokumentarischen Zug durchdrungen, wie bei Eva Besnyö, Laszlo Moholy-Nagy oder auch Gyula Halász jr., besser bekannt als Brassai. Die Verschmelzung von dokumentierender Momentaufnahme und zeitloser Inszenierung wurde in dieser Perfektion und zu dieser Zeit nur noch in Frankreich erreicht.
Péter Nádas mengt seine eigenen, ebenfalls außerordentlich sehenswerten Bilder, die einige Jahrzehnte später entstanden sind, unter diese Ahnen des eigenen Blicks, er versammelt sie um sich wie Referenzen, oder vielleicht sollte man wirklich sagen: wie eine Familie aus Bildern. Daher ja auch der Titel der Ausstellung: "Seelenverwandt", der natürlich auch eine tiefe politische Bedeutung beinhaltet. Denn schon vor dem zweiten Weltkrieg wurde die ungarische Fotoanvantgarde in alle Welt verstreut und konnte oder wollte nach 1945 ins kommunistische Ungarn nicht zurückkehren. Péter Nádas will sie nun alle in ihre eigentliche, ideelle Heimat zurückführen, in ein neues Ungarn der "Seelenverwandtschaft."