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Ungarns Anti-Terror-Pläne
Gesetze "gegen die Demokratie"

Die ungarische Regierung hat nach den Terroranschlägen von Brüssel neue Anti-Terror-Gesetze angekündigt. Unter anderem will sie Handys und andere Internetgeräte kontrollieren können. Um die Gesetze in dieser Form umzusetzen, braucht Regierungschef Victor Orbán aber die Opposition - und der gehen die Pläne zu weit.

Von Stephan Ozsváth | 31.03.2016
    Ein Mitglied der ungarischen Anti-Terror-Einheit (TEK) patroulliert nach den Anschlägen in Brüssel vor dem Parlament in Budapest.
    Ein Mitglied der ungarischen Anti-Terror-Einheit (TEK) patroulliert nach den Anschlägen in Brüssel vor dem Parlament in Budapest. (picutre alliance / dpa / Zoltan Baglogh)
    "Heute Brüssel und sein Flughafen, morgen vielleicht Portugal und Ungarn" - so droht die Terrororganisation "Islamischer Staat" nach den Anschlägen von Brüssel via Internet. Man nehme die Drohung sehr ernst, so der Sicherheitsberater des ungarischen Premiers. Innenminister Sándor Pintér setzt bereits zum Lauschangriff an.
    "Wir möchten Datengeräte wie Telefon und Internetgeräte, die von Privatfirmen verschlüsselt sind und von Polizei und Sicherheitsdiensten in Echtzeit nicht mitgelesen werden können, kontrollieren können. Dafür brauchen wir ein Gesetz. Und wir möchten in speziellen Fällen auch die Geldflüsse einzelner Personen kontrollieren können."
    Im Notfall: Telefone abschalten
    Laut Pintér soll der Dauerblick aufs Konto möglich werden. Im Notfall will die Regierung auch Telefone und Internet komplett abschalten können. Außerdem geplant: eine Terrorabwehrzentrale und mehr Personal für die Sicherheitsdienste. Bereits im Januar wollte die Regierung den Notstand in der Verfassung verankern, mit weitreichenden Befugnissen für Regierungschef Orbán - jetzt nimmt sie neuen Anlauf. Zsolt Molnár von den oppositionellen Sozialisten zeigt schon das Stopp-Schild.
    "Es geht nicht gegen den Terrorismus. Es geht in Wahrheit darum, wie die Regierung die Medien, Redaktionen, Internet-Unternehmen, die nicht im Sinne der Regierung kommunizieren, beherrschen kann. Wenn man wirklich etwas gegen den Terrorismus und für mehr Sicherheit in Europa tun wollte, müsste es darüber eine Debatte geben. Wenn sie das unverändert einbringen, werden das die Sozialisten nicht unterstützen. Und ich glaube auch die anderen Abgeordneten nicht. Denn das ist nicht gegen Terrorismus, sondern gegen die Demokratie gerichtet."
    Verbündete finden, ist nicht einfach
    Ohne Opposition geht es nicht, das weiß auch die Regierung Orbán. Denn für ihr Anti-Terror-Paket und erst recht für ein Notstandsgesetz, das Orbáns Macht stärken und das Parlament schwächen würde, braucht die Regierung eine Zweidrittel-Mehrheit. Die hat sie selbst nicht mehr. Verbündete zu finden, wird also nicht einfach. Denn auch Agnes Vadai, Vize-Chefin der linken Oppositionspartei Demokratische Koalition ist skeptisch.
    "Die Gesetze in Ungarn erlauben jetzt schon, dass Telefone abgehört, E-Mails mit gelesen werden, und im Verdachtsfall darf man auch auf Bankkonten schauen - mit richterlichem Beschluss, sagt sie. Doch die Regierung unterstellt jetzt den eigenen Bürgern, sie wollten etwas Schlechtes für ihr Land, und will grundsätzlich in ihre Mobil-Telefone und Bank-Konten schauen - da machen wir nicht mit."
    Schon die bestehenden Gesetze zur Geheimüberwachung, 2011 unter Orbán zusammen mit der Anti-Terror-Einheit TEK eingeführt, verstoßen gegen das Recht auf Privatsphäre, und damit gegen die Menschenrechtskonvention. So urteilte Anfang des Jahres der Straßburger Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Am Freitag will die Regierung in Budapest in einem Fünf-Parteien-Gespräch mit der Opposition über das neue Anti-Terror-Paket beraten.