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Besuch bei Orban
"Seehofer muss ein Ergebnis bringen"

Der CSU-Politiker Michael Frieser hat von seinem Parteichef Horst Seehofer Erfolge bei dessen umstrittener Reise zu Victor Orbán nach Ungarn gefordert. "Er muss ein Ergebnis bringen, dass auch Ungarn bereit ist, sich einer europäischen Lösung anzuschließen", sagte Frieser im Deutschlandfunk.

Michael Frieser im Gespräch Rainer Brandes | 04.03.2016
    Michael Frieser von der CSU
    Michael Frieser von der CSU (dpa / picture-alliance / Paul Zinken)
    Gespräche auf europäischer Ebene durch einen Ministerpräsidenten halte er zwar für richtig. "Aber ausgerechnet mit Orban - der erklärtermaßen sagt, es kommt für ihn gar nicht in Frage, dass er auch nur in irgendeiner nennenswerten Zahl Muslime in seinem Land aufnimmt, das halte ich für schwierig", sagte Frieser.
    Es sei zwar sinnvoll, auch mit umstrittenen Staatschefs zu sprechen. "Man muss sich über das Signal klar werden, das eine solche Reise vor allem im Inland hat", sagte er mit Blick auf die Tatsache, das Orban als ein Gegenspieler von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Streit um eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise gilt. Durch das Signal muss sich Seehofer Tatsache bewusst sein, dass er ein Ergebnis liefern muss.
    Orban habe sich zum Sprecher der Kategorie der europäischen Staaten gemacht, die sich einer gemeinsamen Lösung verschließen. "Ich hoffe, dass mein Parteivorsitzender den Besuch als Brücke nutzt und deutlich macht, dass es darum geht, dass sich die Balkanstaaten dieser gemeinsamen kontingentierten Lösung nicht verschließen können."

    Das Interview in voller Länge:
    Rainer Brandes: Das Grundgesetz ist eindeutig. Außenpolitik, das ist Sache des Bundes. Es ist also immer ein bisschen heikel, wenn ein Ministerpräsident eines Bundeslandes zu Regierungschefs anderer Staaten reist. Neben-Außenpolitik ist dann immer der Vorwurf.
    Ganz besonders kritisch blicken viele Berliner Politiker heute auf Horst Seehofer. Der reist nämlich zu Viktor Orbán, dem Ministerpräsidenten mit eigenwilligem Demokratieverständnis von Ungarn. Natürlich geht es um die Flüchtlingspolitik. Die Frage ist nur: Baut Seehofer da der Kanzlerin eine Brücke zu einer europäischen Lösung, oder legt er ihr Steine in den Weg?
    Über diesen Besuch von Horst Seehofer bei Viktor Orbán spreche ich jetzt mit Michael Frieser. Er ist Mitglied der CSU-Landesgruppe im Bundestag und da unter anderem zuständig für Inneres. Schönen guten Tag, Herr Frieser.
    Michael Frieser: Einen wunderschönen guten Tag aus Nürnberg.
    Brandes: Erst Putin, jetzt Orbán - wer steht als nächster auf Seehofers Besuchsliste, vielleicht Baschar al-Assad?
    Frieser: Ich glaube, das geht ein Stückchen zu weit. Die Reisen eines bayerischen Ministerpräsidenten sind tatsächlich nichts Ungewöhnliches. Horst Seehofer war ja schon in 23 Ländern. Ich glaube, dass man das jetzt etwas überzieht, wenn man sagt, es dürfe auch ein deutscher Ministerpräsident nicht mit ausländischen Staatschefs sprechen.
    "Die Auswahl der Gesprächspartner ist gewöhnungsbedürftig"

    Brandes: Aber in letzter Zeit hatte man schon den Eindruck, dass er da vor allem Leute besucht hat mit einem etwas eigenwilligen Demokratieverständnis.
    Frieser: In der Tat ist die Auswahl der Gesprächspartner etwas gewöhnungsbedürftig. Ich glaube, dass es wichtig ist, auch mit diesen Staatschefs, auch mit diesen Personen zu reden. Man muss sich aber natürlich über das Signal klar werden, das eine solche Reise auf die Politik vor allem im Inland hat.
    Brandes: Das heißt, Sie sind damit auch nicht so ganz glücklich?
    Frieser: Die Frage ist: Ich halte es immer für richtig, wenn Horst Seehofer nicht nur als Ministerpräsident, sondern auch als Vorsitzender einer Partei, die die Regierung stützt und hält, natürlich dieses Gespräch sucht. Und wenn das Gespräch einen Sinn haben soll, dass es eine gemeinsame europäische Lösung geben kann, dann bin ich auf seiner Seite.
    Brandes: Ist das denn das Ziel dieses Besuchs?
    Frieser: Ich hoffe, das ist das Ziel. Zumindest war es das erklärte Ziel. Das Signal, ausgerechnet mit Herrn Orbán, der ja nun nicht gerade als einer der Architekten einer gemeinsamen europäischen Lösung gilt, ist natürlich nach wie vor schwierig. Das gebe ich gerne zu, das ist keine Frage.
    Aber ich glaube und ich hoffe, dass Horst Seehofer diese Chance nutzt für ein Ziel, das die CSU ja immer auch hatte, neben der Frage nationaler Kontrollen an Grenzen, aber trotzdem natürlich eine Möglichkeit einer gemeinsamen europäischen Lösung zu haben. Da muss er sich mit Orbán wirklich sehr, sehr viel Zeit nehmen für ein Gespräch, denn im Augenblick sehe ich diese Denkansätze nicht.
    Brandes: Da sagt ja auch die SPD-Generalsekretärin Barley, wer sich öffentlich mit den ärgsten Gegnern einer europäischen Lösung verbrüdert - und sie meint damit natürlich Viktor Orbán -, der ist keinesfalls eine verlässliche Stütze der Bundeskanzlerin.
    Frieser: Bei der SPD muss ich jetzt mal ehrlich sagen: Wer monatelang den Asylkompromiss verhindert, wer jetzt im Augenblick dafür sorgt, dass wir nicht in der Lage sind, die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten einzustufen, der sollte sich bei dieser Form von Kritik wirklich wahrlich zurückhalten.
    Noch mal, ich kann es nur bestätigen: Ich halte Gespräche auf europäischer Ebene auch für den bayerischen Ministerpräsidenten und den CSU-Vorsitzenden für wichtig und richtig. Das Signal, ausgerechnet mit Orbán, der ja erklärtermaßen sagt, es kommt für ihn gar nicht in Frage, dass er auch nur in irgendeiner nennenswerten Zahl Muslime in seinem Land aufnimmt, das halte ich tatsächlich für schwierig.
    Brandes: Aber wenn Sie doch diese Skepsis haben, die Sie jetzt hier zum Ausdruck bringen, haben Sie die denn auch gegenüber Ihrem Parteivorsitzenden mal deutlich gemacht?
    Frieser: Wir diskutieren immer wieder natürlich auch diese Probleme. Jetzt darf man natürlich auch nicht überstrapazieren: Diese Reise stand natürlich fest, bevor der Türkei-EU-Gipfel tatsächlich verschoben werden musste. Also kann man jetzt nicht sagen, es sei eine besonders gefährliche Situation. Es ist ja auch nicht die erste Ungarn-Reise, die der Parteivorsitzende macht. Dass wir diese Fragen intern auch diskutieren, ist selbstverständlich.
    "Eine Einschränkung kann ich nicht sehen"

    Brandes: Gut, dass Sie den EU-Gipfel ansprechen. Angela Merkel hat ja gesagt, sie brauche dafür Verhandlungsspielraum. Schränkt Horst Seehofer mit seinem Besuch bei Viktor Orbán diesen Verhandlungsspielraum der Bundeskanzlerin ein?
    Frieser: Nein, das sehe ich überhaupt nicht. Eine Einschränkung kann ich nicht sehen. Es geht darum, dass die EU tatsächlich mit der Türkei insbesondere über die Außengrenzen von Schengen, das heißt vor allem über die türkisch-griechische Grenze, und über das Verhalten, das die Türkei im Augenblick, man könnte es fast auch etwas provokativ nennen, redet. Das hat mit der Frage der Grenzschließungen und vor allem aber der Weigerung einiger Balkan-Staaten zu sagen, wir verschließen uns einer europäischen Lösung, erst mal nichts zu tun.
    Brandes: Aber es geht doch um eine europäische Lösung und da auch um die Frage, ob andere EU-Staaten und natürlich auch die osteuropäischen Staaten Flüchtlinge aufnehmen wollen. Und wenn die Kanzlerin diese Staaten damit überzeugen möchte, könnte das Signal von Horst Seehofer ja jetzt kontraproduktiv sein, denn er besucht ja jemanden, der gerade heute noch einmal im ungarischen Rundfunk betont hat, nationale Alleingänge seien hier völlig richtig.
    Frieser: Definitiv ist es im Augenblick so, dass wir hier eines sehen, auch in Deutschland, dass die Grenzschließungen vor allem auf der Balkan-Route zu einer Entspannung des Flüchtlingsstromes bei uns geführt haben, zu einem sehr, sehr hohen Preis, weil natürlich einzelne Länder dann im Grunde das gesamte Flüchtlingsaufkommen zu tragen haben, sprich hier Griechenland.
    Mir geht es um verschiedene Dinge. Man kann sehr wohl auch, sofern Schengen-Außengrenzen nicht funktionieren, dafür eintreten, dass es auch nationale Grenzlösungen gibt.
    Aber hier geht es doch um ein anderes Thema. Hier geht es doch darum, dass Orbán sich quasi zum Sprecher der Kategorie der europäischen Staaten gemacht hat, die gesagt haben, wir nehmen überhaupt niemanden auf. Das ist der Punkt, wo ich sage, ich hoffe, dass mein Parteivorsitzender das wirklich als Brücke nutzt und deutlich macht, dass es genau darum geht, dass sich auch die Balkan-Staaten, auch die neuen Mitgliedsländer in der EU dieser gemeinsamen kontingentierten Lösung nicht verschließen können. Ich sehe allerdings nicht den Vorwurf der Obstruktion. Das wäre meines Erachtens falsch.
    Brandes: Herr Frieser, es könnte aber auch umgekehrt sein, dass Horst Seehofer sich Viktor Orbán zum Vorbild nimmt und sagt, Grenzschließungen, das ist eine gute Sache auch für Deutschland.
    Frieser: Aber, Herr Brandes, da hat ja nun wirklich der bayerische Ministerpräsident mit seinem Bundesland, wir tragen in Bayern die Hauptlast dieses Flüchtlingszustromes. Wir sind diejenigen, die am meisten in dieser Frage aufnehmen. Es gibt kaum zwei Personen, die im Inhalt so weit auseinander liegen, wenn es um die Frage des Kümmerns, des Umsorgens und des Aufnehmens von Flüchtlingen geht.
    Worum es aber darüber hinaus geht - deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, dass man hier nach wie vor das Gespräch sucht -, es darf aber nicht zu einer Stärkung führen. Es darf nicht zu einer Stärkung derjenigen führen, die tatsächlich sagen, eine europäische Lösung kommt in dieser Frage für uns überhaupt nicht in Betracht. Das wäre natürlich verhängnisvoll.
    Brandes: Aber was ist denn, wenn Horst Seehofer jetzt diese Brücke für Angela Merkel nicht baut? Steht Angela Merkel dann am Montag ganz alleine da auf dem Brüsseler Gipfel?
    Frieser:. Wir halten ja nach wie vor - das, glaube ich, muss man an jeder Stelle auch immer wieder betonen - als CSU ja jeden Schritt, den die Kanzlerin tut in dieser Frage, für absolut richtig.
    "Seehofer muss sich bewusst sein, dass er ein Ergebnis bringen muss"

    Brandes: Sieht das auch Ihr Parteivorsitzender so?
    Frieser: Natürlich sieht er es so und er sagt es auch immer wieder. Nur das Zitat bringt auch der Deutschlandfunk nicht immer an dieser Stelle. Deshalb: Es geht schon darum, dass wir alle Schritte für richtig erachten. Es gibt hier nur in dem einzigen Punkt, dass wir der Auffassung sind, zeitweise Kontrollen an den auch nationalen Grenzen sind in dieser Frage wirklich geboten, ...
    Brandes: Ja, die gibt es schon.
    Frieser: Die gibt es, aber nicht in dem Umfange, in dem wir davon ausgehen können, dass es tatsächlich auch eine Signalwirkung hat. Signale in dieser Frage sind etwas ganz Erhebliches und deshalb muss sich Horst Seehofer natürlich bei seinem Besuch bei Herrn Orbán auch er Tatsache bewusst sein, dass er ein Ergebnis bringen muss. Er muss ein Ergebnis bringen, dass auch Ungarn bereit ist, sich einer solchen europäischen Lösung anzuschließen.
    Brandes: Das heißt, diese Hürde, die stellen Sie Ihrem Parteivorsitzenden?
    Frieser: Aber selbstverständlich! Die erwarte ich. Wenn er Gespräch in dieser Frage zu dieser Zeit aufnimmt, dann muss er letztendlich auch mit seinen Zielen, mit den Zielen der CSU, die die CSU vor allem in Berlin versucht, mit umzusetzen und durchzusetzen, letztendlich auch mit daran bauen.
    Brandes: ... sagt Michael Frieser, CSU-Bundestagsabgeordneter. Ich danke Ihnen sehr herzlich für dieses Gespräch.
    Frieser: Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Tag. Adieu und auf Wiederhören
    Brandes: Ich Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.