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Ungarns Polizei soll moderner werden

Trotz Fortschritten in der Vergangenheit geht der Reformprozess in Ungarn auch nach dem Beitritt weiter. Gerade in der öffentlichen Verwaltung besteht Nachholbedarf. Um die Behörden in den neuen EU-Staaten auf europäisches Niveau zu bringen, existieren die so genannten Twinning-Programme. Dabei arbeiten Experten aus den alten EU-Mitgliedsstaaten mit denen aus den neuen zusammen. So sind Fachleute der nordirischen Polizei in Ungarn. Martin Reiner berichtet aus Budapest.

15.11.2006
    Ein moderner Besprechungsraum im Polizeipräsidium in Budapest. Die helle Holztäfelung reicht bis zur Decke. Um einen Tisch sitzen fünf Männer und drei Frauen. Niemand trägt Uniform. Auf Tellern liegen Kekse, es gibt Kaffee, Limonade und Mineralwasser.

    Seamus Hamill ist Nordire und stolz darauf. Der Experte für Polizeihaft ist zusammen mit einem Kollegen nun schon zum dritten Mal in Budapest. Hamill lässt sich gerade berichten, was sich seit seinem letzten Aufenthalt getan hat.

    Hamill nickt zufrieden und streicht sich über den markanten Schnäuzer.

    "Die ungarische Polizei hat deutlich gemacht, dass im Rahmen des Twinning-Programms ihre Hafteinrichtungen unter die Lupe genommen werden sollen. Sie ermöglicht uns einen exklusiven Zugang zu ihren Hafteinrichtungen, wir erhalten Einblick in die ungarische Gesetzgebung und erfahren wie die ungarische Rechtsprechung funktioniert. Im Gegenzug hatten die ungarischen Experten die Möglichkeit, zu uns nach Belfast und England zu kommen und dort zu sehen, wie man in Großbritannien mit Menschen in Polizeihaft umgeht. "

    Seamus Hamill hat sein gesamtes Berufsleben bei der nordirischen Polizei verbracht. Wie die ungarische Polizei hat auch diese einen tief greifenden Wandel erlebt. Im Rahmen des nordirischen Friedensprozesses stellte eine Untersuchungskommission vor sieben Jahren zahlreiche Mängel fest. Daraufhin wurden in Nordirland mehrere von der Polizei betriebene Sonder-Haftzentren geschlossen. Jetzt gibt es in Nordirland nur noch die normale Polizeihaft. Das ist auch das Ziel in Ungarn. Noch verbringen dort Untersuchungshäftlinge manchmal Monate im Polizeigewahrsam, anstatt in einem normalen Gefängnis auf ihren Prozess zu warten. Polizisten müssten stets versuchen, ihre Arbeit zu verbessern, sagt der 53-jährige Hamill.

    "Niemand hat die Antwort auf alle Fragen. Wir können alle voneinander lernen. Insofern ist es ein großer Vorzug für uns, hierher zu kommen und uns anzuschauen, wie hier gearbeitet wird. "

    Twinning-Projekte werden europaweit ausgeschrieben und von der Europäische Kommission finanziert. Nicht selten konkurrieren die "alten" EU-Mitgliedsstaaten um die Twinning-Projekte. Seamus Hamill schätzt die Offenheit der ungarischen Kollegen.

    "Wir können hier unsere Erfahrungen weitergeben, insbesondere all das, was sich bei uns in Nordirland in den letzten Jahren in der Polizeiarbeit und in der gesamten Gesellschaft getan hat."

    Istvan Csonka ist bei der ungarischen Staatspolizei verantwortlich für die Twinning-Programme. Csonka hat sich nach dem Mittagessen mit den nordirischen Gästen in sein Büro zurückgezogen. Die Schulung der Polizeibeamten sei ein ständiger Prozess, sagt Csonka. Im Moment ist der geplante Beitritt Ungarns zum Schengener Abkommen über die gemeinsame Grenzsicherung sein Arbeitsschwerpunkt.

    "Es reicht nicht, Ausrüstung und fortschrittliche Technik zu kaufen, wenn unsere Beamten nicht genug ausgebildet und vorbereitet sind. Deshalb haben Trainings bei uns eine hohe Priorität. "

    Anfangs ging es vor allem darum, Fremdsprachen zu lernen, sagt Istvan Csonka. Ohne diese würden die Twinnings nicht funktionieren. Denn die Arbeitssprache ist im Regelfall Englisch, nicht selten auch Deutsch, Spanisch oder Französisch. Auch Csaba Fekete lernt gerade Englisch. Im Moment allerdings ist er noch auf die Hilfe einer Übersetzerin angewiesen. Fekete ist Anfang vierzig und bei der ungarischen Staatspolizei zuständig für die Hafteinrichtungen. Gleich nach seinem Studium hat er bei der Polizei angefangen.

    "Die Situation bei der Untersuchungshaft war damals viel einfacher aus der Sicht eines Beamten, viel polizeifreundlicher. Die Veränderungen der letzten Jahre sind ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. "

    Neben der oft zu langen Haftdauer hatte der Europarat auch den baulichen und hygienischen Zustand der Polizeizellen bemängelt. An dem Twinning-Projekt mit der nordirischen Polizei nehmen deshalb auch Architekten teil. Vieles wurde schon neu gebaut oder modernisiert. Auch bei der Gesetzgebung gibt es Fortschritte, sagt Csaba Fekete. Der nächste Bericht des Europarats werde deshalb wohl deutlich positiver ausfallen. Fekete rückt sein blassgrünes Sakko zurecht.

    "Ich glaube, dass das Image der Polizei und der Polizeiarbeit sich stark gewandelt hat in den letzten 15 Jahren. Wir sehen das bei den Bewerberzahlen. Immer mehr Jugendliche können sich eine Zukunft als Polizisten vorstellen."