Adam von Trott zu Solz war Gegner des Nationalsozialismus von Anbeginn. Den Aufstieg der NSDAP beobachtete er mit zunehmendem Entsetzen. In einem Brief an seinen Vater schrieb er am 13. Februar 1933:
Stehen wir wirklich am Anfang eines deutschen Faschismus, einer Staatsbeherrschung durch die Partei, die nicht nur was Überzeugung , sondern was die Bevölkerungsklasse angeht, weite Volksteile ausschließt und zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft brutal wird niederhalten müssen.
Wenn man fragt, woher er diese frühe Gewissheit nahm, dass Hitler die Deutschen in die Katastrophe führen würde, findet man mehrere Antworten. Obwohl aus uraltem Adel stammend, stand er politisch links und hatte engen Kontakt zu Sozialdemokraten. Das ist sicher ein Grund. Die Autorin Benigna von Krusenstjern weist aber noch auf andere Aspekte hin:
"Es ist bei ihm auffällig, dass er sehr früh ein eigenständiges und kritisches Denken beweist, schon als Kind und Jugendlicher. Es ist auch im Elternhaus unterstützt worden. Und dann gab es, als er 19 bis 20 Jahre alt war, entscheidenden Einfluss. Während eines Besuches in Genf 1928 hat er die internationalen Bestrebungen kennengelernt, auch die ökumenischen Bestrebungen. Kurz darauf in England ist er sehr beeindruckt von der Labour- Bewegung und vom englischen politischen Denken."
Obwohl Adam von Trott zu Solz in England viele gute und auch einflussreiche Freunde hatte , die er immer wieder vor Hitler warnte, ist gerade sein Bild dort über Jahrzehnte hinweg überschattet von einem Vorfall, der sich Anfang 1934 abspielte. In einem Leserbrief an den "Guardian" warnte er vor negativen Pauschalurteilen über Deutschland und betonte, Juden könnten vor manchen Gerichten immer noch auf Fairness zählen. Das brachte ihm den Vorwurf ein, er sei blind und taub für das verbrecherische Potenzial des Nationalsozialismus. Noch in den 50er-Jahren erschien in England eine Biografie über Adam von Trott mit dem Titel : "Der Spion, der zum Dinner kommt".
Viele glaubten einfach nicht, dass die Gestapo seine Ausreise erlaubt hätte, wenn er wirklich Gegner des Regimes gewesen wäre. Dieses Misstrauen begegnete ihm auch später immer wieder, als er im Auftrag des deutschen Widerstands versuchte, den Briten und Amerikanern die Ziele der Hitler–Gegner nahezubringen und in ihrer Kriegsstrategie gegen Deutschland zu berücksichtigen. Es war vielen wohl einfach unmöglich nachzuvollziehen, was es bedeutete, in einer Diktatur zu handeln und Widerstand zu leisten.
"Auf der einen Seite hat man sich sicher die Wirkung der Diktatur übertrieben vorgestellt, auf der anderen Seite hat man sie unterschätzt. Das ist einfach die fehlende Erfahrung. Und dann muss man bedenken, dass es ja gar nicht so sehr mit der Person Adam von Trott zu tun hat, sondern das Misstrauen galt den Deutschen überhaupt."
Adam von Trott zu Solz, der sich bis zuletzt bemüht hat, führende Politiker in Großbritannien und den USA dazu zu bewegen, im Falle eines Umsturzes in Deutschland auf das Ziel einer bedingungslosen Kapitulation zu verzichten, ist damit komplett gescheitert. Wie andere Widerstandskämpfer übrigens auch. Von Trott hat gerade dies als seine zentrale Aufgabe betrachtet, weil er sicher war, nur so verhindern zu können, dass das deutsche Volk sich immer enger an die Führung band. Dass er damit im Ausland auf taube Ohren stieß, ließ ihn zunehmend verzweifeln.
Die Schwäche des deutschen Widerstands schien das Desinteresse des Auslands zumindest zu erklären. Adam von Trott war sich dieser Schwäche voll bewusst, nämlich der Unmöglichkeit angesichts des Gestapo–Terrors eine Massenbewegung zu organisieren. Auf dieses Dilemma wies er seine Freunde während eines Besuches in New York 1939 in aller Klarheit hin:
Ein Umsturz konnte deshalb nicht auf dem Wege der Demonstrationen oder Streiks erzwungen werden, sondern notgedrungen als "Widerstand ohne Volk" nur durch entschlossenes Handeln hoher Militärs erreicht werden. Wenn aber die Zwangsherrschaft nicht durch eine Militärherrschaft ersetzt werden sollte, waren die Zivilisten gefordert, eine politische Alternative zu entwickeln.
Er hielt deshalb eine Zusammenarbeit mit den Militärs für unerlässlich. Er wurde enger Vertrauter und Mitstreiter Graf Stauffenbergs und spielte gleichzeitig im Kreisauer Kreis um Helmut James Graf von Moltke eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zu diesem war er wie Stauffenberg der festen Überzeugung, dass die Tötung Hitlers unerlässlich war.
"Ich glaube, es ist nicht falsch, von einer Mission zu sprechen. Er hatte den Eindruck, vor diese Aufgabe ist er gestellt, ohne dass er seine Rolle überschätzt hätte. Er hat ganz kurz vor dem 20. Juli einem niederländischen Widerstandskämpfer mitgeteilt, er rechne mit 25 Prozent Erfolgschancen und dennoch müsse es getan werden."
Adam von Trott war früher als andere von der Notwendigkeit eines gewaltsamen Umsturzes überzeugt. Dennoch hat er gleichzeitig versucht, den Kampf gegen das Regime von innen zu führen. Die Chance ergab sich durch eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Auswärtigen Amt. Er ist sogar am 1. Juli 1940 in die NSDAP eingetreten, um nicht in Verdacht zu geraten. Diese Doppelrolle war eine Gratwanderung und eine ständige Belastung und nährte später Zweifel an seiner Rolle als Widerstandskämpfer.
Adam von Trott zu Solz hätte vielfach die Möglichkeit gehabt, Deutschland zu verlassen. Er bereiste China und immer wieder England und die USA. In New York drängten ihn seine Freunde, nicht nach Deutschland zurückzukehren.
"Für ihn hatte die Rückkehr von Anfang an festgestanden. Als Julie Braun–Vogelstein nicht ablassen wollte, ihn zum Bleiben zu überreden, und interne Aktionen gegen die Nazis für aussichtslos erklärte, sei Trott, erinnert sie sich, in Zorn geraten und habe deutlich zu verstehen gegeben, dass er dem verbrecherischen Treiben dieses Regimes gegenüber nicht in Untätigkeit verharren könne."
Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler war ihm völlig bewusst, dass er in höchster Lebensgefahr schwebte, und er versuchte noch im letzten Moment , im Auswärtigen Amt mit Hilfe einiger Getreuer so viele Unterlagen wie möglich zu vernichten. Vor dem Volksgerichtshof stand er ungebeugt und ruhig dem brüllenden Roland Freisler gegenüber. Ein Schuldbekenntnis war von ihm nicht zu hören. Am 26. August 1944 wurde er im Alter von 35 Jahren in Berlin – Plötzensee hingerichtet.
Für Adam von Trott zu Solz ging es bei seinem Widerstand gegen das NS-Regime nicht nur darum, eine verbrecherische Gewaltherrschaft in Deutschland zu beenden. Er hatte auch eine Vision für ein künftiges demokratisches und die Menschenrechte achtendes Deutschland. Seine Vorstellungen von einem geeinten Europa muten ausgesprochen modern an.
In Deutschland war Adam von Trott zu Solz viele Jahrzehnte lang für eine größere Öffentlichkeit kein Begriff, anders als in England, wo sich sogar eine Fernsehserie mit ihm beschäftigte. Eine umfassende Biografie ist also seit Langem überfällig, zumal das Urteil über ihn über lange Zeit von Missverständnissen und Ignoranz geprägt war. Das vorliegende Buch mag gelegentlich an Details überquellen, aber es zeigt in beeindruckender Weise die Entwicklung eines jungen Mannes während der Weimarer Republik, sein schwieriges Leben in der Diktatur und sein extrem gefährdetes Leben im Widerstand, das mit dem Tod durch den Strang endete. Sie habe versucht, gegen ein Bild Adam von Trotts anzuschreiben, das über Jahrzehnte in Beton gegossen schien, sagt die Autorin. Man kann dem Ergebnis dieser schwierigen, auf umfassender Quellenlage basierenden Arbeit nur möglichst viele Leser wünschen.
Margarete Limberg über Benigna von Krusenstjerns Buch "dass es Sinn hat zu sterben – gelebt zu haben – Adam von Trott zu Solz 1909 – 1944". Die Biographie ist im Wallstein Verlag erschienen, hat 608 Seiten und kostet 34 Euro 90.
Stehen wir wirklich am Anfang eines deutschen Faschismus, einer Staatsbeherrschung durch die Partei, die nicht nur was Überzeugung , sondern was die Bevölkerungsklasse angeht, weite Volksteile ausschließt und zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft brutal wird niederhalten müssen.
Wenn man fragt, woher er diese frühe Gewissheit nahm, dass Hitler die Deutschen in die Katastrophe führen würde, findet man mehrere Antworten. Obwohl aus uraltem Adel stammend, stand er politisch links und hatte engen Kontakt zu Sozialdemokraten. Das ist sicher ein Grund. Die Autorin Benigna von Krusenstjern weist aber noch auf andere Aspekte hin:
"Es ist bei ihm auffällig, dass er sehr früh ein eigenständiges und kritisches Denken beweist, schon als Kind und Jugendlicher. Es ist auch im Elternhaus unterstützt worden. Und dann gab es, als er 19 bis 20 Jahre alt war, entscheidenden Einfluss. Während eines Besuches in Genf 1928 hat er die internationalen Bestrebungen kennengelernt, auch die ökumenischen Bestrebungen. Kurz darauf in England ist er sehr beeindruckt von der Labour- Bewegung und vom englischen politischen Denken."
Obwohl Adam von Trott zu Solz in England viele gute und auch einflussreiche Freunde hatte , die er immer wieder vor Hitler warnte, ist gerade sein Bild dort über Jahrzehnte hinweg überschattet von einem Vorfall, der sich Anfang 1934 abspielte. In einem Leserbrief an den "Guardian" warnte er vor negativen Pauschalurteilen über Deutschland und betonte, Juden könnten vor manchen Gerichten immer noch auf Fairness zählen. Das brachte ihm den Vorwurf ein, er sei blind und taub für das verbrecherische Potenzial des Nationalsozialismus. Noch in den 50er-Jahren erschien in England eine Biografie über Adam von Trott mit dem Titel : "Der Spion, der zum Dinner kommt".
Viele glaubten einfach nicht, dass die Gestapo seine Ausreise erlaubt hätte, wenn er wirklich Gegner des Regimes gewesen wäre. Dieses Misstrauen begegnete ihm auch später immer wieder, als er im Auftrag des deutschen Widerstands versuchte, den Briten und Amerikanern die Ziele der Hitler–Gegner nahezubringen und in ihrer Kriegsstrategie gegen Deutschland zu berücksichtigen. Es war vielen wohl einfach unmöglich nachzuvollziehen, was es bedeutete, in einer Diktatur zu handeln und Widerstand zu leisten.
"Auf der einen Seite hat man sich sicher die Wirkung der Diktatur übertrieben vorgestellt, auf der anderen Seite hat man sie unterschätzt. Das ist einfach die fehlende Erfahrung. Und dann muss man bedenken, dass es ja gar nicht so sehr mit der Person Adam von Trott zu tun hat, sondern das Misstrauen galt den Deutschen überhaupt."
Adam von Trott zu Solz, der sich bis zuletzt bemüht hat, führende Politiker in Großbritannien und den USA dazu zu bewegen, im Falle eines Umsturzes in Deutschland auf das Ziel einer bedingungslosen Kapitulation zu verzichten, ist damit komplett gescheitert. Wie andere Widerstandskämpfer übrigens auch. Von Trott hat gerade dies als seine zentrale Aufgabe betrachtet, weil er sicher war, nur so verhindern zu können, dass das deutsche Volk sich immer enger an die Führung band. Dass er damit im Ausland auf taube Ohren stieß, ließ ihn zunehmend verzweifeln.
Die Schwäche des deutschen Widerstands schien das Desinteresse des Auslands zumindest zu erklären. Adam von Trott war sich dieser Schwäche voll bewusst, nämlich der Unmöglichkeit angesichts des Gestapo–Terrors eine Massenbewegung zu organisieren. Auf dieses Dilemma wies er seine Freunde während eines Besuches in New York 1939 in aller Klarheit hin:
Ein Umsturz konnte deshalb nicht auf dem Wege der Demonstrationen oder Streiks erzwungen werden, sondern notgedrungen als "Widerstand ohne Volk" nur durch entschlossenes Handeln hoher Militärs erreicht werden. Wenn aber die Zwangsherrschaft nicht durch eine Militärherrschaft ersetzt werden sollte, waren die Zivilisten gefordert, eine politische Alternative zu entwickeln.
Er hielt deshalb eine Zusammenarbeit mit den Militärs für unerlässlich. Er wurde enger Vertrauter und Mitstreiter Graf Stauffenbergs und spielte gleichzeitig im Kreisauer Kreis um Helmut James Graf von Moltke eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zu diesem war er wie Stauffenberg der festen Überzeugung, dass die Tötung Hitlers unerlässlich war.
"Ich glaube, es ist nicht falsch, von einer Mission zu sprechen. Er hatte den Eindruck, vor diese Aufgabe ist er gestellt, ohne dass er seine Rolle überschätzt hätte. Er hat ganz kurz vor dem 20. Juli einem niederländischen Widerstandskämpfer mitgeteilt, er rechne mit 25 Prozent Erfolgschancen und dennoch müsse es getan werden."
Adam von Trott war früher als andere von der Notwendigkeit eines gewaltsamen Umsturzes überzeugt. Dennoch hat er gleichzeitig versucht, den Kampf gegen das Regime von innen zu führen. Die Chance ergab sich durch eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Auswärtigen Amt. Er ist sogar am 1. Juli 1940 in die NSDAP eingetreten, um nicht in Verdacht zu geraten. Diese Doppelrolle war eine Gratwanderung und eine ständige Belastung und nährte später Zweifel an seiner Rolle als Widerstandskämpfer.
Adam von Trott zu Solz hätte vielfach die Möglichkeit gehabt, Deutschland zu verlassen. Er bereiste China und immer wieder England und die USA. In New York drängten ihn seine Freunde, nicht nach Deutschland zurückzukehren.
"Für ihn hatte die Rückkehr von Anfang an festgestanden. Als Julie Braun–Vogelstein nicht ablassen wollte, ihn zum Bleiben zu überreden, und interne Aktionen gegen die Nazis für aussichtslos erklärte, sei Trott, erinnert sie sich, in Zorn geraten und habe deutlich zu verstehen gegeben, dass er dem verbrecherischen Treiben dieses Regimes gegenüber nicht in Untätigkeit verharren könne."
Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler war ihm völlig bewusst, dass er in höchster Lebensgefahr schwebte, und er versuchte noch im letzten Moment , im Auswärtigen Amt mit Hilfe einiger Getreuer so viele Unterlagen wie möglich zu vernichten. Vor dem Volksgerichtshof stand er ungebeugt und ruhig dem brüllenden Roland Freisler gegenüber. Ein Schuldbekenntnis war von ihm nicht zu hören. Am 26. August 1944 wurde er im Alter von 35 Jahren in Berlin – Plötzensee hingerichtet.
Für Adam von Trott zu Solz ging es bei seinem Widerstand gegen das NS-Regime nicht nur darum, eine verbrecherische Gewaltherrschaft in Deutschland zu beenden. Er hatte auch eine Vision für ein künftiges demokratisches und die Menschenrechte achtendes Deutschland. Seine Vorstellungen von einem geeinten Europa muten ausgesprochen modern an.
In Deutschland war Adam von Trott zu Solz viele Jahrzehnte lang für eine größere Öffentlichkeit kein Begriff, anders als in England, wo sich sogar eine Fernsehserie mit ihm beschäftigte. Eine umfassende Biografie ist also seit Langem überfällig, zumal das Urteil über ihn über lange Zeit von Missverständnissen und Ignoranz geprägt war. Das vorliegende Buch mag gelegentlich an Details überquellen, aber es zeigt in beeindruckender Weise die Entwicklung eines jungen Mannes während der Weimarer Republik, sein schwieriges Leben in der Diktatur und sein extrem gefährdetes Leben im Widerstand, das mit dem Tod durch den Strang endete. Sie habe versucht, gegen ein Bild Adam von Trotts anzuschreiben, das über Jahrzehnte in Beton gegossen schien, sagt die Autorin. Man kann dem Ergebnis dieser schwierigen, auf umfassender Quellenlage basierenden Arbeit nur möglichst viele Leser wünschen.
Margarete Limberg über Benigna von Krusenstjerns Buch "dass es Sinn hat zu sterben – gelebt zu haben – Adam von Trott zu Solz 1909 – 1944". Die Biographie ist im Wallstein Verlag erschienen, hat 608 Seiten und kostet 34 Euro 90.