Archiv


Ungeborgene Schätze als Wunde des öffentlich-rechtlichen Fernsehens

An "ZDF Kultur" ist manches absurd. Beispielsweise dass das ZDF mit seinem heute gestarteten Kultursender 3sat und Arte Konkurrenz macht, an denen es weiter maßgeblich und einflussreich beteiligt ist.

Von Dietrich Leder |
    Als der Theaterkanal 1999 startete, versprach er all jenen Produktionen eine Heimat zu bieten, die nicht nur aus dem Hauptprogramm des ZDF verschwunden waren. Man konnte das als eine Art von Wiedergutmachung an einem Genre betrachten, das in den Gründungsjahren des Fernsehens von großer Bedeutung war. Denn Theaterinszenierungen, seien sie auf den Brettern der Bühnen aufgenommen oder im Fernsehstudio eigenständig produziert, bildeten das Gros dessen, was man im neuen Medium als Fernsehspiel bezeichnete. In den ersten Jahren des Ersten Deutschen Fernsehens wie auch beim neun Jahre später startenden Zweiten Deutschen Fernsehens waren diese Inszenierungen von hohem ästhetischen Reiz und großer Attraktivität. Erst Mitte der 1960er-Jahre wurde das Fernsehspiel filmischer, löste es sich von den Bühnenvorlagen ab und näherte sich formal dem Spielfilm des Kinos.

    Doch noch bis in die 1980er-Jahre gab es in ZDF wie in den Mitte der 1960er-Jahre gegründeten Dritten Programmen der ARD genügend Sendefläche, um die wichtigsten Inszenierungen der Saison auszustrahlen. Das änderte sich, als die privaten Sender zu Beginn der 1990er-Jahre erfolgreich ARD wie ZDF vor allem die jüngeren Zuschauer abwarben. Um im Wettbewerb mit der kommerziellen Konkurrenz zu bestehen, entfernten die öffentlich-rechtlichen Hauptprogramme all das aus ihrem Angebot, was ästhetisch störte, weil es beispielsweise von der Sprache zu kompliziert und vom Erzähltempo zu langsam erschien und also dem Zuschauer etwas abverlangte. Vieles wurde an die Kulturprogramme 3sat und Arte weitergegeben, die aber mittlerweile selbst unter den Konkurrenzdruck vieler neuer Sender geraten sind und sich deshalb popularisierten.

    An dieser Entwicklung ist manches absurd, beispielsweise dass das ZDF mit seinem heute gestarteten Kultursender 3sat und Arte Konkurrenz macht, an denen es weiter maßgeblich und einflussreich beteiligt ist. Gleichzeitig muss man konstatieren, dass es dem Theaterkanal in den zwölf Jahren seiner Existenz nicht gelang, auch nur ansatzweise ein Stammpublikum an sich zu binden.

    Tatsächlich stellt sich heute die Frage, ob das reiche Archiv der Theaterproduktionen, wie es bei ARD und ZDF zu finden ist, nicht besser über ein Internetportal zu präsentieren wäre. In absehbarer Zeit wird der Transfer von Internetangeboten auf den heimischen Fernsehapparat kein Problem mehr sein. Dann könnten die Zuschauer, die an den Theatern interessiert sind, individuell auf all das zugreifen, was dort archiviert ist. Unabhängig von Sendezeit und Programmierung. In der Summe würde die Zahl der Zugriffe sicher bald die Zahl der Zuschauer erreichen, die bislang den Theaterkanal einschalteten. Doch das verlangte dem ZDF und auch der ARD eine Internetstrategie ab, die selbstbewusst die kulturellen Inhalte der eigenen Programmgeschichte präsentiert, statt eher hilflos darauf zu starren, wie sich die private Konkurrenz im Netz präsentiert.

    Ein solches Internetangebot wäre nicht billig, da Rechte nachzulösen sind, aber billiger, als all die wunderbaren Zeugnisse der deutschen Theatergeschichte im Archiv ungenutzt schlummern zu lassen. Der halbstündige Spielfilm, aus dem das kurze Video der Beastie Boys, mit dem ZDFkultur heute startete, geschnitten wurde, war selbstverständlich schon seit Wochen im Internet abrufbar.