" Es ist leider so, dass die meisten Leute heute eine Gleichung aufstellen, schön gleich alt und modern gleich hässlich. "
Die Architektur der Nachkriegsmoderne hat einen ziemlich schlechten Ruf. Vieles von dem, was damals gebaut wurde, gilt heute schlicht als Bausünde. Man assoziiert: seelenlose Betonburgen, monotone Retortenstädte, "Bimsblock-Tristesse". Schon 1965 kritisierte Alexander Mitscherlich die "Unwirtlichkeit unserer Städte". Und Anfang der 70er Jahre warnte Münchens damaliger Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel vor dem "gewaltige(n) Strom von Beton, der sich durch unsere Städte ergießt". Auch Professor Adrian von Buttlar, Kunsthistoriker an der TU Berlin, möchte die problematischen Seiten des damaligen Städtebaus nicht verschweigen - macht sich aber zugleich auch zum Anwalt dieser Epoche:
" Etwa Le Corbusiers Behandlung des Beton brut also des rohen Betons als eines Baumaterials, das sehr schwer konservierbar ist und auch gewissermaßen in Misskredit geraten ist, deswegen gibt es dieses schwere Geschütz, was immer gegen die großen Betonburgen gefahren wird. . Ganz wichtig ist natürlich, das ist ein Hauptargument gegen die Moderne, bis in die 70er Jahre hinein sind Gründerzeithäuser abgerissen worden um große Straßen zu schaffen, um Neubauten zu schaffen. Nur ist das nicht unbedingt ein Grund, dasselbe heute auch wieder nachzuvollziehen an guten Beispielen der Moderne, dies Art Abriss zu wiederholen. "
Adrian von Buttlar gehört zur Initiative "Gefährdete Nachkriegsmoderne". Eine interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft von Forscherinnen und Forschern an der TU Berlin möchte das Bewusstsein dafür schärfen, dass auch die Nachkriegsmoderne herausragende Bauwerke hervorgebracht hat. Im vergangenen Jahr organisierte von Buttlar mit anderen bereits eine Ausstellung zum Thema. Und er ist Mitherausgeber der Aufsatzsammlung "Architektur der 60er Jahre". Denn, so meint die Arbeitsgemeinschaft, diese Epoche muss neu entdeckt werden. Eine Epoche des Fortschrittsoptimismus, der Technikgläubigkeit, der Zukunftsorientierung, die sich absetzen wollte vom protzigen Monumentalismus des Dritten Reichs.
" Nun war das auch eine große Chance, eine neue freie Architektur zu entwickeln, dieser Moderne zum Durchbruch zu verhelfen, natürlich auch einem neuen Lebensgefühl, natürlich auch dem Verkehr, damals war das Auto ein großer Fortschritt . Freiheit, Leichtigkeit, große Glasflächen, dünne Stützen, eine gewisse Beschwingtheit, die sich auch in den runden Formen manifestiert hat, dann mit der Etablierung des Wirtschaftswunders auch wieder mehr Repräsentation in der Architektur. "
Das Projekt "Gefährdete Nachkriegsmoderne" informiert über die Intentionen, mit denen damals gebaut wurde. Und die waren nicht immer so schlecht, wie man heute meint. Zum Beispiel wenn Stadtplaner mit Großsiedlungen vor den Toren der Städte - heute meistens zu sozialen Brennpunkten verkommen - versuchten, den Problemen der damals noch wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden:
" Einfamilienhäuser ist ein riesiges Problem gewesen Anfang der 60er, 70er Jahre. Alle Städte haben ihre Kontur verloren, jeder wollte möglichst viel Grund haben und darauf ein kleines Häuschen. Und dagegen war die Idee gerichtet, den sozialen Wohnungsbau der 30er Jahre mit den modernen Siedlungen in größerer Dimension noch mal neu aufzulegen. Und das ist sicherlich gestalterisch sehr problematisch. Aber wir sind dabei, gerade jetzt anzufangen, auch diese Großsiedlungen einmal genauer zu untersuchen, von ihrer ästhetischen Qualifikation, von ihrer Funktion. Und man müsste dazu parallel eine soziologische Befragung nach Zufriedenheit durchführen. "
Heute schrumpfen die Städte und "Rückbau" ist an der Tagesordnung. Aber Adrian von Buttlar warnt davor, dass eine ganze Bauepoche vorschnell der Abrissbirne zum Opfer fällt. Wenn z.B. in der Berliner City-West - rund um die Gedächtniskirche - viele der in den 50er und 60er Jahren entstandenen Bauensembles zum Abbruch freigegeben worden sind, sieht der Denkmalschützer darin die Zerstörung einer historisch gewachsenen Berliner Identität. Kulturelles Erbe wird vernichtet - und durch eine gefällige Investorenarchitektur ersetzt. Notwendig wäre dagegen, für die, wenn auch oft eigenwillige ästhetische Qualität solcher Gebäude zu sensibilisieren.
" Man kann das z.B. festmachen an den viel gescholtenen Rasterfassaden, die eine waagerechte und horizontale Struktur aufweisen und große Quadrate und Rechtecke einhöhlen. Da gibt es welche, die, sehr fein unterschieden sind in den Proportionen mit den liegenden oder hochvertikalen Formen der Quadrate. In der Art und Weise, wie das Glas eingesetzt ist, wie das gerahmt ist, die Profilierung. Und Sie müssen daran denken, dass diese Architektur auch immer eine sparsame Architektur sein sollte, so dass man etwa Fußböden und bei Türprofilen auch die einfachsten funktionalen Formen gewählt hat, die trotzdem ihre Ästhetik in sich tragen. "
Die Forscher der TU Berlin erfassen und bewerten Bauten der "gefährdeten Nachkriegsmoderne" - um sie gegebenenfalls unter Denkmalschutz zu stellen. Geplant ist auch der Aufbau eines größeren interdisziplinären Forschungsprojekts zur Dokumentation und Evaluierung der jüngeren Architekturmoderne.
" Wir müssen zu einer Qualifizierung kommen, herausstellen, warum etwas so gestaltet ist, wie es gestaltet ist, den Bau neu sehen lernen Wir müssen uns auf diese Zeit als eine langsam vergehenden historischen Epoche langsam einstellen und einen gewissen Sinn für seine eigenen Qualitäten entwickeln. Wie geht man damit um, was soll bleiben und was soll ersetzt werden durch Neubauten? Und da muss man schauen, welche Wertigkeit die Gebäude haben, z.B. im Bezirk in der Stadt, national gesehen oder vielleicht sogar als Unikate in ganz Europa. "
Der Laie wird sich weiterhin schwer tun mit den groben Baukörpern dieser Zeit, mit den "ortlosen Autisten", die ohne Anschluss an ihre Nachbarschaft ihren "brutalen" Beton zur Schau stellen. Doch "(e)ine gerechtere Beurteilung der 60er Jahre ist angesagt. Eine Glorifizierung nicht", schreibt der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt zum Thema. Vielleicht verändern sich aber mit der Zeit auch Sichtweisen. Adrian von Buttlar erinnert daran, dass auch die heute so bewunderten Gründerzeitbauten eine Zeitlang vom Abriss bedroht waren.
" Als wir Studenten waren, haben wir gerade in München diese Häuser verteidigt gegen Abriss und falsch verstandene Modernisierung. Und wir erleben hier, dass gerade bei den jüngeren Leuten eine große Begeisterung auch für die Einfachheit, für den Purismus vorhanden ist und für die großen spektakulären Highlights dieser Zeit, denken Sie an die Akademie der Künste oder die Kongresshalle oder die Philharmonie, Wir sehen überall in Deutschland Gruppen entstehen, die sich mit dem jüngsten Architekturerbe ihrer Zeit auf diese Weise beschäftigen. "
Die Architektur der Nachkriegsmoderne hat einen ziemlich schlechten Ruf. Vieles von dem, was damals gebaut wurde, gilt heute schlicht als Bausünde. Man assoziiert: seelenlose Betonburgen, monotone Retortenstädte, "Bimsblock-Tristesse". Schon 1965 kritisierte Alexander Mitscherlich die "Unwirtlichkeit unserer Städte". Und Anfang der 70er Jahre warnte Münchens damaliger Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel vor dem "gewaltige(n) Strom von Beton, der sich durch unsere Städte ergießt". Auch Professor Adrian von Buttlar, Kunsthistoriker an der TU Berlin, möchte die problematischen Seiten des damaligen Städtebaus nicht verschweigen - macht sich aber zugleich auch zum Anwalt dieser Epoche:
" Etwa Le Corbusiers Behandlung des Beton brut also des rohen Betons als eines Baumaterials, das sehr schwer konservierbar ist und auch gewissermaßen in Misskredit geraten ist, deswegen gibt es dieses schwere Geschütz, was immer gegen die großen Betonburgen gefahren wird. . Ganz wichtig ist natürlich, das ist ein Hauptargument gegen die Moderne, bis in die 70er Jahre hinein sind Gründerzeithäuser abgerissen worden um große Straßen zu schaffen, um Neubauten zu schaffen. Nur ist das nicht unbedingt ein Grund, dasselbe heute auch wieder nachzuvollziehen an guten Beispielen der Moderne, dies Art Abriss zu wiederholen. "
Adrian von Buttlar gehört zur Initiative "Gefährdete Nachkriegsmoderne". Eine interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft von Forscherinnen und Forschern an der TU Berlin möchte das Bewusstsein dafür schärfen, dass auch die Nachkriegsmoderne herausragende Bauwerke hervorgebracht hat. Im vergangenen Jahr organisierte von Buttlar mit anderen bereits eine Ausstellung zum Thema. Und er ist Mitherausgeber der Aufsatzsammlung "Architektur der 60er Jahre". Denn, so meint die Arbeitsgemeinschaft, diese Epoche muss neu entdeckt werden. Eine Epoche des Fortschrittsoptimismus, der Technikgläubigkeit, der Zukunftsorientierung, die sich absetzen wollte vom protzigen Monumentalismus des Dritten Reichs.
" Nun war das auch eine große Chance, eine neue freie Architektur zu entwickeln, dieser Moderne zum Durchbruch zu verhelfen, natürlich auch einem neuen Lebensgefühl, natürlich auch dem Verkehr, damals war das Auto ein großer Fortschritt . Freiheit, Leichtigkeit, große Glasflächen, dünne Stützen, eine gewisse Beschwingtheit, die sich auch in den runden Formen manifestiert hat, dann mit der Etablierung des Wirtschaftswunders auch wieder mehr Repräsentation in der Architektur. "
Das Projekt "Gefährdete Nachkriegsmoderne" informiert über die Intentionen, mit denen damals gebaut wurde. Und die waren nicht immer so schlecht, wie man heute meint. Zum Beispiel wenn Stadtplaner mit Großsiedlungen vor den Toren der Städte - heute meistens zu sozialen Brennpunkten verkommen - versuchten, den Problemen der damals noch wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden:
" Einfamilienhäuser ist ein riesiges Problem gewesen Anfang der 60er, 70er Jahre. Alle Städte haben ihre Kontur verloren, jeder wollte möglichst viel Grund haben und darauf ein kleines Häuschen. Und dagegen war die Idee gerichtet, den sozialen Wohnungsbau der 30er Jahre mit den modernen Siedlungen in größerer Dimension noch mal neu aufzulegen. Und das ist sicherlich gestalterisch sehr problematisch. Aber wir sind dabei, gerade jetzt anzufangen, auch diese Großsiedlungen einmal genauer zu untersuchen, von ihrer ästhetischen Qualifikation, von ihrer Funktion. Und man müsste dazu parallel eine soziologische Befragung nach Zufriedenheit durchführen. "
Heute schrumpfen die Städte und "Rückbau" ist an der Tagesordnung. Aber Adrian von Buttlar warnt davor, dass eine ganze Bauepoche vorschnell der Abrissbirne zum Opfer fällt. Wenn z.B. in der Berliner City-West - rund um die Gedächtniskirche - viele der in den 50er und 60er Jahren entstandenen Bauensembles zum Abbruch freigegeben worden sind, sieht der Denkmalschützer darin die Zerstörung einer historisch gewachsenen Berliner Identität. Kulturelles Erbe wird vernichtet - und durch eine gefällige Investorenarchitektur ersetzt. Notwendig wäre dagegen, für die, wenn auch oft eigenwillige ästhetische Qualität solcher Gebäude zu sensibilisieren.
" Man kann das z.B. festmachen an den viel gescholtenen Rasterfassaden, die eine waagerechte und horizontale Struktur aufweisen und große Quadrate und Rechtecke einhöhlen. Da gibt es welche, die, sehr fein unterschieden sind in den Proportionen mit den liegenden oder hochvertikalen Formen der Quadrate. In der Art und Weise, wie das Glas eingesetzt ist, wie das gerahmt ist, die Profilierung. Und Sie müssen daran denken, dass diese Architektur auch immer eine sparsame Architektur sein sollte, so dass man etwa Fußböden und bei Türprofilen auch die einfachsten funktionalen Formen gewählt hat, die trotzdem ihre Ästhetik in sich tragen. "
Die Forscher der TU Berlin erfassen und bewerten Bauten der "gefährdeten Nachkriegsmoderne" - um sie gegebenenfalls unter Denkmalschutz zu stellen. Geplant ist auch der Aufbau eines größeren interdisziplinären Forschungsprojekts zur Dokumentation und Evaluierung der jüngeren Architekturmoderne.
" Wir müssen zu einer Qualifizierung kommen, herausstellen, warum etwas so gestaltet ist, wie es gestaltet ist, den Bau neu sehen lernen Wir müssen uns auf diese Zeit als eine langsam vergehenden historischen Epoche langsam einstellen und einen gewissen Sinn für seine eigenen Qualitäten entwickeln. Wie geht man damit um, was soll bleiben und was soll ersetzt werden durch Neubauten? Und da muss man schauen, welche Wertigkeit die Gebäude haben, z.B. im Bezirk in der Stadt, national gesehen oder vielleicht sogar als Unikate in ganz Europa. "
Der Laie wird sich weiterhin schwer tun mit den groben Baukörpern dieser Zeit, mit den "ortlosen Autisten", die ohne Anschluss an ihre Nachbarschaft ihren "brutalen" Beton zur Schau stellen. Doch "(e)ine gerechtere Beurteilung der 60er Jahre ist angesagt. Eine Glorifizierung nicht", schreibt der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt zum Thema. Vielleicht verändern sich aber mit der Zeit auch Sichtweisen. Adrian von Buttlar erinnert daran, dass auch die heute so bewunderten Gründerzeitbauten eine Zeitlang vom Abriss bedroht waren.
" Als wir Studenten waren, haben wir gerade in München diese Häuser verteidigt gegen Abriss und falsch verstandene Modernisierung. Und wir erleben hier, dass gerade bei den jüngeren Leuten eine große Begeisterung auch für die Einfachheit, für den Purismus vorhanden ist und für die großen spektakulären Highlights dieser Zeit, denken Sie an die Akademie der Künste oder die Kongresshalle oder die Philharmonie, Wir sehen überall in Deutschland Gruppen entstehen, die sich mit dem jüngsten Architekturerbe ihrer Zeit auf diese Weise beschäftigen. "
