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Ungeliebte Konkurrenz

Seit 1987 bewirtschaftet Karl Rothfelder seinen 150 Hektar großen Hof in der kleinen Stadt Tengen im Landkreis Konstanz. Die Grenze zur Schweiz schlängelt sich nur wenige Kilometer von seinen Feldern entfernt durch die Wiesen und Wälder des Hegaus. Um sein Einkommensniveau zu halten, kam Karl Rothfelder in den vergangenen Jahren um Zukäufe und Zupachtungen nicht herum. Doch so dicht an der Schweizer Grenze ist das schwierig:

Von Thomas Wagner |
    Da wollte ein deutscher Verpächter vier Hektar Land verkaufen. Der hatte ein Angebot von der Schweiz. Und ein Schweizer Landwirt zahlte dann 20 000 Euro mehr für dieses Land. Und somit bekam ich es halt nicht.

    Das war, wie Karl Rothfelder weiß, kein Einzelfall:

    Ja, die Schweizer Landwirte....Die Einkommenssituation ist viel besser. Und so bezahlen sie mehr Pacht oder könnten mehr Pacht bezahlen und treiben uns die Pacht hoch und auch den Kaufpreis für das Land.

    Seit rund einem Jahr kommen Karl Martin vom Amt für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur Stockach immer häufiger solche Klagen auf den Tisch. Der Agrarexperte kennt auch den Grund dafür:

    Durch das Freizügigkeits-Abkommen zwischen der Schweiz und der EU ist bestimmt worden, dass Schweizer bei der Ausübung eines Berufes im EU-Raum nicht mehr diskriminiert werden dürfen. Das heißt also: Er ist dem deutschen Landwirt gleichgestellt. Und jetzt kommt die Tragik dazu, dass eben der Schweizer Landwirt doch noch wesentlich bessere Einkünfte hat. Die Erzeugerpreise sind einfach höher. Und somit kann er besser konkurrieren und eben bessere Pacht- und Kaufpreise bezahlen.

    Erst die so genannten "bilateralen Verträge", die die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU liberalisieren, machten die eidgenössische "Landnahme" im deutschen Grenzgebiet überhaupt erst möglich. Vereinzelt gab es solche Fälle schon seit Anfang der 70er Jahre – doch nicht in dem Umfang, wie dies seit Sommer letzten Jahres geschieht. Zuvor hatte die Rechtssprechung, so Alfred Martin, vorgebaut:

    Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei der Anwendung des Grundstücks-Verkehrsgesetzes die Verschlechterung der deutschen Agrarstruktur zu verhindern ist. Und wenn deutsche Landwirte bereit und in der Lage waren, Grundstücke zu kaufen, dann musste dann in aller Regel der Schweizer Landwirt zurückstehen. Es gab dann eine Versagung der Genehmigung. Im Pachtverhältnis war es ähnlich oder analog: Wenn der deutsche Landwirt pachtbereit war, kam der Schweizer Landwirt nicht zum Zuge.

    Seitdem im Sommer vergangenen Jahres die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU in Kraft getreten sind, gelten diese Bestimmungen aber nicht mehr. Daran stoßen sich nicht nur die betroffenen Landwirte selbst, sondern auch Agrarexperten wie Alfred Martin. Nicht nur, dass die Einkommenssituation der Schweizer Landwirte wesentlich besser ist als die der deutschen – auch bei den Agrar-Zuschüssen handeln die Eidgenossen wesentlich großzügiger:

    Während der Schweizer Landwirt eben eine flächenbezogene Direktzahlung erhält – das ist bei Wiesen rund 100 Schweizer Franken, beim Ackerland 1200 Schweizer Franken und bei Ölfrüchte sage und schreibe 1125 Schweizer Franken -, so bekommt der deutsche Landwirt eben nur eine Ausgleichsleistung für die niedrige Marktleistung, etwa 550 Euro pro Hektar.

    Das liegt damit mehr als 30 Prozent unter den Subventionen, die die Schweizer Landwirte erhalten – kein Wunder, dass die bei Verkaufs- und Pachtangeboten bessere Preise bieten können:

    Die Schweizer Landwirte haben natürlich auch das Problem des Strukturwandels. Und sie müssen jetzt natürlich schauen, das sie ihre Betriebe einfach aufgestockt bekommen, und es kann nur erfolgen, indem sie sich ausweiten und in unserem Bereich über die Grenze gehen. Das trifft im Kreis Waldshut genauso zu wie im Kreis Konstanz.

    Aus der Sicht der deutschen Landwirte ist diese Entwicklung doppelt ärgerlich: Nicht nur, dass ihnen ihre Schweizer Kollegen, finanziell besser ausgestattet, die Fläche im Grenzgebiet vor der Nase wegschnappen – dies wird indirekt, so Alfred Martin vom Stockacher Landwirtschaftsamt, auch noch mit deutschen Steuergeldern subventioniert:

    Besonders ärgerlich ist eben, weil die Schweizer Landwirte Nutznießer sind der Flurbereinigungen. Und diese Flurbereinigungen wurden ja mit nicht unerheblichen Steuermitteln gefördert. Deshalb sind die ja bereit, relativ stolze Preise zu bezahlen, weil sie im innerschweizerischen Bereich relativ klein parzelliert wirtschaften müssen.

    Immer mal wieder fragen die betroffenen deutschen Landwirte bei Alfred Martin nach, was sie denn gegen diese Entwicklung tun könnten. Doch die Antwort fällt ernüchternd aus:

    Wir können nur sagen: Es ist auf der gesetzgeberischen Seite einfach nicht anders möglich. Wir müssen so mit der Faust in der Hosentasche diese Verträge entweder unbeanstandet an die Schweizer geben oder die Kaufverträge genehmigen.