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Ungenügende Auskunftsbereitschaft

Wie schmutzig ist der See in der Nachbarschaft, wie sauber die Luft im Stadtviertel? Jeder Bürger hat das Recht, dies von Ämtern, Ministerien, aber auch von Privatunternehmen wie Wasserwerken oder Energieversorgern, die öffentliche Aufgaben erfüllen, zu erfahren. Doch diese Stellen kommen ihrer Pflicht nur ungenügend nach.

Von Ralph Ahrens | 14.07.2009
    Wie auskunftsfreudig Behörden, Wasserwerke oder Energieversorger sind, hat das Unabhängige Institut für Umweltfragen, das UfU, getestet. Dazu wurden 33 verschiedene Anfragen auf Umweltinformationen an 178 solcher informationspflichtigen Stellen verschickt. Nur die Hälfte aller Antworten fand das Wissenschaftsinstitut aus Berlin zufriedenstellend. Zu oft würden Bürger nicht ernst genommen, sagte Geschäftsführer Michael Zschiesche, als er die Ergebnisse der Umfrage vorstellte. Ein Beispiel: Die Umweltministerien aller Bundesländer sollten Auskunft darüber geben, in welchem Ausmaß große Industrieanlagen in ihrem Zuständigkeitsbereich die Umwelt belasten.

    "Was wir dann zwischendurch mitbekommen haben, war, dass das Umweltbundesamt für eine EU-Abfrage genau auch diese Daten just zum gleichen Zeitpunkt ermittelt hat. Dadurch wussten wir, dass diese Daten ja ermittelt waren und vorlagen. Wir haben aber sehr unterschiedliche Reaktionen gekriegt aus den Landesministerien: Einige Länder haben uns gesagt, dass diese Daten nicht vorlägen und wenn sie zu ermitteln seien, dann müssten wir mit ungefähr 500 Euro Kosten rechnen."

    Das wissenschaftliche Institut testete auch die Auskunftsfreude von Unternehmen, die öffentliche Aufgaben erfüllen. So erhielt etwa die Deutsche Bahn zwei Anfragen zum gleichen Thema. Die eine Anfrage kam von einem Mitglied eines Umweltverbandes, die andere von einem unbekannten Schauspieler.

    "Der Umweltschützer hat nach 14 Tagen Antwort bekommen - in dem Fall von der Bahn. Der Schauspieler hat nach acht Wochen nachgefragt, wo denn seine Antwort bleibt."

    Umweltjurist Zschiesche hat eine Vermutung:

    "Man googelt bei der Bahn und hat herausgefunden, 'okay, das ist jemand, der in einem großen Umweltverband arbeitet'. Ja, und da die Bahn natürlich an entsprechender Umweltkommunikation interessiert ist, sagt sie, ‘gut, das ist eine ‘very important person', also der muss ich antworten'. Während der Otto Normalverbraucher eine solche Behandlung nicht bekommt."

    Das Unabhängige Institut für Umweltfragen bemängelt auch, dass der Dialog zwischen Bürgern und den informationspflichtigen Stellen oft einseitig ist. So erhielten die Test-Bürger des UfU in fünf Fällen eine ablehnende Antwort mit der Begründung, die Anfrage sei unverständlich.

    "Auffällig ist schon, dass es in keinem Fall eine Rückfrage oder Bemühung gab um Klärung. Und da kann man natürlich nur den Rückschluss dann ziehen, dass man es sich eigentlich eher dieser Sache entledigen wollte - und dass man eigentlich gar keine Antwort gewillt war, zu geben."

    Zudem habe derjenige, der Informationen unrechtmäßig zurückhält, in Deutschland nichts zu befürchten, erklärt Michael Zschiesche. In Polen ist das anders.

    "Die haben einen Straftatbestand: Wenn ich bestimmte Daten nachweislich nicht herausgebe, die ich aber habe. Sodass also der Mitarbeiter durchaus sich überlegen muss, ob er sich permanent renitent verhält, oder ob er bürgerfreundlich auf die Anfragen reagiert."

    Die Umfrage zeigt einen weiteren Schwachpunkt des Umweltinformationsgesetzes. Unter Juristen ist strittig, ob Energieversorger, Wasserwerke oder Unternehmen wie die Deutsche Bahn in jedem Fall Auskunft geben müssen. Diese Unternehmen betonten in der Umfrage daher, dass sie Umweltdaten nur freiwillig herausgeben. Oft müssen daher erst Gerichte darüber entscheiden, ob Umweltdaten öffentlich sind. Solche Verfahren sind sehr aufwendig. Michael Zschiesche.

    "Wir können also kaum jemand auffordern, sein Recht in diesem Bereich wahrzunehmen, weil er gegebenenfalls in die Falle läuft, hier sehr kostspielige juristische Verfahren durchführen zu müssen."

    Dass sich nur finanzkräftige Umweltverbände wie der BUND, die Deutsche Umwelthilfe und Greenpeace solche Gerichtsverfahren leisten können, ärgert den Umweltjuristen. Er sieht die Bundesregierung in der Pflicht. Sie müsse das "Recht auf Wissen" neu formulieren: Alle Firmen, die öffentliche Aufgaben erfüllen, müssen Umweltdaten selbstverständlich herausgeben.

    Weitere Informationen:

    Unabhängiges Institut für Umweltfragen (UfU)