"Das allererste, was ich wahrgenommen habe, ist die enorme Hitze und der Staub."
Thomas Göpfert ist Kriminaloberkommissar.
"Tausende von Menschen, vor allem Männer in ihrem traditionellen afghanischen Gewand, weites Hemd, weite Hose. Natürlich auch Frauen in der Burka, im Ganzkörpergewand."
Er erzählt von Kabul.
"Bettler, Bettlerinnen mitten auf der Straße Tausende von Fahrzeugen, dazwischen auch gerne Eselskarawanen oder Pferdegespanne von deren Wänden tote Ziegen runterbaumeln."
Ein Jahr lang war der Thüringer dort. Er wollte helfen, die Polizei mit aufzubauen. Als ein Teil der Europäischen Mission in Afghanistan, EUPOL. Mit Herzblut zeigt er Fotos, zeigt die dunkelblaue Armbinde auf der hellblauen Uniform, die er dort trug.
Sein Name ist auf der Brust zu lesen, in Deutsch und in Dari, in einer der afghanischen Sprachen. Dahinter steht eine Null und ein Plus. Seine Blutgruppe.
"Das ist kein Muss, dass habe ich eben so mit angegeben für den Fall, den keiner hofft, dass er eintritt, dass einem schnell geholfen wird."
Seine Aufgabe war es, einen General zu beraten, der die Polizistenausbildung organisierte. Keine einfache Aufgabe. Thomas Göpfert lernte schnell die kulturellen Unterschiede kennen. Deutsche Pünktlichkeit - ein Kuriosum, stattdessen afghanisches Gottvertrauen: die Konferenz beginnt, wenn man sich versammelt, egal was im Plan steht. Wenn man sich trifft, gehört es dazu, sich nach der Familie zu erkundigen, ein Parfum für die Frau Gemahlin mitzubringen, überhaupt: sich zu beschenken.
"Am Ende der Konferenz bekomme ich vom General Geschenke überreicht, das geht vom Teppich über ein Gemälde, Einladung zum großen Essen natürlich hinterher - im Übrigen undenkbar in Deutschland."
Auch das Selbstverständnis vom Polizisten als Freund und Helfer, der sich selbstlos in den Dienst des Staates stellt - in Afghanistan wird es vermutlich nie so werden, sagt Thomas Göpfert. Polizisten haben eher den Ruf von Wegelagerern, als von Beamten, denen man vertrauen könne.
"Vetternwirtschaft, die familiären Loyalitäten, das Begünstigen des eigenen Clans, des eigenen Stammes und so weiter - das ist ja eine kulturelle Selbstverständlichkeit in Afghanistan. Mitnichten würde man da von Korruption sprechen."
Um das zu ändern, hat Deutschland eine Polizeiakademie in Kabul gebaut. Hier werden die höheren Kader drei Jahre lang ausgebildet. Gute Sache, findet der Kriminaloberkommissar. Drei Jahre Studium seien nötig. Das sehen allerdings nicht alle westlichen Partner so. Die Amerikaner, die mit weit mehr Geld und Personal vor Ort im Einsatz sind, wollen die Schnellbleiche, sagt er: kurze Ausbildung, eher paramilitärisch. Da muss ein Polizeiausbilder, wie Thomas Göpfert, dicke Bretter bohren. Zumal die, die sich zu den Lehrgängen melden, auch kaum intellektuell ansprechbar sind.
"Da muss man einfach zur Kenntnis nehmen, dass 70 bis 80 Prozent der Rekruten Analphabeten sind. Sie können nicht lesen und schreiben. Man muss also seine ganze Ausbildung, die man mit denen macht, entsprechend anpassen."
Staatskunde? Fehlanzeige. Theorie: Gibt es nicht. Stattdessen Praxis. 'Robuste Grundausbildung': Schießtraining. Wie nehme ich jemanden fest, wie kontrolliere ich ein Fahrzeug.
"Die haben auch motorische Schwierigkeiten. Also die können gar nicht so richtig geradeaus laufen."
Warum diese jungen afghanischen Männer Polizisten werden wollen?
"Die Eltern sagen: Wir schicken den Jungen zur Polizei, da ist er unter. Da bekommt er etwas zu essen, da bekommt er seine Mahlzeiten und er wird in eine Uniform gesteckt. Lernt was und bekommt auch - wenn auch nur ein kleines - Gehalt."
Wenn auch manche der frisch ausgebildeten Polizisten dann zu den Taliban überlaufen, weil die besser zahlen.
Nach einem Jahr kehrt der Kriminaloberkommissar nach Deutschland zurück. Eine intensive Zeit, in der er einige große Projekte mit dem General anschieben konnte, ist zu Ende. Er geht zurück nach Meiningen an das Bildungszentrum der Thüringer Polizei.
"Und jetzt kehrt man wieder zurück in seine Organisation hier, man tritt einfach wieder zurück ins Glied und macht im Prinzip wieder das, was man ein Jahr zuvor ja auch gemacht hat."
Afghanistan ist plötzlich weit weg. Stattdessen unterrichtet Thomas Göpfert nun wieder angehende deutsche Polizisten. Charmant und wieder mit Herz.
Die jungen Männer in blauen Polizeipullovern, vier Frauen sind auch dabei, scheinen ihrer Lehrer zu mögen. Auch wenn er jede Stunde irgendwelche Beispiele aus Afghanistan bemüht.
"Ne, es ist sehr interessant. Mit sehr vielen Hintergrundfakten, das ist sehr schön. Lockert den Unterricht auf."
Doch ernstes Interesse an seinen Erfahrungen hat kaum jemand, sagt Göpfert. Stattdessen muss er sich rechtfertigen, warum er das gemacht hat – ein Jahr Afghanistan.
"Und es tut natürlich einem deutschen Soldaten genau so wenig wie einem Polizisten gut, wenn er nur zu hören bekommt 'naja, ihr habt ja dort nur Bonbons an die Kinder verteilt oder Brunnen gebohrt oder ein paar Schulen gebaut'. Für den ist das ein Schlag ins Gesicht."
Seine interkulturellen Erkenntnisse, sein Wissen über Land und Leute und Strukturen? Auch seine Vorgesetzten fragen nicht nach, obwohl sie von seinen Kenntnissen profitieren könnten. Stattdessen schicken sie wieder neue Beamte an den Hindukusch, die wieder von vorn anfangen. Das macht dem Afghanistan-Heimkehrer zu schaffen. Vielleicht, sagt er und klingt ganz pragmatisch, vielleicht muss ich einfach einen Strich drunter ziehen. Aber wenn er die Kritiker hört, kann er nicht stillhalten. Er zeigt das Bild einer Mädchenschule. Fröhliche junge Frauen in bunten Gewändern. Das hätte es vor zehn Jahren noch nicht gegeben.
"Die Kinder haben mir immer auch - wie soll ich sagen - signalisiert, dass wir engagiert bleiben müssen. Dass diese Kinder auch eine bessere Zukunft verdient haben, als die, die sie bis dato hatten."
Thomas Göpfert ist Kriminaloberkommissar.
"Tausende von Menschen, vor allem Männer in ihrem traditionellen afghanischen Gewand, weites Hemd, weite Hose. Natürlich auch Frauen in der Burka, im Ganzkörpergewand."
Er erzählt von Kabul.
"Bettler, Bettlerinnen mitten auf der Straße Tausende von Fahrzeugen, dazwischen auch gerne Eselskarawanen oder Pferdegespanne von deren Wänden tote Ziegen runterbaumeln."
Ein Jahr lang war der Thüringer dort. Er wollte helfen, die Polizei mit aufzubauen. Als ein Teil der Europäischen Mission in Afghanistan, EUPOL. Mit Herzblut zeigt er Fotos, zeigt die dunkelblaue Armbinde auf der hellblauen Uniform, die er dort trug.
Sein Name ist auf der Brust zu lesen, in Deutsch und in Dari, in einer der afghanischen Sprachen. Dahinter steht eine Null und ein Plus. Seine Blutgruppe.
"Das ist kein Muss, dass habe ich eben so mit angegeben für den Fall, den keiner hofft, dass er eintritt, dass einem schnell geholfen wird."
Seine Aufgabe war es, einen General zu beraten, der die Polizistenausbildung organisierte. Keine einfache Aufgabe. Thomas Göpfert lernte schnell die kulturellen Unterschiede kennen. Deutsche Pünktlichkeit - ein Kuriosum, stattdessen afghanisches Gottvertrauen: die Konferenz beginnt, wenn man sich versammelt, egal was im Plan steht. Wenn man sich trifft, gehört es dazu, sich nach der Familie zu erkundigen, ein Parfum für die Frau Gemahlin mitzubringen, überhaupt: sich zu beschenken.
"Am Ende der Konferenz bekomme ich vom General Geschenke überreicht, das geht vom Teppich über ein Gemälde, Einladung zum großen Essen natürlich hinterher - im Übrigen undenkbar in Deutschland."
Auch das Selbstverständnis vom Polizisten als Freund und Helfer, der sich selbstlos in den Dienst des Staates stellt - in Afghanistan wird es vermutlich nie so werden, sagt Thomas Göpfert. Polizisten haben eher den Ruf von Wegelagerern, als von Beamten, denen man vertrauen könne.
"Vetternwirtschaft, die familiären Loyalitäten, das Begünstigen des eigenen Clans, des eigenen Stammes und so weiter - das ist ja eine kulturelle Selbstverständlichkeit in Afghanistan. Mitnichten würde man da von Korruption sprechen."
Um das zu ändern, hat Deutschland eine Polizeiakademie in Kabul gebaut. Hier werden die höheren Kader drei Jahre lang ausgebildet. Gute Sache, findet der Kriminaloberkommissar. Drei Jahre Studium seien nötig. Das sehen allerdings nicht alle westlichen Partner so. Die Amerikaner, die mit weit mehr Geld und Personal vor Ort im Einsatz sind, wollen die Schnellbleiche, sagt er: kurze Ausbildung, eher paramilitärisch. Da muss ein Polizeiausbilder, wie Thomas Göpfert, dicke Bretter bohren. Zumal die, die sich zu den Lehrgängen melden, auch kaum intellektuell ansprechbar sind.
"Da muss man einfach zur Kenntnis nehmen, dass 70 bis 80 Prozent der Rekruten Analphabeten sind. Sie können nicht lesen und schreiben. Man muss also seine ganze Ausbildung, die man mit denen macht, entsprechend anpassen."
Staatskunde? Fehlanzeige. Theorie: Gibt es nicht. Stattdessen Praxis. 'Robuste Grundausbildung': Schießtraining. Wie nehme ich jemanden fest, wie kontrolliere ich ein Fahrzeug.
"Die haben auch motorische Schwierigkeiten. Also die können gar nicht so richtig geradeaus laufen."
Warum diese jungen afghanischen Männer Polizisten werden wollen?
"Die Eltern sagen: Wir schicken den Jungen zur Polizei, da ist er unter. Da bekommt er etwas zu essen, da bekommt er seine Mahlzeiten und er wird in eine Uniform gesteckt. Lernt was und bekommt auch - wenn auch nur ein kleines - Gehalt."
Wenn auch manche der frisch ausgebildeten Polizisten dann zu den Taliban überlaufen, weil die besser zahlen.
Nach einem Jahr kehrt der Kriminaloberkommissar nach Deutschland zurück. Eine intensive Zeit, in der er einige große Projekte mit dem General anschieben konnte, ist zu Ende. Er geht zurück nach Meiningen an das Bildungszentrum der Thüringer Polizei.
"Und jetzt kehrt man wieder zurück in seine Organisation hier, man tritt einfach wieder zurück ins Glied und macht im Prinzip wieder das, was man ein Jahr zuvor ja auch gemacht hat."
Afghanistan ist plötzlich weit weg. Stattdessen unterrichtet Thomas Göpfert nun wieder angehende deutsche Polizisten. Charmant und wieder mit Herz.
Die jungen Männer in blauen Polizeipullovern, vier Frauen sind auch dabei, scheinen ihrer Lehrer zu mögen. Auch wenn er jede Stunde irgendwelche Beispiele aus Afghanistan bemüht.
"Ne, es ist sehr interessant. Mit sehr vielen Hintergrundfakten, das ist sehr schön. Lockert den Unterricht auf."
Doch ernstes Interesse an seinen Erfahrungen hat kaum jemand, sagt Göpfert. Stattdessen muss er sich rechtfertigen, warum er das gemacht hat – ein Jahr Afghanistan.
"Und es tut natürlich einem deutschen Soldaten genau so wenig wie einem Polizisten gut, wenn er nur zu hören bekommt 'naja, ihr habt ja dort nur Bonbons an die Kinder verteilt oder Brunnen gebohrt oder ein paar Schulen gebaut'. Für den ist das ein Schlag ins Gesicht."
Seine interkulturellen Erkenntnisse, sein Wissen über Land und Leute und Strukturen? Auch seine Vorgesetzten fragen nicht nach, obwohl sie von seinen Kenntnissen profitieren könnten. Stattdessen schicken sie wieder neue Beamte an den Hindukusch, die wieder von vorn anfangen. Das macht dem Afghanistan-Heimkehrer zu schaffen. Vielleicht, sagt er und klingt ganz pragmatisch, vielleicht muss ich einfach einen Strich drunter ziehen. Aber wenn er die Kritiker hört, kann er nicht stillhalten. Er zeigt das Bild einer Mädchenschule. Fröhliche junge Frauen in bunten Gewändern. Das hätte es vor zehn Jahren noch nicht gegeben.
"Die Kinder haben mir immer auch - wie soll ich sagen - signalisiert, dass wir engagiert bleiben müssen. Dass diese Kinder auch eine bessere Zukunft verdient haben, als die, die sie bis dato hatten."