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Ungewisse Zukunft für das Grüne Band

Die ehemalige Grenzlinie zwischen Ost und West war jahrzehntelang nahezu menschenleer. Ungestört konnte sich dort eine Kette von Biotopen entwickeln, ein Paradies für Tiere und Pflanzen. Seit Jahren streiten Bund und Länder aber um diesen ökologischen und landschaftlichen Schatz. Noch gehört das Grüne Band dem Bund, doch die Flächen sollen den Ländern übertragen werden.

Von Ulli Sondermann-Becker |
    Im Juli ist es fünf Jahre her, dass sich die Bundesregierung zum Projekt ,,Grünes Band'' bekannt hat; verbunden mit dem Versprechen, den ehemaligen Grenzstreifen an die Länder zu übergeben; und seit eben diesen fünf Jahren streiten Länder und Bund über das Kleingedruckte.

    Weil fast die Hälfte des 1.400 Kilometer langen Grenzstreifens in Thüringen liegt, führt dieses Bundesland die Verhandlungen für die übrigen Anrainerländer. Heute macht sich also Karl-Friedrich Thöne, Abteilungsleiter im Thüringer Umweltministerium wieder einmal auf den Weg nach Berlin; und zwar mit Sorgenfalten auf der Stirn.

    ",,Das Problem ist, dass gar nichts passiert und wir die Befürchtung haben, dass das Grüne Band zuwächst. Und damit ein wichtiger Teil des nationalen Kulturerbes unter die Räder kommt.''"

    Als man den Grenzstreifen nach der Wende endlich wieder - und ohne Minengefahr - betreten konnte, da fanden Wissenschaftler auf dem Streifen von der Ostsee bis ins bayerische Vogtland Tierarten vor, die woanders längst ausgestorben oder stark gefährdet waren - wie den Schwarzstorch, das Birkhuhn oder den Ziegenmelker. Das heißt: Auf dem Todesstreifen hatten Tierarten überlebt, die anderswo längst Bauern oder Straßenbauern gewichen waren.

    Dieses ,,längste Biotop Deutschlands'' müsse unbedingt erhalten bleiben, forderten Naturschützer. Organisationen wie der BUND kauften schon mal vorsorglich einige Teilgebiete an und machten sie zu ,,Grünes-Band-Modellprojekten''.

    ",,In diesen Teilgebieten will man zeigen, was man theoretisch auch in anderen Bereichen durchführen könnte, um ein optimales Biotopverbundsystem zu erhalten.''"

    ... erklärt Karin Kowohl, die beim Thüringer BUND für das Grüne Band zuständig ist. Das alles geschah in der Hoffnung, dass der große Wurf, die Umgestaltung des kompletten Grenzstreifens, nicht mehr lange auf sich warten läßt. Der Bund hatte aber mit seinem Geschenk, also den Flächen, gewisse Gegenleistungen verbunden. Die Länder sollten Personal übernehmen; Bundesförster, wieviele und zu welchen Bedingungen und ob das überhaupt angemessen sei, darüber gehen die Meinungen seit Jahren auseinander.

    Nach einem zähen Hin und Her hatte das verhandlungführende Thüringen Ende 2007 angeboten, für die nächsten fünf Jahre Bundespersonal quasi zu mieten, erklärt Karl-Friedrich Thöne vom Thüringer Umweltministerium:

    ",,Man darf sich darunter nicht vorstellen, dass das Renditeobjekte sind, sondern das ist ein Pflegafall. Wir haben dann gemeinsam mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben draussen eine saubere Bestandsaufnahme gemacht. Was man braucht an Personal und haben uns dann auf einen Betrag von rund einer halben Million Euro Personalübernahmekosten für die Flächen geeinigt.''"

    Das Bundesumweltministerium stimmte zu - doch dann zog das Finanzministerium die Entscheidung zurück; und es passierte wieder nichts.

    ",,Der ganze Enthusiasmus, den wir da draussen hatten, in den Gemeinden und Projekten, der droht in Demotivation und Ärger umzuschlagen.''"

    Die Thüringer sprechen von ,,Hinhaltetaktik'' - die das ganze Projekt Biotopverbund gefährde: Die Flächen müssten gepflegt werden, und dazu müsse klar sein, wem sie gehörten. Andernfalls hole sich die Wildnis den Grenzstreifen zurück, die ganz spezielle Tier- und Pflanzenwelt dort sei gefährdet.

    ",,Wir haben hier einige sehr wertvolle Arten, insbesondere unter den Heuschrecken und Tagfaltern, aber auch unter den Vögeln, die ganz besonders angewiesen sind auf diese relativ nährstoffarmen aber offenen Flächen.''"

    Das Bundesumweltministerium möchte sich zu diesem Hinhaltevorwurf nicht äußern - die Abstimmungen liefen noch, hieß es. Die Geduld der Thüringer jedenfalls ist zu Ende. Wenn es heute nicht zur Einigung kommt, dann werde der Freistaat die Verhandlungen platzen lassen, sagt Thöne. Dann soll der Bund den Grenzstreifen eben behalten und selber pflegen.

    ",,Dann muss sich der Bund seiner Verantwortung stellen. Der Bund müsste diese Flächen dann gemäß ihres Charakters als nationales Naturerbe voll in die kostenintensive, ausgesprochen kostenintensive Pflege nehmen.'' "