Freitag, 17. Mai 2024

Archiv


Ungewissheit am Ende des Tunnels

Knapp sieben Milliarden Euro investieren die Dänen in einen 19 Kilometer langen Tunnel, der ab 2020 den heutigen Fährverkehr zwischen Rødby und Puttgarden ersetzen und zu einer deutlichen Verkürzung der Reisezeit führen soll. Eine Verbindung, die zunächst aber in einem Flaschenhals enden könnte – und zwar auf deutscher Seite.

Von Marc-Christoph Wagner | 23.11.2011
    Das Bundeskanzleramt vergangenen Donnerstag. Erstmals nach ihrem Wahlsieg im September ist die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt bei Angela Merkel in Berlin.

    "Ich bin froh, dass ich eine sympathische Ministerpräsidentin habe in Dänemark, die die deutsch-dänischen Beziehungen weiter pflegen wird, mit der wir gut zusammenarbeiten werden, so mein Eindruck nach diesem Mal, und deshalb habe ich nur gute Gefühle für die Zukunft – was das anbelangt."

    Gerade zwischen Kopenhagen und Berlin war es nach der Entscheidung der dänischen Vorgängerregierung im Sommer, die deutsch-dänische Grenze wieder verstärkt zu kontrollieren, zu ernsthaften Spannungen gekommen. Ausdrücklich dankte Merkel ihrer dänischen Kollegin nun dafür, dass sie diese Kontrollen unmittelbar nach ihrem Amtsantritt wieder zurückgenommen hat. Auch Helle Thorning-Schmidt zeigte sich an der Seite Merkels erleichtert, dass alle bilateralen Differenzen nun beigelegt seien.

    Wirkte die Atmosphäre in Berlin also durchaus heiter, brauen sich an der deutsch-dänischen Grenze erneut dunkle Wolken zusammen – und zwar dieses Mal über einem der größten europäischen Verkehrsprojekte, der festen Querung über den Fehmarnbelt. Knapp sieben Milliarden Euro investieren die Dänen in einen 19 Kilometer langen Tunnel, der ab 2020 den heutigen Fährverkehr zwischen Rødby und Puttgarden ersetzen und zu einer deutlichen Verkürzung der Reisezeit führen soll. Eine Verbindung, die zunächst aber in einem Flaschenhals enden könnte – und zwar auf deutscher Seite.

    "Wie ich die Verträge lese, gibt es keinen Zweifel, dass – sobald die feste Querung steht – auch auf deutscher Seite alles fertig ist.""

    Der dänische Verkehrsminister Henrik Dam Kristensen bezieht sich auf die Infrastruktur auf deutscher Seite. Denn hier gibt es heute nur eine zweispurige Bundesstraße und eine eingleisige, nicht elektrifizierte Bahnverbindung, die den künftigen Verkehrsströmen nicht gewachsen scheint. Zwar hat Deutschland sich verpflichtet, diese Engpässe auf Dauer zu beheben und mehr als eine Milliarde Euro in die Anbindung zu investieren. Gleichzeitig hat die Bundesrepublik eine Frist in die Verträge einarbeiten lassen, die ihr das Recht gibt, diese Maßnahmen erst sieben Jahre nach Fertigstellung der Verbindung umsetzen zu müssen. Ein Vorbehalt, von dem der neue dänische Verkehrsminister nichts wissen möchte:
    "Ich habe einfach nicht die Fantasie, mir vorzustellen, dass Deutschland seine Verpflichtungen uns gegenüber nicht erfüllt. Deutschland ist das Land des 'Ordnung muss sein', wo die Dinge funktionieren. Und da ich damit rechne, auch noch bei der Einweihung der Verbindung Minister zu sein, werde ich das Ganze fest im Blick behalten."

    Doch selbst auf dänischer Seite widersprechen Beamte dieser Sicht ihres Ministers. Die feste Fehmarnbelt-Querung sei stets ein dänischer Wunsch gewesen, den man in Berlin nicht habe verhindern wollen, dem man aber bei Weitem nicht dieselbe Priorität einräume. Dabei spielen sicherlich auch die Widerstände der Anwohner eine Rolle, die befürchten, eine vierspurige Bundesstraße werde die Insel Fehmarn wie eine Mauer durchschneiden und ein einzigartiges Erholungsgebiet zerstören. Und dennoch mahnt der dänische Verkehrsminister nun seine deutschen Partner, Investitionen und Modernisierung von Straße und Schiene voranzutreiben.

    "Ich weiß so viel von Deutschland und deutscher Effektivität, dass es mir undenkbar scheint, man würde dieses auch für Deutschland so wichtige Verkehrsprojekt akzeptieren, ohne dessen Anbindung rechtzeitig zu sichern. Dafür fehlt mir die Fantasie."

    Ein brisantes Thema – und wenige Monate vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, kommt der Vorstoß des dänischen Verkehrsministers wohl weder Kiel noch Berlin gelegen. Allerdings werden auch in Dänemark die Stimmen lauter, die meinen, die Milliarden für die feste Querung unter der Ostsee seien in wirtschaftlichen Krisenzeiten andernorts besser ausgegeben. So oder so darf man gespannt sein, wie lange sich das Hoch in den deutsch-dänischen Beziehungen halten wird.