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Ungewöhnlicher Studienort

Die Universität Dortmund und die Universität Duisburg-Essen haben sich einen ungewöhnlichen Ort für eine Vorlesungsreihe ausgedacht: Eine Kirche. In der Reinoldikirche in Dortmund werden in diesem Wintersemester Kunstvorlesungen gehalten. Erreicht werden sollen nicht nur Studierende, sondern auch jeder andere Interessierte. Die Vorlesung ist öffentlich. Thema sind "Bilder und Klänge des Todes vom Mittelalter bis in die Gegenwart".

Von Hilde Braun |
    "Und wir haben die Apostelfiguren, die in Zweiergruppen im Gespräch mit bewegten und sehr feingliedrig gestalteten Gewändern aufgereiht sind."

    Professorin Barbara Welzel ist Kunsthistorikerin. Sie erklärt die künstlerische Gestaltung des Altars der Reinoldikirche mitten in der Dortmunder Innenstadt, deutet auf Figuren und Schnitzereien, beschreibt aus welcher Epoche sie stammen.

    "Die wenigen Daten dieses Altarwerks um 1410, 1420 und diese Skulpturen haben den Rang jener Kunst, den die Herzöge von Burgund in dieser Zeit für sich reklamierten."

    Der Chorraum der Reinoldkirche ist bis auf den letzten Platz besetzt. Etwa 150 Menschen sind gekommen. Unter den Zuhörern sind Studierende der Kunstwissenschaften aus verschiedenen Semestern. Aber sie machen nur ein Drittel des Publikums aus. Alle anderen sind Besucher, die die Hochschule längst abgeschlossen haben oder nie auf einer waren. Eberhard Dickmann hat studiert, er ist Arzt und lebt seit über zehn Jahren in Dortmund. Seine Motivation an der kostenlosen Vorlesungsreihe teilzunehmen, ist die Stadt und ihre Kultur besser kennen zu lernen:

    "Stadtgeschichte interessiert mich schon, insofern ist es schon als Dortmunder Bürger für mich ansprechend. Ansonsten interessiere ich mich eben für Geschichte, gerade auch mittelalterliche Geschichte und dann auch noch für alte Musik insofern verbindet sich das ganz gut."

    Die Vorlesung beschäftigt sich mit Bildern und Klängen des Todes. Die Ausstattung der Reinoldikirche kann dazu gute Beispiele liefern. Statt auf Dias im Hörsaal kann jeder Zuhörer die Kunstgegenstände im Kirchenraum direkt betrachten und auf sich wirken lassen. Eine ungewöhnliche Atmosphäre, findet Christine Meichsner, sie studiert im dritten Semester Kunstwissenschaften:

    "Das hat mich am Anfang auch gewundert. Es ist mal ein anderer Ort als die Universität und auch Hörsäle, und ich mag Kirchen auch wenn ich selber nicht christlich bin. Es ist schön, dass so in dieser Umgebung zu hören.Es hat natürlich auch einen Reiz an sich, dass man die Sachen richtig sehen, betrachten kann und vielleicht hinterher noch da bleiben kann."

    Anders als an der Hochschule üblich arbeiten für die Vorlesungsreihe Bild und Klang Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen zusammen. Barbara Welzel vertritt die Kunstgeschichte, Thomas Schilp ist Stadtarchivar von Dortmund, Michael Stegemann ist Professor für historische Musikwissenschaft in Dortmund. Gregorianische Requiems erklingen seiner Ansicht nach in der Kirche viel authentischer als im Hörsaal.

    " Es geht natürlich bei dem Thema Bilder und Klänge des Todes ganz besonders, weil es sehr viel mit Kirchenmusik mit liturgischen Werken, mit liturgischen Kunstwerken der bildenden Kunst zu tun hat, auf der anderen Seite ist es auch eine faszinierende Konfrontation dieses Raumes mit seiner Magie."

    Die Vorträge für die Vorlesungsreihe sollen allgemein verständlich sein. So haben es sich die Professoren zumindest vorgenommen. Eine theoretische, abstrakte Sprache würde die Zuhörer nicht erreichen, meint Barbara Welzel:

    "Wir versimpeln die Dinge nicht für ein Stadtpublikum, sondern es ist Aufgabe der Universitäten und der Wissenschaft, die Dinge die wir sagen in die Gesellschaft hinein zu sagen und der Informationsbedarf ist relativ hoch."

    Eberhard Dickmann ist davon nicht ganz so überzeugt. Er konnte nicht allen Ausführungen folgen:

    " Im Nachhinein doch eine Spur akademisch, das schon. Aber nicht so, dass es nicht neugierig machen würde. Es sind viele Sachen dabei, wo ich denke, da kann man noch so ein bisschen ich würde sagen Blut lecken und viele Sachen neu entdecken."

    Die Vorlesungsreihe ist Teil des so genannten Studium Generale. Die Idee dahinter: Wissenschaft soll für jeden zugänglich sein, nicht nur für einen erwählten Kreis. Barbara Welzel:

    "Die Uni hat ein Set von verschiedenen Veranstaltungen, zum Beispiel hat unsere Physik ein großes Programm an den Wochenenden für die Stadtbevölkerung, das ist allerdings wirklich nur für die Stadtbevölkerung, nicht für die Studierenden. Was wir machen ist diese alte akademische Tradition, es wirklich zu verbinden. Davon hat die Uni nicht so viel. "

    Unter den Zuhörern sind viele ältere Menschen. Einige von ihnen absolvieren gerade ein Seniorenstudium. Zum Scheine machen kommen nicht so viele her. Stefan Gutsche ist einer von ihnen. Er studiert Kunstgeschichte auf Lehramt:

    "Man setzt sich gerne ins Chorgestühl, das ist toll das man das hier machen kann, das man hier sitzen darf und da kann man auch ganz gut schreiben, da sind nämlich so Ablagen, da kann man auch man seinen Block drauf legen. Sonst ist es wie im Seminarraum, ist eine schöne Atmosphäre. Es hat auch noch so ein bisschen was anderes."

    Karin Kannegießer ist 65. Ihr geht es so, dass ihr die Vorlesungen hier besser in Erinnerung bleiben als im Hörsaal, denn Kunst finde ja auch nicht in der Universität, sondern draußen statt. Sie absolviert ein Seniorenstudium.