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Ungleiche Rivalen

Seitdem das italienische Verfassungsgericht die Immunität des Regierungschefs aufgehoben hat, lässt Berlusconi keine Gelegenheit aus, die Mär von einer Verschwörung zu streuen. Jetzt beschuldigt er sogar den Staatspräsidenten Giorgio Napolitano offen der Einseitigkeit und der Parteilichkeit.

Von Karl Hoffmann |
    Am 10. Mai 2006 wurde im italienischen Parlament der letzte Akt einer langwierigen politischen Zeitenwende vollzogen.

    Senatspräsident Fausto Bertinotti noch Kommunist – forderte Giorgio Napolitano - den ehemaligen Kommunisten - auf, seinen Eid zu leisten - kurz und schmerzlos:
    "Ich schwöre, der Republik treu zu dienen und ihre Verfassung zu wahren.
    Und weiter: Ich werde zu keinem Zeitpunkt nur die Interessen der Mehrheit vertreten, die mich gewählt hat, sondern meine Aufmerksamkeit jedem Einzelnen in diesem Haus widmen und allen politischen Positionen, die Sie vertreten."

    Ein Präsident Super Partes, eine Autorität die über den Parteien und Interessengruppen steht. Das ist der Präsident in Italien, der zwar keine politische Macht hat, aber die vielleicht wichtigste politische Funktion ausübt: eine Leitfigur im ständig zerstrittenen facettenreichen Italien, in der noch 150 Jahren nach der Einigung durch den Nationalhelden Garibaldi das Gespenst der Spaltung zwischen Nord und Süd immer noch an die Wand gemalt wird.

    Napolitano beschwört seit seinem Amtsantritt die nationale Einheit, rät zur Mäßigung und fügt sich seiner institutioneller Pflicht: Er muss spätestens nach der zweiten Vorlage die Gesetze unterzeichnen, die das Parlament verabschiedet, auch wenn sie ihm gegen den Strich gegen. Dafür zollt man dem eher machtlosen Mann an der Spitze wenigstens gleichermaßen Respekt. So war es bisher jedenfalls.

    "Sein Einfluss auf das Verfassungsgericht ist ja bekannt, er selber hat einen ernannt. Da reichte es, dass der Staatspräsident eingegriffen hat."

    Ministerpräsident Silvio Berlusconi beschuldigt den als neutral geltenden Staatspräsidenten Giorgio Napolitano offen der Einseitigkeit und der Parteilichkeit. Giorgio Napolitano , inzwischen 84 Jahre alt, hat auf Kritik an seiner Person bisher so souverän reagiert, wie es seinem Amt entspricht. Auch diesmal beschränkte er sich auf eine eher lakonische Antwort.
    "Seit ich zum ersten Mal Innenminister wurde, habe ich keinerlei Parteizugehörigkeit mehr."

    Giorgio Napolitano, geboren in Neapel, ist tatsächlich nicht nur der erste ehemalige Kommunist der bisher elf italienischen Staatspräsidenten, sondern war 1996 bereits Innenminister, auch dies eine Premiere für einen ehemaligen Kommunisten, was seiner allgemein anerkannten Integrität nie geschadet hat.
    Auch sein eher farbloses Auftreten und der Verzicht auf schmissige Reden tragen zu seiner allgemeinen Beliebtheit bei. Darin sehen Insider auch einen der Hauptgründe für Berlusconis Aversionen gegen den Staatspräsidenten: Er hält sich selbst für den besten Regierungschef Italiens aller Zeiten, aber trotz seiner Popularität ist Napolitano weitaus beliebter als Berlusconi.
    Und natürlich hatte sich Berlusconi selbst als Nachfolger von Giorgio Napolitano auserkoren. Dass daraus nun wohl nach all den Skandalen nichts mehr wird, könnte ein weiterer Grund für Berlusconis Wut auf das Amt und seinen Inhaber sein.