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Unheilige Beziehung

Die Meinung der katholischen Kirche gegenüber homosexuellen Beziehungen ist problembehaftet. Eine Tagung der Freien Universität sollte Licht ins Verhältnis zwischen Theologie und Gender-Forschung bringen.

Von Ingeborg Breuer | 30.07.2009
    "Wo wäre die Sündentheologie ohne Eva? Wenn der Mann die Krone der Schöpfung ist, dann brauchen sie jemand anders, und dann ist der Weg von Eva bis zur Schlange auch nicht so weit","

    sagt Professor Rainer Kampling, Theologe an der FU Berlin.

    ""Frauen stehen für die Sexualität, während Männlichkeit so qualifiziert ist, dass die Rationalität, die Gefühlsferne, das Agieren im öffentlichen Raum im Vordergrund steht."

    Professor Helga Kuhlmann, Theologin an der Universität Paderborn. Dass die Frau dem Manne untertan sein soll, steht bereits auf den ersten Seiten des Alten Testaments. Denn Eva reichte Adam den verbotenen Apfel. Daraufhin verdammte Gott die beiden und sprach zu Eva: 'mit Schmerzen sollst du Kinder gebären; und nach deinem Manne wird dein Verlangen sein, er aber wird über dich herrschen'. Die Ordnung des Patriarchats - biblisch legitimiert? Dr. Esther Hornung, Mitveranstalterin der katholischen Tagung an der FU Berlin:

    " Der Kirche laufen die Leute weg. Es liegt vielleicht an den Vorstellungen des Menschseins, wenn nun die Kirche einfach nicht mehr kommuniziert oder sich Blicke verbaut hat, was die heutigen Menschen bewegt."

    "Was ist der Mensch?" war das Thema der Theologen und vor allem Theologinnen am vergangenen Wochenende in Berlin. Was zeichnet den Mann und was die Frau aus? Steht die Ordnung der Geschlechter unverrückbar fest? Dass die Bibel überwiegend "androzentrisch" - also patriarchal - ausgelegt wurde, meint auch Professor Anja Middelbeck-Varwick, Theologin und Mitveranstalterin der Tagung:

    " Was hat die theologische Tradition gemacht? Sie hat im wesentlichen in einer sehr androzentrischen Sicht über das Menschsein gesprochen und damit Probleme festgelegt. Und insofern ist es grundlegend notwendig, über Mensch als Mann und Frau ganz grundsätzlich nachzudenken."

    In Berlin wurde die Bibel gegen die Tradition gelesen. Die Wissenschaftler knüpften damit an die sogenannten "Gender-Forschungen" der Kulturwissenschaften an. "Gender", das meint ein vor allem sozial und kulturell bestimmtes Geschlecht, während "sex" die biologisch bestimmte Natur von Mann und Frau bezeichnet. Papst Benedikt kritisierte allerdings vergangenes Jahr die kulturwissenschaftliche These, dass Geschlechterrollen vor allem "gender", also soziokulturell bedingt seien. Mit solchen Theorien widersetze sich der Mensch der göttlichen Schöpfung, indem er versuche, sich und sein Geschlecht selbst zu erschaffen. Professor Rainer Kampling, Direktor des Seminars für Katholische Theologie an der FU Berlin:

    "Es gibt ja auch eine explizite Äußerung des Pontifex zu dem Thema. Er hat Gender-Theorien infrage gestellt, wobei er nicht gesagt hat, welche er meinte. Es ist nicht einzusehen, warum Ratzinger die Philosophien aufgenommen hat - seinen Sartre hat er ja auch gelesen. Warum jetzt auf einmal hier nicht, das erscheint mir bei seiner intellektuellen Biografie erstaunlich."

    "Und Gott schuf den Menschen als sein Bild: männlich und weiblich schuf er sie". Die biblische Schöpfungsgeschichte zeige klar, dass Gott die Menschen gleich geschaffen habe, so Irmtraud Fischer, Professorin für alttestamentliche Bibelwissenschaft an der Universität Graz. Die Unterwerfung der Frau unter den Mann sei dagegen nicht gottgewollt, sondern menschengemacht - weil der Mensch ungehorsam gegen Gott war.

    "Ich hab versucht die Spuren, die für eine Geschlechter-Fairness plädieren würden, zu heben und hab' versucht, Genesis 1 und 2 so auszulegen, dass ich sage, es ist das Geschlechterverhältnis nicht hierarchisch gewertet."

    Helga Kuhlmann wiederum, Professorin für Systematische Theologie an der Universität Paderborn, setzte sich mit der unterstellen Leib- und Sexualitätsfeindlichkeit des Christentums auseinander. Jesus sei schließlich "fleischgewordener" Sohn Gottes. Schon deshalb könne der "Leib" im Christentum nicht gering geschätzt werden. Und im Alten Testament finden sich Stellen wie "Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn seine Liebe ist lieblicher als Wein" - Lobpreisungen also männlicher wie auch weiblicher Erotik, die in den Auslegungstraditionen der Bibel lange unterdrückt wurden.

    "Zum Beispiel das Hohelied der Liebe ist ein Buch des weiblichen und männlichen Begehrens. Wie kommt das, dass im 19. Jahrhundert die Ideale so stark von Geistigkeit bestimmt sind? Man hat sich das Reich Gottes vorgestellt als ein Reich der Geister! Und erst im 20. Jahrhundert sind wir dazu gekommen, haben den Blick geöffnet für einen Eigenwert des Leiblichen, eine Leiblichkeit."

    Auch Gottes Aufforderung an die Menschen "Seid fruchtbar und mehret euch" hielt Alttestamentlerin Irmgard Fischer nicht für eine ausschließliche Legitimierung heterosexueller Sexualität im Dienst der Fortpflanzung. Selbst homosexuelle, lesbische Liebe sei mit der Bibel zu rechtfertigen. Denn das menschliche Begehren, so auch die Kölner Theologin Professor Saskia Wendel stehe weder im Dienst der Fortpflanzung, noch müsse es sich auf einen andersgeschlechtlichen Körper richten, sondern zur von Gott gewollten Freiheit des Menschen gehöre gerade die Freiheit, das eigene Begehren vielfältig, jenseits vorgefertigter Rollen, zu leben

    "Das ist natürlich nicht mehr streng katholisch, das wissen wir. Die katholische Tradition sagte, das unterliegt einem bestimmten Zweck, einem bestimmten Ziel. Und dieses Ziel ist die Fortpflanzung, und wenn die ausgeschaltet ist, dann: böse, böse. Aber das kann man ja hinterfragen, ob das noch immer der Weisheit letzter Schluss ist, das Begehren so an die Fortpflanzung zu koppeln."

    Mit solchen Thesen gerät man sicher an die Grenzen des innerhalb der katholischen Kirche Sagbaren. Ist also alles Kultur, statt göttlich gewollter Natur - wie radikale Gender-Forscherinnen behaupten? Lucia Scherzberg, Theologin an der Universität des Saarlandes wies allerdings zu Recht darauf hin, dass solche "kulturalistischen" Thesen gerade von Biologie und Neurowissenschaften wieder infrage gestellt werden, und dass es für eine "feministische Anthropologie" an der Zeit sei, sich auch damit auseinanderzusetzen:

    "Dass Körper auch ein Produkt der Naturgeschichte ist und nicht nur hergestellt ist durch Kultur. Selbst wenn ein Gegenstandsbereich sehr stark kulturell bestimmt ist, wie das im Fall von Geschlecht und Körperlichkeit ist, dann wird trotzdem die Körperlichkeit selbst nicht durch die Kultur erzeugt. Auch die Zweigeschlechtlichkeit hat eine genetische Basis. Die sexuelle Fortpflanzung und Zweigeschlechtlichkeit ist einfach ein Produkt der Evolution und genau diese Dinge sollten eine größere Rolle in der feministischen Anthropologie spielen."