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Unheilverkündendes Grollen

Geologie. - Der Merapi gehört zu den aktivsten Vulkanen der Welt und zeigt das gerade jetzt wieder. Beim letzten Ausbruch 1994 starben 66 Menschen. Die verheerendste Eruption ereignete sich 1930, als fast 1400 Menschen getötet wurden. Mit jedem Tag wird ein neuerlicher Ausbruch wahrscheinlicher. Forschern bietet der außergewöhnlich aktive Feuerberg neue Erkenntnisse. Die Wissenschaftsjournalistin Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Gerd Pasch.

18.05.2006
    Pasch: Frau Röhrlich, wann kommt der große Knall?

    Röhrlich: Es wird wohl nicht mehr ganz so lange dauern. Die Forscher sind auch alle schon vor Ort versammelt. Denn dieser Ausbruch ist für sie alle ein richtig großer Test, ob ihre Überwachungs- und Vorhersagemethoden so funktionieren, wie sie sich das gedacht haben.

    Pasch: Der Merapi gehört zu den am besten überwachten Vulkanen überhaupt. Wie stellen die Forscher das an?

    Röhrlich: Sie überwachen eigentlich alles Mögliche. Von der Erdbebentätigkeit, die zurzeit sehr hoch ist. Sie überwachen, ob sich die Hänge verändern, ob sich so Blasen bilden, weil Magma unten drunter aufsteigt. Sie überwachen die vulkanischen Gase, ob sich da die Zusammensetzung verändert. Die Magnetfelder, weil vor einem Ausbruch kleine Magnetfeldschwankungen zu messen sind, und auch die Temperatur, die steigt an. Es stehen also alle Zeichen auf Ausbruch. Die Frage ist nur: Wie stark wird dieser Ausbruch werden? Was kommt da jetzt wirklich?

    Pasch: Wie können das die Forscher messen?

    Röhrlich: Ja, den Ausbruch können sie erst in dem Moment messen, wenn er passiert. Sie sehen zwar zurzeit, dass sich wohl viel Energie angestaut hat. Es steht wohl zu befürchten, dass es eine schwere Gaswolkeneruption geben kann, aber der Merapi kann seine Leute auch überraschen, sprich es kann viel schwächer werden als erwartet.

    Pasch: Warum gibt es den in Indonesien und auf den Philippinen so viele aktive Vulkane?

    Röhrlich: Weil dieser Bereich zum zirkumpazifischen Feuergürtel gehört, zum Feuerring. Dort verschwindet die australische Platte im Erdinneren unter der eurasischen Platte. Das ist eine so genannte Subduktionszone, man kann sich das so vorstellen, wie ein nasses Handtuch, das über den Badewannenrand sinkt. Und über dieser so genannten Subduktionszone, wo die australische Platte ins Erdinnere zurückgeht, dort entstehen zum einen Vulkane wie der Merapi, und an den direkten Absinkstellen, wo es wirklich ins Erdinnere hineingeht, dort entstehen die schweren Erdbeben, die wir ja auch aus dieser Zone kennen.

    Pasch: Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Merapi-Ausbruch und beispielsweise dem Seebeben vom Weihnachtstag 2004?

    Röhrlich: Da sagen die Forscher nein. Zum einen ist es zu lange her. Und zum anderen ist diese Subduktionszone kein einzelner Strang, sondern sie besteht aus verschiedenen Ästen, die nicht unbedingt direkt zusammenhängen. Sie sind sogar, ja, weitgehend voneinander mechanisch unabhängig. Und der Merapi sitzt auf einem völlig anderen Segment der Störung als das Weihnachtsbeben von Sumatra. So dass da überhaupt kein direkter Zusammenhang besteht.

    Pasch: Wurde denn überhaupt schon einmal ein Zusammenhang zwischen Erdbeben und Vulkanausbrüchen nachgewiesen?

    Röhrlich: Ja, und zwar am 20. Mai 1960, das ist bislang der einzige Fall. Damals ereignete sich in Chile das bislang stärkste Erdbeben, das wir überhaupt kennen, und zwei Tage später brach dort ein nahe gelegener Vulkan aus, der Cordon.