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Uni an der Elbe

Fällt die Hamburger Universität der Abrissbirne zum Opfer und wird stattdessen ein neuer Campus am Wasser gebaut? Die Wissenschaftssenatorin der Hansestadt, Herlind Gundelach, lässt entsprechende Pläne prüfen. Noch ist nichts entschieden - aber die spektakuläre Idee wird schon jetzt äußerst kontrovers diskutiert.

Von Patric Seibel | 27.08.2008
    Der Herz der Hamburger Universität schlägt im Zentrum der Stadt. Im historischen Grindelviertel nahe dem Rothenbaum prägen Studierende und Lehrende der Geistes- und Naturwissenschaften das Bild. Hier befinden sich die Staatsbibliothek, das Audimax und die Zentralmensa. Doch viele Gebäude sind in schlechtem Zustand. Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach will die Uni jetzt umfassend sanieren.

    "Das Kurieren an Symptomen nützt nichts mehr - hier muss eine grundlegende Medizin her"

    Vier Alternativen lässt die Senatorin von Experten prüfen. Die spektakulärste: ein neuer Campus am Wasser. Auf dem Grasbrook, dort wo eigentlich das Hamburger Olympiastadion geplant war, könnte die Universität ihr neues Zuhause finden.

    Der Plan hat ein breites Echo ausgelöst- für die CDU-Politikerin keine Überraschung:

    "Ein Neubauplan hat immer den Reiz des Neuen, nämlich, man kann sich sozusagen auf die modernsten Erfordernisse einstellen und die Uni hat natürlich auch wandelnde Erfordernisse - auch in ihrem Raumplan. Und das wären Dinge, die man natürlich in einem Neubau problemloser regeln könnte. "

    Noch ist die Entscheidung nicht gefallen - alle vier Vorschläge werden bis zum kommenden Frühjahr geprüft. Die Senatorin selbst favorisiert offiziell keine Variante.
    Auf große Skepsis stößt der große Plan bei der Opposition. Dorothee Stapelfeld, Bildungsexpertin der SPD, sieht dringenden Renovierungsbedarf an einigen der in die Jahre gekommenen Gebäude. Den spektakulären Neubauplan an der Elbe hält sie für ein Ablenkungsmanöver.

    "Aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten der Stadt ist es durchaus eine Überlegung, zu sagen: Wir schieben das Problem erstmal. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis, und schieben das erstmal auf diese Ebene. Das wäre schlecht, wenn auf absehbar längere Zeit keine Entscheidungen für die Universität getroffen werden."

    Auch an der Uni selbst wird diskutiert. Präsidentin Monika Auweter-Kurz hat sich für die Elbvariante ausgesprochen. Aber es gibt auch ganz andere Stimmen. Der frühere Vizepräsident Jörg Hennig kam vor 40 Jahren an die Hamburger Uni. Der emeritierte Professor für Germanistik ist weiter in der Hochschulpolitik aktiv. Er hält den Plan einer Elbuniversität für eine Katastrophe:

    "Besucher von auswärts loben immer den Standort mitten in der Stadt. Dies ist ein großer Vorteil und dass man ernsthaft diesen Vorteil aufgibt, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen."

    Jörg Hennig verweist auf umfangreiche Bau- und Renovierungsmaßnahmen der letzten Jahre. Er plädiert für Fliesenleger- und Maurerkolonnen, und gegen Abrissbagger:

    "Politik lebt aber weitgehend von symbolischen Handlungen, und indem ich einen solchen grandiosen Neuentwurf mal eben in die Welt setze, ist das rein symbolisch und lenkt ab davon, dass hier sehr viel kleinteilige Arbeit zu machen ist."

    Für Jörg Hennig hat das Neubauprojekt auch eine wissenschaftspolitische Seite - er äußert einen Verdacht:

    "Das Ganze kann nur der Verunsicherung dienen. Es sei denn, es steckt etwas ganz anderes dahinter: Dass nämlich die Uni wie bereits vor einigen Jahren, wie der vorige Wissenschaftssenator das angefangen hat, weiter zerstückeln möchte. Dann kann man natürlich dahingehen und räumlich wichtige Teile der Uni ganz woanders hinlegen, um auch den alten Gedanken von Uni, dass man nämlich Zusammenhänge herstellt zwischen Geistes- und Naturwissenschaften und auch zwischen den Fächern, endgültig kaputtmacht."

    Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach lässt derweil ihre Experten prüfen und rechnen. Das Projekt "Uni an der Elbe" sieht sie schon jetzt als Erfolg:

    "Ich merke das dadurch, dass viele Reaktionen aus der Wirtschaft an mich herankommen: Endlich beschäftigen wir uns mal überhaupt in Hamburg mit der Uni. Deswegen glaube ich, dass diese Diskussion - egal zu welcher Lösung wir dann kommen - dazu beiträgt, dass die Hamburger sehr viel stärker wahrnehmen, dass sie eine Uni in ihrer Stadt haben - und das halte ich für ganz, ganz wichtig"