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Uni Göttingen eröffnet "Centre for Modern Indian Studies"

Indien soll in den nächsten Jahren zu erfolgreichsten Nationen in Wissenschaft und Wirtschaft aufsteigen. Die Indienforschung in Deutschland dagegen ging in den vergangenen Jahren eher zurück. Die Universität Göttingen stellt sich mit der Eröffnung eines Zentrums für moderne Indienforschung gegen den Trend.

Von Katja Siebert, NDR-Studio Göttingen | 26.11.2010
    Professor Dr. Ravi Ahuja:
    "Die deutschen Universitäten haben da ganz sicherlich den Bus verpasst – also das ist ziemlich klar."

    Indienforschung in Deutschland, das hieß bisher: Beschäftigung mit der Sprache, der Kultur und der Geschichte Indiens. In Göttingen soll es jetzt auch um die Gegenwart gehen. Professor Ahuja:

    "Unser Schwerpunkt ist sehr deutlich auf einem modernen Indien auf einer sozialwissenschaftlichen Perspektive auf dieses moderne Indien. Und auf der Verschränkung unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Perspektiven also sozialhistorischer, soziologischer, ethnologischer, wirtschaftswissenschaftlicher Perspektiven."

    Sechs, eventuell sieben Professoren sollen sich ab dem nächsten Jahr um diese Fachgebiete kümmern. Im Moment steckt das "Centre for Modern Indian Studies" noch in den Anfängen. Zwei Professoren sind schon da – und der Bachelorstudiengang "Interdisziplinäre Indienstudien" hat in diesem Wintersemester mit neun Studierenden begonnen. Im nächsten Jahr soll auch der Master-Studiengang starten. Der wird europaweit einmalig sein. Professor Ahuja:

    "Was ein völliges Novum ist, in dem Masterstudiengang, den wir hier anbieten, ist, das in dem voll integriert ein Semester an einer indischen Hochschule ist."

    Die Master-Studierenden werden "Modern Indian Studies" studieren – auf Englisch. Schließlich sollen Interessenten aus der ganzen Welt angesprochen werden. Sie beschäftigen sich dann intensiv mit der Entwicklung, Kultur und Gesellschaft Indiens. Ausgebildet werden sollen Indien-Experten, die nicht nur für die Wissenschaft interessant sind. Die Vizepräsidentin der Universität Göttingen, Professor Hiltraud Casper-Hehne:

    "Wir werden Experten ausbilden, die einmal natürlich in der Forschung arbeiten können, zum anderen aber auch auf den Arbeitsmarkt gehen, mit guten Indienkenntnissen, insofern ist das Interesse sicher auch der Wirtschaft daran vorhanden."

    Denn die indische Wirtschaft entwickelt sich stark. Auch wenn die Hälfte der Menschen auf dem Subkontinent in der Landwirtschaft arbeitet – in den Städten boomt es. Und dort wird für deutsche Firmen in Zukunft viel Geld zu verdienen sein. Da ist sich Professor Ahuja sicher:

    "Die Verbindungen zwischen Deutschland und Indien verändern sich ja massiv in den letzten Jahren. Sehr viel mehr deutsche Unternehmen investieren in Indien und stellen dabei fest, dass sie es da mit einem einigermaßen schwierigen Land zu tun haben. Also, dass man nicht so genau weiß, wie alles funktioniert, wie die eigenen Angestellten dort leben sollen, wie man mit dem Staat umgehen soll, wie man sich zu der Gesellschaft verhalten soll. Man stellt fest, dass man sehr wenig weiß, dass man zu wenig weiß und dass es schwer ist, qualifizierte Leute zu bekommen, die mehr darüber Bescheid wissen."

    Deutsche Wissenschaftler nach Indien bringen – das ist die eine Seite. Das Centre for Modern Indian Studies will aber auch Wissenschaftler aus Südasien an die Uni Göttingen holen. Schon jetzt gibt es gute Verbindungen nach Indien – zum Beispiel zur Partneruniversität in Pune – dort haben die Göttinger sogar eine Auslandsrepräsentanz. Insgesamt gibt es zurzeit 26 Kooperationsprojekte und einen regen Austausch. Vizepräsidentin Casper-Hehne:

    "Wir haben einen Studierenden-Austausch, vor drei Jahren hatten wir 45 Studierende aus Indien hier, jetzt sind es mittlerweile 70, wir haben Gastwissenschaftler hier, derzeit sind es circa 70, die hier vor Ort forschen ..."

    Und auch am Centre for Modern Indian Studies arbeiten Forscher aus Südasien und Deutschland gemeinsam. Ahmad Azhar ist aus Pakistan und einer von vier Doktoranden. Er forscht zu politischen Bewegungen im Indien der Kolonialzeit und findet, dass das neue Indien-Zentrum großartig ist:

    "Das Centre ist ein guter Ort für mich. Nicht nur, wegen der Verbindungen zu indischen Wissenschaftlern und Institutionen. Es ist ein ereignisreicher Ort – sehr dynamisch und die Wissenschaftler sind sehr gut."

    Auch das Land Niedersachsen ist von der Idee der modernen Indienforschung überzeugt – das Zentrum wird mit fünf Millionen Euro gefördert. Für Vizepräsidentin Casper Hehne genau der richtige Schritt:

    "Andere Bundesländer schließen diese Institute aus Kostengründen – wir machen eins auf und ich glaube, das ist der richtige Trend, in der man sich in einer globalen Welt auch richtig positionieren kann."