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Uni Göttingen will exzellent werden

Die Universität Göttingen hat sich in der 2. Runde der Exzellenz-Initiative um den Titel der Elite-Uni beworben. Das Geld will sie in international prestigeträchtige Projekte stecken. Nicht nur die Naturwissenschaften, auch die Geistes- und Sozialwissenschaften sollen gefördert werden. Ein Exzellenz-Cluster wurde schon in der 1. Runde bewilligt. Jetzt braucht die Uni noch den Zuschlag für eine Graduiertenschule und ihr Zukunftskonzept.

Von Elke Drewes | 16.10.2007
    "Wir haben hier einen Wellenleiter aufgebaut. Wellenleiter sind linsenlose Optiken für die Röntgenmikroskopie."

    Doktorand Sven Krüger arbeitet an der Entwicklung eines Röntgenmikroskops, das Zellen im Tausendstel Millimeterbereich durchleuchten soll. Der Versuch mit Röntgenstrahlen läuft hinter verschlossener Tür in einer Bleikammer.

    "Stellen Sie sich vor, Sie wollen in die Zelle reinzoomen, Sie wollen sehen, wie die Dna im Zellkern gepackt ist. Sie wollen sehen, wie die Proteine bei bestimmten Krankheiten klumpen. Also brauchen wir eine Erweiterung der heutigen Mikroskopie."

    Prof. Tim Salditt vom Institut für Röntgenphysik der Uni Göttingen ist Sprecher des Sonderforschungsbereiches "Abbildung auf der Nanometerskala", also im Tausendstel Millimeter Bereich.

    Eines Tages will er Filme über das Innenleben der Zelle zu drehen - mit ultraschnellen Röntgenblitzen. Mit Nachwuchsforschern will er die Röntgenmikroskopie revolutionieren, so wie der Göttinger Zukunftspreisträger Stefan Hell vom benachbarten Max Planck Institut für Biophysikalische Chemie bereits die Lichtmikroskopie revolutioniert hat. Durch seine Entdeckung können 3 dimensionale Bilder aus dem Inneren lebender Zellen gemacht werden.

    Mit dem Exzellenz-Cluster "Mikroskopie auf der Nanometer-Skala" war die Uni Göttingen schon in der ersten Runde erfolgreich und hat 33 Millionen Euro eingeworben.

    Aber nicht nur die Naturwissenschaften sollen profitieren. Auch die Geistes- und Sozialwissenschaften sind mit herausragenden Forschungsprojekten in das Zukunftskonzept integriert, sagt Unipräsident Kurt von Figura.

    "Eines zum Beispiel befasst sich mit der Armutsforschung in Entwicklungsländern, ein anderes befasst sich mit dem Sozialverhalten von Primaten: Mensch vesus Menschenaffe, da sind Sozialwissenschaftler und Wissenschaftler aus der Biologie, aus der Verhaltenforschung beteiligt."

    Für exzellente Geistes- und Sozialwissenschaftler ist ein historisches Gebäude vorgesehen: die ehemaligen Sternwarte, wo schon Carl Friedrich Gauss forschte. Der Kuppelbau wird zur Zeit noch aufwendig restauriert und soll dann Sitz des Lichtenberg-Kollegs werden, sagt Kolleg-Sprecherin und Germanistikprofessorin Simone Winko. Mit dem Geld aus der Exzellenzinitiative will sie hochrangige Wissenschaftler auch aus dem Ausland für ein Forschungsjahr nach Göttingen einladen.

    "Es ist ganz wichtig, dass man nicht denkt, die Göttinger kochen nur in ihrem eigenen Saft. So dass wir eine Strahlkraft in die Universität bekommen, die die Forschung hier in Göttingen auch deutlich beflügeln wird, davon sind wir sehr überzeugt."

    (Exzellente Nachwuchswissenschaftler will die Uni verstärkt im Ausland werben. Und zwar über Büros, Repräsentanzen, an 4 Universitäten in Asien und Amerika. Einige Forschungskooperationen haben schon eine lange Tradition, zum Beispiel mit der Universität von Kalifornien, mit mehren Unis in Südkorea und im chinesischen Nanjing. Neu ist eine Kooperation mit der indischen Universität in Pune, die ein ähnlich breites Fächerspektrum abdeckt wie die Uni Göttingen, sagt Unipräsident Kurt von Figura:

    "Pune gehört zu den angesehensten Universitäten in Indien, in den Rankings immer unter den ersten Fünf. Die Universität betreut über 500.000 Studierende, unglaublich aber auf mehrere Orte verteilt. Ich hoffe, dass auch Pune selbst attraktiv ist für viele Göttinger."

    Um den Zuschlag für das prestigeträchtige Zukunftskonzept in der Förderlinie III zu bekommen, muss die Uni noch mit mindestens einer Graduiertenschule punkten. Eingereicht hat sie zwei Konzepte: in dem Konzept "Terrestrische Ökosysteme" geht es um Wald- und Landwirtschaft sowie Tourismus und Naturschutz im globalen Wandel. Die andere Graduiertenschule will den Nachwuchs in den "Neurowissenschaften und molekularen Biowissenschaften" fördern.

    "Göttingen ist sicher ein hervorragendes Zentrum für die Neurowissenschaften und die letzen Gutachten haben uns bescheinigt: wenn man etwas vergleichbares finden möchte, dann muss man schon nach Stanford oder Harvard gehen."

    Die Hochschulleitung rechnet sich also gute Chancen aus. Aber wie ist die Stimmung an der Basis? Viele Studierenden sind skeptisch, ob sie von der Millionenförderung aus der Exzellenzinitiative profitieren.

    "Das wäre sicher gut für die Uni und die eigene Bewerbung, aber die Förderung kommt nicht da an, wo sie die Studenten brauchen. Die brauchen sie definitiv in der Lehre. Ich muss ehrlich sagen, ich bin natürlich stolz, wenn wir das kriegen würden, aber ich weiß nicht, ob das soviel Einfluss auf die Lehre hat.
    Es werden Professuren nicht neu besetzt, es werden Stellen gestrichen, weil das ganze Geld in die Forschung geht."
    Auch die Lehre soll sich verbessern, verspricht Unipräsident von Figura. Denn die Exzellenzinitiative setzt auf eine starke Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungsinstituten wie Max Planck und das Deutsche Primatenzentrum. Dort will man zusätzliche Professoren und Dozenten für die Lehre an der Universität gewinnen.