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Unichefin für einen Tag

Es geht darum wichtige Erfahrungen zu sammeln und das gleich als Boss eines großen Unternehmens. Das will die Aktion "Chef für einen Tag" des Magazins "Focus Money" erreichen. Rund 200 Schulklassen hatten sich beworben, um den Chefsessel in Unternehmen wie Edeka, Signal Iduna und Gardena zu besetzen.

Von Detlef Proges |
    Acht Schüler wurden in einem Casting ausgewählt. Darunter auch Anna Haarmann, Oberstufenschülerin am Mariengymnasium in Münster. Passend dazu suchte die Universität Münster als einzige Hochschule neben den Unternehmen eine neue Leitung für einen Tag. Den dortigen Posten der Unirektorin übernahm die 18-jährige gestern.

    Fotografen, Kameraleute und Radioreporter umlagern die Jung-Rektorin Anna Haarmann. Bei einer kleinen Feierstunde übergibt die 18-Jährige den Prorektoren der Universität ihre Ernennungsurkunden. Ein offizieller Akt mit Presse, Professoren und Prosecco – und mit etwas Nervosität.

    Anna Haarmann: "Frau Universitätsprofessorin Dr. Cornelia Denz sie werden hiermit gemäß §18 Absatz 3 des Hochschulgesetzes NRW zur Prorektorin für Internationales und Wissenschaftliches und (stockt) stopp, für Internationales und Wissenschaftliches der Westfälischen Wilhelms-Universtät Münster ernannt. Auch Ihnen herzlichen Glückwunsch und eine gute Zusammenarbeit."

    Prorektorin: "Danke schön. Ich freu mich auch auf die Zusammenarbeit."

    Eine Zusammenarbeit, die nur einen Tag lang dauert. Aber der hat es in sich. Früh morgens steht bereits der Dienstwagen der Universitätsrektorin vor der Haustür.

    Kaum an der Uni angekommen folgen ab acht Uhr Besprechungen und die wöchentliche Rektoratssitzung. Die Oberstufenschülerin Anna muss alleine die Konferenz leiten wie sonst die richtige Rektorin. Dafür bekommt sie einiges Lob der Professoren.

    Prorektorin: "Das war wirklich sehr professionell. Und hat die Tagesordnung festgestellt, erstmal erläutert, was abgesetzt wurde, welche Punkte neu kommen. Man wird ja nicht einfach so Rektorin, man muss ja schon Qualitäten mitbringen (Lachen) Sitzungsleitung gehört dazu. Ja."

    Smalltalk und Sektlaune werden dann plötzlich unterbrochen durch einen kleinen, von der Unileitung inszenierten Zwischenfall.

    "Wir wollten der neuen Rektorin unsere Aufwartung machen und direkt mit zwei Problemen konfrontieren, die uns hier im Moment in Münster beschäftigen."

    Vier Studenten, Vertreter des AStA platzen unangemeldet in die Feierstunde im Büro der Rektorin. Die 18-Jährige ist überrumpelt, meistert die Herausforderung aber äußerlich souverän. Mithilfe der persönlichen Referentin der Unirektorin.

    "Ich dürfte Sie noch einmal kurz rausbitten, wir sind hier gerade in einem ganz anderen Termin."

    Die Chefin für einen Tag stellt sich aber der Situation. Die Studentenvertreter fordern die Unileitung auf, etwas für wohnungssuchende Erstsemester zu tun. Und Nachwuchsrektorin Anna Haarmann antwortet diplomatisch:

    "Ich denke, dass die Uni sicher bereit ist, sich mit der Stadt und dem Studentenwerk auseinanderzusetzen und das möglichst zeitnah zu regeln, sodass die Erstsemesterstudenten dieses Jahr bei der Wohnungssuche unterstützt werden."

    Im Laufe des Nachmittags muss die Gymnasiastin aus Münster noch einen Professor ernennen und Interviews geben. Insgesamt etwa ein Dutzend tatsächliche, nicht gespielte Termine. Abends dann, nach etwa zehn Stunden Dienst beginnt der letzte, von etwa einem Dutzend Terminen. Anna Haarmann präsentiert ausländischen Studierenden die Universität Münster - auf Englisch:

    "Usually the Wilhelms University is among the five biggest Universities. Right now, we are the forth-largest university in Germany. Right now we have about 37.000 Students and over 50 percent of them are women."

    Im Publikum sitzen allerdings fast nur ihre Familie, Mitschülerinnen und Lehrer. Eine kleine Überraschungsabschlussfeier. Die eigentliche Rektorin der Uni Münster, Professorin Ursula Nelles, feiert mit und findet, dass die Schülerin im Chefinnensessel einiges gelernt hat:

    "Wenn sie es nicht schon wäre, wäre sie heute Abend stressresistent, schnelles Umschalten und ständig unter Beobachtung zu sein, das ist schon anstrengend."
    "Wie ich erwartet habe, tapfer. Ein paar Monate und dann hat sie den Stoff voll drauf."

    Anna will nach dem Abi im nächsten Jahr erst einmal BWL studieren. Der Tag als Schülerin im Chefinnensessel war eine gute Erfahrung, sagt sie. Auch wenn es manchmal stressig war:

    "Wo ich zwischendurch ins Straucheln gekommen bin, war, als nach der Feierstunde für die Prorektoren plötzlich die Asta reinkamen, fühlte ich mich in dem Moment ein wenig überfordert, weil ich mit den Themen wenig vertraut war; aber ansonsten an Aufhören war nicht zu denken."