Archiv


Unikliniken in NRW werden nicht verkauft

Soll ein Bundesland eigene Universitätskliniken betreiben oder dies lieber privaten Anbietern überlassen? Diese Frage galt es in Nordrhein-Westfalen zu entscheiden. Heute wurde bekanntgegeben, dass man auf die Privatisierung verzichtet. Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart will aber sicherstellen, dass sich die Kliniken in Zukunft "unternehmerischer verhalten können".

Moderation: Armin Himmelrath |
    Armin Himmelrath: Was kann der Staat und wovon sollte er vielleicht die Finger lassen? Die Antwort darauf kann sehr unterschiedlich ausfallen, zum Beispiel wenn es darum geht, ob ein Bundesland eigene Universitätskliniken unterhalten sollte, oder ob man das lieber privaten Anbietern überlässt. Hessen zum Beispiel hat sich für die Privatisierung in Marburg und Gießen entschieden. Das läuft nicht immer ganz reibungslos, und jetzt steht oder stand diese Entscheidung auch für Nordrhein-Westfalen an. Der zuständige Minister ist Andreas Pinkwart. Ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Machen Sie es selber, halten Sie die Universitätskliniken, die sechs, die es in Nordrhein-Westfalen gibt, oder privatisieren Sie?

    Andreas Pinkwart: Ja, wir schaffen nun in Nordrhein-Westfalen nach unseren Eckpunkten ein neues Hochschulmedizinrecht, das den Universitätsklinika als Anstalten des öffentlichen Rechts in Zukunft mehr Handlungsspielraum geben soll, ein Recht, das erlaubt, dass die Klinika sich unternehmerischer verhalten können, aber gleichzeitig sichergestellt ist, dass Nordrhein-Westfalen ein Land der medizinischen Spitzenforschung werden kann in Deutschland, und das ist das entscheidende Ziel, dem alle anderen Ziele nachgeordnet sind.

    Himmelrath: Das heißt, die Landesträgerschaft, die auch weiterhin besteht, die stellt sicher, dass eben diese Spitzenforschung möglich ist?

    Pinkwart: Ja, es ist ganz wichtig, dass die medizinischen Fakultäten gestärkt werden, und deswegen werden wir in Zukunft die staatlichen Mittel für Forschung und Lehre nicht mehr direkt an die Klinika geben, sondern an unsere Universitäten, an die Fakultäten für Medizin, und die können Sie dann an die Universitätsklinika geben, um dafür eben auch sicherstellen zu können, dass wir eine Spitzenforschung haben, eine hohe Qualität der Lehre und natürlich eine Patientenversorgung der Spitzenklasse.

    Himmelrath: Was wird sich dadurch konkret an den Klinika ändern?

    Pinkwart: Ja, es wird sich ändern, dass die Klinika zum einen, was ihre Forschungsexzellenz anbetrifft, im nationalen Vergleich eine vordere Position werden anstreben können. Sie sind gegenwärtig in vielen Bereichen durchaus im gehobenen Mittelfeld, aber sie sind eben noch nicht an der Spitze. Dort wollen wir sie hinführen, und zum anderen wollen wir durch wirtschaftlichere Strukturen erreichen, dass diese gute Forschung und Patientenversorgung auch dauerhaft finanzierbar bleibt.

    Himmelrath: Diese wirtschaftlicheren Strukturen, ist das zum Beispiel der Zusammenschluss oder das Zusammengehen der medizinischen Fakultäten etwa in Bochum und Duisburg-Essen?

    Pinkwart: Das dient insbesondere der Stärkung der Forschungsprofile dieserlei Kooperationen, wie sie die beiden Ruhruniversitäten planen und die von uns unterstützt werden und wofür wir auch rechtlich die Voraussetzungen schaffen wollen, damit es auch tatsächlich zu gemeinsamer Fakultätsgründung kommen kann.

    Himmelrath: Jetzt ist das, was Sie für Duisburg-Essen und Bochum kurz skizziert haben, ein solches Zusammengehen in einer Fakultät, ja Teil eines größeren Kooperationsprojektes, über das wir vielleicht auch mal kurz sprechen müssen, nämlich der Universitätsallianz Metropole Ruhr, gestern angekündigt, gestern beschlossen, das heißt, die Universitäten an der Ruhr gehen enger zusammen. Passt das in diesen Trend?

    Pinwart: Das passt in den Trend insoweit, als es dort eben von den Hochschulen auch selbst gewollt ist, und das freut mich natürlich hier als Innovations- und Wissenschaftsminister ganz besonders, dass unser Hochschulfreiheitsgesetz, das mit Jahresbeginn in Kraft getreten ist, nicht nur den Hochschulen neue Freiheiten gibt, sondern dass die Hochschulen diese neue Freiheit auch verantwortlich nutzen, um aus eigenem Antrieb selbst besser werden zu können, und das ist jetzt mit dieser Universitätsallianz möglich. Die Hochschulen haben ja Globalbudgets bei uns bekommen in Nordrhein-Westfalen und können diese Globalbudgets eben selbst zum Zweck einer möglichst wirksamen Forschung und Lehre einsetzen. Sie können also Effizienzgewinne durch Kooperation nutzen, um noch besser zu werden.

    Himmelrath: Jetzt gibt es einige Studierende, die das offenbar skeptisch sehen. Wir haben da heute Morgen mal hingehört:

    " Wir haben Angst, dass es in Zukunft auch dazu kommen wird, dass wir massiv pendeln müssen zwischen Dortmund, Bochum, Duisburg und Essen, und natürlich auch dass gewisse Fächer irgendwo abgebaut werden, das heißt, dass man vielleicht auch Fächer, die nicht unbedingt allzu ertragsreich sind, Geisteswissenschaften und so, möglicherweise auslagert, reduziert oder ganz streicht.

    Und das im Zusammenhang mit der Einführung von Studiengebühren ist natürlich eine absolute Dreistigkeit, weil uns wurde jetzt anderthalb Jahre versprochen, dass sich die Studienbedingungen verbessern, und dann wird uns erzählt, okay, wenn ihr einen weiterführenden Abschluss wie einen Master machen wollt, dann müsst ihr halt vielleicht zwischen den Städten pendeln. "

    Wie realistisch, Herr Pinkwart, sind diese Befürchtungen der Studierenden?

    Pinkwart: Die Rektoren haben gestern in ihrer gemeinsamen Pressekonferenz deutlich gemacht, dass solcherlei Befürchtungen wirklich absolut unbegründet sind. Das Gegenteil ist richtig. Die Hochschulen werden ihr Angebot noch verbreitern können, gerade im Bereich der Masterstudiengänge werden die Angebote noch verbreitert werden, die Qualität erhöht, und die Studierenden haben insoweit, wenn sie demnächst an der Universitätsallianz Ruhr studieren, einen doppelten Nutzen: Sie haben eine hochleistungsfähige Universität, an der sie sich einschreiben, und sie können die Angebote der benachbarten Universitäten mit nutzen. Sie können auch den gesamten E-Campus, also alles das, was auch an elektronischen Dienstleistungen zur Verfügung gestellt wird, von drei Universitäten dann mit einem Studienbeitrag in Anspruch nehmen. Das heißt, für die Studenten wird es ein Mehr geben an Leistungen und eine höhere Attraktivität des Studienstandortes insgesamt.

    Himmelrath: Vielen Dank für das Gespräch.