Samstag, 20. April 2024

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Union bei Reformen kooperationsbereit

Elke Durak: Die SPD, sie kämpft um das politische Überleben ihrer Regierung. Der Bundeskanzler, er habe sich selbst entmachtet, zur Hälfte jedenfalls, und damit sei der Anfang vom Ende gemacht. So interpretiert es selbstverständlich die Opposition in CDU und CSU, das was sich am Freitag getan hat. Inzwischen fordern auch CSU-Chef Stoiber und die CDU-Chefin Angela Merkel Neuwahlen. Bei den gegenwärtigen Umfragewerten sollte es doch eigentlich ein Leichtes für die Schwesterparteien CDU und CSU sein, die Regierung zu übernehmen. Oder doch nicht? - Ich frage also Michael Glos, den CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, jetzt in Berlin. Schönen guten Morgen erst einmal Herr Glos!

09.02.2004
    Michael Glos: Guten Morgen!

    Durak: Sollte die Opposition, Herr Glos, nicht alles tun, um Neuwahlen herbeizuführen? Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende?

    Glos: Wir brauchen das vor allen Dingen, damit wieder mehr Vertrauen im Land entsteht. Wenn jetzt der Kanzler halbiert worden ist, dann ist das nichts, was die Menschen optimistischer macht. Das Problem ist der Pessimismus im Land. Das Problem ist, dass die Regierung auf vielen Gebieten die Erwartungen nicht erfüllt und dass die Menschen enttäuscht sind.

    Durak: Und wie wollen Sie das nun anstellen?

    Glos: Wir können von uns aus die Neuwahlen nicht herbeiführen. Wir können nur dann handeln, wenn die Regierung die Konsequenzen aus den schlechten Umfrageergebnissen und auch aus der mangelnden inneren Kraft zieht und wenn Sie sagen das beste für das Land ist, wenn wir das Mandat an die Wähler zurückgeben. Wir selbst können nur immer darauf hinweisen. Wir können vor allen Dingen aber in diesem Jahr natürlich die Menschen auffordern, dass sie bei den Wahlen, die anstehen - und es sind 14 Wahlen -, auch ihren Unmut nach Berlin schicken. Deswegen werden die Wahlen in diesem Jahr, egal ob es Landtagswahlen, Kommunalwahlen oder Europawahlen sind, natürlich jede einzelne Wahl, eine Abstimmung über die SPD und über rot/grün sein.

    Durak: Nur wird der Kanzler nicht über Kommunalwahlen stürzen, Herr Glos. Es sind ja schon ganz andere Regierungen derartig in die Ecke gedrängt worden von der Opposition, dass sie haben aufgeben müssen, indem man blockiert. Die CDU und die CSU, sie haben ja die Möglichkeit, die Reformprojekte, die jetzt noch, wie wir immer so schön sagen, in der Pipeline sind, die also noch laufen, zu blockieren bis zum geht nicht mehr. Würden Sie das tun?

    Glos: Es ist vor allen Dingen so: der Bundeskanzler wird über sich und seine Partei stolpern. Und wenn Sie vor einer Woche gesagt hätten, rechnen sie damit, dass Schröder rasch zurücktritt als Parteivorsitzender, hätte das sicher auch niemand erwartet. Wir werden aber, um zu Ihrer Frage noch mal zurückzukommen, nicht blockieren - warum sollten wir es tun, zum Schaden des eigenen Landes -, sondern wir werden konstruktive Vorschläge machen, so wie wir es getan haben im letzten Vermittlungsverfahren und wir sind dabei, ein neues Steuerkonzept auf den Tisch zu legen. Wir haben unsere Vorstellungen zur Rente und zu anderen wichtigen Bereichen geäußert und ich finde das ist die Rolle einer Opposition.

    Durak: Sie könnten aber auch dennoch blockieren, Herr Glos, um schnell ein Ende herbeizuführen, um dann schnell Ihre Projekte, sofern Sie sie haben, durchzusetzen?

    Glos: Wir werden nichts tun, was zum Schaden unseres Landes ist, und nichts ist schlimmer als Stillstand. Ich befürchte, dass der Stillstand, den die Regierung die ganze Zeit durch eine zögerliche Politik, durch eine Politik des Hü und Hott, durch eine Politik, die jede Regierungsentscheidung erst Regionalparteitagen vorlegen musste, dazu führt, dass dies jetzt noch langsamer geht und dass die Wettbewerber um uns herum, die die Arbeitsplätze an sich ziehen, die aus Deutschland abwandern, dass sich dieses Missverhältnis noch mal zu Lasten Deutschlands verstärkt. Wir werden - ich sage es noch einmal - künstlich dazu nichts beitragen, sondern im Gegenteil: wir wollen die Regierung treiben und wir möchten eigentlich das Reformtempo verschärfen.

    Durak: Man hat eher den Eindruck Sie warten darauf, dass ein anderer diese Arbeit tut, nämlich der Kanzler selbst?

    Glos: Damit kann man möglicherweise auch oder muss man vielleicht sogar rechnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mehr Erfolg hat, wenn er jetzt bei allen Entscheidungen Müntefering direkt fragen muss. Müntefering war jetzt schon ein sehr starker Mann in der Partei, Fraktionsvorsitzender, ehemaliger Bundesgeschäftsführer, beliebt in der Partei, und er hat ja jetzt schon versucht, die schröderschen Reformen der Basis näher zu bringen. Es ist ihm nicht gelungen. Warum das jetzt besser gelingen soll, wenn er jetzt auch noch Parteivorsitzender ist, das kann ich nicht sehen.

    Durak: Das können wir ja auch der SPD überlassen, Herr Glos. Gucken wir in die Union hinein, in beide Parteien. Ihr Vorsitzender, der CSU-Vorsitzende Stoiber hat - so kann man es sehen - die politische Initiative innerhalb der Union übernommen und für den 7. März - das war ja das eigentliche Datum für ein CDU/CSU-Steuerkonzept - ein wie er sagt klares Alternativprogramm zum Regierungsprogramm gefordert und eigentlich auch angekündigt. Herr Glos, so schnell ein Alternativprogramm, an dem es bisher gefehlt hat? Wie soll es gehen?

    Glos: Das war eine Verabredung, die wir sehr gelange getroffen haben. Da ist eine Sitzung, die die beiden Präsidien von CDU und CSU vereinigt, und insofern ist das auch nicht überraschend. Vor allen Dingen müssen wir jetzt uns noch klarer konturieren, weil die Zeit, die möglicherweise uns die Regierungsübernahme bringt, jetzt doch schneller zu laufen scheint, als wir es selbst noch vor einem halben Jahr geglaubt haben.

    Durak: Der Termin bezog sich ja bisher nur auf das Steuerkonzept. Herr Stoiber sagt, es sollen die ganzen Staatsfinanzen umorganisiert werden. Dafür will er ein Alternativprogramm hinlegen. Den Arbeitsmarkt will er reformieren, Technologie, Bildungspolitik, Sozialpolitik, also ein echtes Alternativregierungsprogramm hat er angekündigt. Verspricht er da zu viel?

    Glos: Das haben wir ja auch vorgelegt bei der Bundestagswahl und wir sind ständig dabei, das zu aktualisieren, auf die ich will nicht sagen noch schlimmeren Verhältnisse einzurichten, die wir in dem Maß auch nicht erwartet haben, die aber entstanden sind durch das mangelnde Handeln von rot/grün. Insofern brauchen wir nicht etwas Neues zu erfinden, sondern nur unser Regierungsprogramm, das wir vor der Wahl intensiv erarbeitet haben, immer wieder aktualisieren.

    Durak: Hat die Union nun wieder ein Problem mit der K-Frage? Aus Bayern, auch von Ihnen und anderen war zu hören, bei Neuwahlen müsste, könnte Stoiber Kanzler werden. Wie sind Sie denn darauf gekommen, dass es nun doch Stoiber sein soll?

    Glos: Ich finde unser Land hat andere Sorgen, als ständig personell zu spekulieren, wer im Fall des Falles und so weiter. Wenn der Fall kommt, dann werden wir sehr schnell handlungsfähig sein, aber es ist sehr viel wichtiger, über Sachpolitik bei den Wählerinnen und Wählern zu punkten, als sich jetzt Gedanken zu machen, wer das Banner trägt. Wir haben ausgezeichnete Spitzenleute. Das gute Wahlergebnis, das uns ja fast bis zur Mehrheit gebracht hat, ist von CDU und CSU durch eine starke Gemeinsamkeit erreicht worden: durch Edmund Stoiber als Kanzlerkandidat und durch Angela Merkel, die als ganz starke Parteivorsitzende mitgekämpft hat. In einer Konstellation, welcher Name jetzt an erster und welcher Name an zweiter Stelle steht, das spielt keine Rolle, aber durch den Zusammenhalt von CDU und CSU werden wir auch gut in die Zukunft marschieren.

    Durak: Herr Glos, Sie wissen ja auch, dass mündige Bürger sich ungern vorschreiben lassen, wann sie worüber nachzudenken haben, und wenn es denn bald doch Neuwahlen geben sollte oder einen Regierungswechsel wie auch immer, ist doch schon interessiert, daran zu wissen, wer demnächst Kanzler werden sollte. Insofern diese Zurückhaltung mag parteipolitisch taktisch sein, aber viele Bürger würden es gern wissen.

    Glos: Wissen Sie, wenn es so weit ist, wenn der Wahltermin bekannt wird, dann werden wir blitzschnell das miteinander lösen.

    Durak: Welchen Kanzler verdient denn dieses Land? Wie sollte er beschaffen sein?

    Glos: Wir brauchen eine handlungsfähige Persönlichkeit, eine starke Frau oder einen starken Mann, der vor allen Dingen das Team hinter sich weiß und der vor allen Dingen auch eine Anhängerschaft, eine Wählerschaft hat, die reformüberzeugt ist und die vor allen Dingen im Regierungshandeln dann Licht am Ende des Tunnels erkennt. Die Bevölkerung in Deutschland, das deutsche Volk ist das Weiterwursteln satt. Deswegen brauchen wir eine handlungsfähige Regierung.

    Durak: Also der Ruf aus Bayern, den wir übers Wochenende lesen konnten, Stoiber soll es machen, das war eher bayerischer Lokalpatriotismus?

    Glos: Nehmen Sie es wie Sie wollen!

    Durak: Danke schön! - Das war Michael Glos, der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag.