Söder: Guten Morgen, hallo!
Müller: Herr Söder, verraten Sie uns doch, wer den Streit in der Union angezettelt hat?
Söder: Nun es gibt keinen Streit in der Union. Es gibt eine Diskussion darüber, wann wir endlich in Deutschland ein besseres und vereinfachtes Steuersystem bekommen. Wenn ich den Bericht von vorhin noch einmal nehme liegt es ja nun wirklich nicht an der Union, sondern es liegt an der Bundesregierung, die in diesem Land regiert und auch einen Haufen Geld dafür verdient, dass sie regiert. Sie muss nun auch einen Gesetzentwurf vorlegen. Es ist ja nicht die Sache der Union. Wir haben uns in der CDU/CSU insgesamt in der Diskussion auf einen Fahrplan geeinigt und wir werden sehr, sehr bald ein gemeinsames Steuerkonzept haben.
Müller: Das heißt die Union, obwohl wir das eben gehört haben, dieses beschriebene Chaos, dieser beschriebene vielstimmige Kanon, weiß was sie will?
Söder: Ja, ganz sicher. Ich halte es auch für einen falschen Standpunkt, der da vorhin vertreten wurde - jedenfalls ist es nicht meiner -, denn wir als CDU/CSU bewegen uns ja sehr stark aufeinander zu: sowohl in der Einschätzung, um welche Entlastung es gehen kann, 10 bis 15 Milliarden, auch in der Frage, wie solide gerechnet das ist, und in den Grundprinzipien. Insofern glaube ich bin ich dort sehr optimistisch, dass wir in der Union zu einem Ergebnis kommen. Leider liegt dagegen überhaupt nichts von rot/grün vor. Wenn Sie sich die Diskussionen angucken, da gibt es keinen einzigen Diskussionsvorschlag. Das ist eigentlich ärmlich.
Müller: Herr Söder, wir wollen ja über die Union reden. Jetzt sagen Sie, es gibt eine Annäherung. Das scheint auch so zu sein. Aber gehen wir von der Ausgangsposition aus, die immerhin noch vor zehn Tagen aktuell war. 24 Millionen Euro soll die Nettoentlastung auf Vorschlag der CDU betragen. Sie sagen 15 Milliarden. Das klafft erheblich auseinander. Wer hat da falsch gerechnet?
Söder: Wir haben vor allem erst einmal im bayerischen Finanzministerium gerechnet. Die ersten Ansätze waren ja Leitprinzipien, die bei der CDU ermittelt worden sind. Wir haben hier nachgerechnet. Wir haben in unserem Steuerkonzept immer gesagt, es muss sehr solide gerechnet sein und es muss auch in allen Bereichen geprüft werden, ob man tatsächlich alle Bereich besteuern bzw. Subventionen streichen kann. Denken Sie an Kindergeld, Sozialhilfe und andere Fragen, die ja wohl niemand wirklich ernsthaft besteuern will. Insofern ist unser Konzept immer von Anfang an realistischer gewesen und wir freuen uns natürlich, dass wir uns aufeinander zubewegen und dass die Einsicht wächst, dass solide gerechnet werden muss.
Müller: Demnach ist Friedrich Merz, der das CDU-Konzept entwickelt hat, kein guter Finanzpolitiker?
Söder: Ganz im Gegenteil. Er ist ein ganz großer Finanzpolitiker.
Müller: Aber er hat sich verrechnet?
Söder: Er hat sich nicht verrechnet, weil er keine Leitlinien präsentieren konnte, die bis ins letzte Detail durchgerechnet waren. Das war gar nicht der Anspruch; das war der Anspruch, den wir gestellt haben. Jetzt bewegen wir uns halt punktuell aufeinander zu und ich bin ganz sicher, dass wir spätestens am 7. März ein Konzept haben. Das Problem ist: das reicht ja noch nicht, wenn die Union eine gemeinsame Linie hat. Von der Bundesregierung kommt überhaupt nichts und wir haben nicht so viel Zeit, in Deutschland darauf zu warten, bis sich die Herren endlich bequemen.
Müller: Die Bundesregierung, Herr Söder, sagt aber, oh, wir sind überrascht, dass die Union und gerade auch die CSU plötzlich bereit ist, Subventionen abzubauen.
Söder: Das waren wir immer! Ich bin leider nicht überrascht davon, dass von der Bundesregierung nichts kommt, denn bis auf den heutigen Tag ist außer einigen Ankündigungen, die vor Weihnachten passiert sind, überhaupt nichts geschehen. Dabei haben wir gerade in diesem Jahr ab dem 1. Mai diesen Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten und dadurch einen verschärften Steuerwettbewerb in Europa. Also sich zurückzulehnen und die ruhige Hand wieder einmal einzuführen, wie das der Bundeskanzler in der Frage tut, ist sicher der falsche Weg.
Müller: Also wenn die Medien das richtig verstanden haben, um beim Thema Subventionsabbau zu bleiben, dann hat die Union im Vermittlungsausschuss vor Weihnachten weitere Subventionsstreichungen blockiert.
Söder: Genau das Gegenteil ist der Fall. Die SPD hat sich ja seit Mitte letzten Jahres in keiner Frage der Entscheidungen in Deutschland entscheidend voranbewegt. Sie beharrte ja immer auf Positionen. Gott sei Dank konnten wir dann einiges erreichen, einiges durchbringen. Wir haben ja auf der Ebene der Koch-Steinbrück-Papiere schon etliches vorgeschlagen. Wir sind auch zu vielen anderen Fragen bereit, allerdings natürlich immer im vernünftig ausgewogenen Konzept. So ist zum Beispiel die Pendlerpauschale eine ganz wichtige Mobilitätshilfe auf dem Arbeitsmarkt und nicht etwa eine Subvention. Insofern denke ich sind das aber Detailfragen. Die Grundrichtung muss stimmen. Die tut es in der Union und die ist bei der SPD leider nicht erkennbar.
Müller: Nun ist es gerade bei dem Thema ja unter anderem auch gescheitert bzw. da hat man keinen Kompromiss gefunden. Bei Pendlerpauschale und Eigenheimzulage wollte die Bundesregierung mehr und unter anderem die CSU hat gesagt nein. Verändert sich jetzt diese Haltung?
Söder: In diese Richtung kann man nicht diskutieren, weil das war natürlich falsch, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat. Sie hat das einseitig gemacht und sie hat natürlich die Dinge falsch gewichtet. Wir brauchen jetzt zunächst einmal einen echten Vorschlag für eine große Steuerreform. Wir machen ja dazu wirklich Angebote. Das Problem ist: man kann nun nicht von der Opposition erwarten, dass sie einen bis ins Detail ausformulierten Gesetzesvorschlag macht. Das machen die, die regieren. Dafür sind sie im Amt. Wenn sie das nicht mehr wollen, dann müssen sie jetzt sofort zurücktreten. Dann kann die Union die Aufgabe sofort übernehmen.
Müller: Das sagen Sie, Herr Söder, aber auf der anderen Seite gibt es ja auch noch den Bundesrat. Dort hat die Union die Mehrheit. Der Bundesrat wird ja häufig auch initiativ. Warum nutzen Sie nicht die Möglichkeit?
Söder: Weil die Bundesregierung in der Steuergesetzgebung zunächst mal wie übrigens in der gesamten Debatte auch im letzten Jahr in der Vorderhand ist. Dafür haben wir eine Regierung für Deutschland. Wenn sie der Auffassung wäre, wir bräuchten die nicht mehr - ich glaube auch, dass die es nicht kann, die jetzt dran ist -, dann müsste man tatsächlich das Ding umdrehen und dann müssten die Leute zurücktreten. Solange das aber nicht der Fall ist, muss die Bundesregierung einen Vorschlag machen, zumal sie es auch angekündigt hat. Also wir warten darauf!
Müller: Trotzdem sind ja viele Bürger überrascht, die sich jetzt fragen, dieses Steuerthema und auch eben die Strukturreform, die ist seit Monaten, wenn nicht sogar seit Jahren auf der Agenda. Es hat immer wieder Konzepte gegeben. Warum dauert das jetzt so lange, sich innerhalb der Union zu einigen?
Söder: Wenn ich mir insgesamt die Debatte anschaue über die 20, 30 Jahre, wo über die deutschen Steuerreformen diskutiert wird, finde ich die Zeitspanne von zwei Monaten, in denen wir unsere Entscheidungen gemeinsam treffen, eine vergleichsweise wahnsinnig kurze Zeit. Was ich dagegen viel länger finde ist die Zeit, in der in der SPD die Diskussion über Steuern beginnt.
Müller: 15 Milliarden, um darauf noch einmal zurückzukommen, Herr Söder, das ist die vorgeschlagene Nettoentlastung der CSU. Bevor wir jetzt fragen, die Zahl können Sie bestätigen?
Söder: Es kommt ja auf die Einzelbereiche an und auf was man sich einigt. Zwischen 10 und 15 Milliarden sind ja genannt worden, je nachdem welche Möglichkeiten man hat. Es kommt jetzt genau darauf an, welchen der Bereiche man macht. Wir diskutieren jetzt noch die Tarife, die wir gemeinsam verhandeln und entscheiden wollen. Wir diskutieren über Einzelelemente. Aber mehr als zwischen 10 und 15 Milliarden ist sicherlich nicht zu erwarten.
Müller: OK. Dann bleiben wir bei den 10 bis 15 Milliarden. Wo liegt beim derzeitigen Zeitpunkt der Streichungskürzungsvorschlag der CSU?
Söder: Wir haben eine Reihe von Gesprächsbereitschaft signalisiert. Wir werden auch bei etlichen Bereichen des Subventionsabbaus miteinander darüber reden.
Müller: Welche Bereiche sind das?
Söder: Das muss seriös miteinander diskutiert werden, aber zunächst einmal muss man sich auf die Tarife einigen, weil bei den Tarifen ergeben sich dann auch die ganzen Fragen, welche Bereiche man dann zur Gegenkompensation braucht. Das werden wir jetzt gemeinsam in den nächsten Wochen machen. Dem möchte ich nicht vorgreifen. Es ist doch leider so, dass wir aufpassen müssen, dass wir bei der Diskussion um das Detail nicht die Gesamtrichtung verlieren, und die fordern wir ja auch von rot/grün ein.
Müller: Das heißt aber, Herr Söder, Sie haben ein Konzept. Sie sagen 10 bis 15 Milliarden wie auch immer jetzt im Detail werden eingespart. Sie wissen aber, obwohl das Konzept vorliegt, jetzt noch nicht, wo gespart wird?
Söder: Wir wissen es bei unserem Konzept, aber wir müssen uns zunächst einmal mit der CDU auf eine Linie einigen. Es erfordert auch die Seriosität und Sachlichkeit, dass wir jetzt den Gesprächen der Fachpolitiker nicht vorgreifen. Die setzen sich dieser Tage zusammen, um das zu klären, und spätestens am 7. März gibt es eine gemeinsame Richtung.
Müller: Da gibt es jetzt noch eine Diskrepanz in der Union zwischen Stufenmodell auf der einen Seite und einem linear-progressiven Verlauf, den wir derzeit ja auch haben, wenn es dort auch um andere Einstiegstarife geht. Wie kann man dieses Problem denn lösen?
Söder: Nun wir werden uns letztlich auch dort einigen müssen. Wir als CSU haben ja den linear-progressiven Tarif bevorzugt, weil er letztlich eine etwas gerechtere Entwicklung hat und weil er in der Frage der finanziellen Wirkungen etwas anders ist. Da spüre ich auch Bewegungen der CDU. Jetzt müssen die Fachleute eben klären, wie weit wir das miteinander verzahnen können. Es bleibt zunächst mal für den Generalsekretär dabei, dass wir in den nächsten Wochen versuchen, auf der Fachebene das zu klären und dann eine politische Entscheidung am 7. März haben.
Müller: Das heißt also heute betrachtet und bewertet sagt die CSU, das CDU-Konzept ist sozial ungerecht?
Söder: Das ist jetzt Ihre Bewertung, aber das ist nicht die Bewertung, die ich gesagt habe.
Müller: Aber Ihr Konzept ist sozial gerechter?
Söder: Wir haben jetzt erst einmal ein Konzept vorgestellt und wir werden uns jetzt mit der CDU darauf einigen. Das sozial Ungerechteste in Deutschland ist, dass die SPD leider gar kein Konzept hat.
Müller: CSU-Generalsekretär Marcus Söder war das. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
