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Union und FDP wollen Ländern bei Bildung unter die Arme greifen

Der bildungspolitische Sprecher der CSU sieht das Land auf einem guten Bildungsweg - dennoch gibt es aus Albert Rupprechts Sicht Defizite. Heute wird der Bildungsbericht 2010 im Bundestag debattiert - dabei wird auch die strikte Trennung der Bildungsförderung zwischen Bund und Ländern Thema sein.

    Tobias Armbrüster: Die Bundesrepublik steht bildungspolitisch vor einigen Herausforderungen. Zahlreiche Studien haben in den vergangenen zehn Jahren gezeigt, dass das Schul- und Ausbildungswesen im internationalen Vergleich manchmal hinterherhinkt. Gleichzeitig ist abzusehen, dass Deutschland in Zukunft mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen haben wird. Am besten ließe sich der beheben, wenn man die Ausbildung vor allem an den Universitäten verbessert und ausweitet. Um die Entwicklung in all diesen Bereichen zu überprüfen, veröffentlicht die Bundesregierung alle zwei Jahre einen sogenannten Bildungsbericht. Der aktuelle Bericht, der von 2010, wird heute Vormittag im Bundestag debattiert.
    Mitgehört hat Albert Rupprecht, der bildungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Rupprecht.

    Albert Rupprecht: Guten Morgen!

    Armbrüster: Herr Rupprecht, dieser Bericht wurde schon im vergangenen Juni veröffentlicht. Warum wird er erst jetzt, ein halbes Jahr später, im Bundestag besprochen?

    Rupprecht: Er wurde natürlich bei uns in den Gremien in den letzten Monaten intensiv besprochen. Das ist ja heute nur der Abschluss, sozusagen die Debatte mit den Ergebnissen, mit den Schlussfolgerungen, die wir nach außen noch mal in der Öffentlichkeit darstellen, in Form einer Plenardebatte. Aber inhaltlich wurde er natürlich schon intensivst in den letzten Monaten behandelt.

    Armbrüster: Oder zeigt sich hier vielleicht, dass das Thema Bildung einen nicht mehr ganz so hohen Stellenwert in der Bundespolitik genießt?

    Rupprecht: In keinster Weise, ganz im Gegenteil. Sie wissen ja vielleicht, dass wir im Bereich Bildung und Forschung absolute Priorität setzen in dieser Regierung. Das heißt, das ist ein wichtiger Bereich, der trotz der Notwendigkeit der Schuldenbremse, 80 Milliarden zu sparen, insgesamt 12 Milliarden mehr ausgeben darf in dieser Legislatur, und das ist unumstritten in der Unions-Fraktion und in der Regierung.

    Armbrüster: Es ist gerade im Bericht angesprochen worden: Eigentlich wäre noch mehr Geld nötig, unter anderem im Krippenausbau. Der steigt zwar weiter an, heißt es im Bildungsbericht, allerdings sind wir immer noch weit entfernt vom Ziel der Kitaplatz-Garantie. Die soll ja ab 2013 erfüllt werden. Das ist nicht mehr so lange hin. Ist es langsam an der Zeit einzugestehen, dass wir dieses Ziel Kitaplatz-Garantie für Unter-Drei-Jährige nicht mehr erreichen?

    Rupprecht: Zunächst ist festzuhalten, dass wir natürlich Riesenerfolge erzielt haben in den letzten drei Jahren. Wir haben eine Steigerung um 170 Prozent, das ist eine außerordentliche Verbesserung. Nichtsdestotrotz bleibt das angestrebte Ziel, das 35 Prozent-Ziel, und ich bin der Meinung, dass es in keinster Weise angemessen ist, davon abzuweichen, sondern wir müssen an dem Ziel weiterhin festhalten und alle müssen sich anstrengen.

    Armbrüster: Woher nehmen Sie denn diesen Optimismus? Es fehlen ja Hunderttausende von Plätzen.

    Rupprecht: Ja! Ich nehme den Optimismus einfach daher, dass wir in den letzten Jahren die Kraft hatten zu massiven Steigerungen. Ich wiederhole noch mal die Zahl: 170 Prozent. Das ist ja eine dramatisch positive Entwicklung. Und dass wir das Ziel vereinbart haben, und deswegen muss sich jeder anstrengen. Und zur finanziellen Ausstattung noch mal: Ich glaube, natürlich muss da jeder seine Verantwortung übernehmen. Vonseiten des Bundes – und ich kann ja nur als Bundespolitiker für die Bundespolitik Verantwortung mit übernehmen – ist unsere Unterstützung in vielen Bereichen der Bildungspolitik massiv. Wir sind mit zusätzlichen Mitteln in vielen Bereichen unterwegs, das eigentlich gar nicht originär die Bundesaufgabe wäre, sondern Länder- oder kommunale Aufgabe ist. Nichtsdestotrotz, wir sind der Meinung, auf dem Weg zur Bildungsrepublik Deutschland, diese gemeinsame Anstrengung, wollen wir die Kommunen und die Länder unterstützen, und deswegen machen wir das.

    Armbrüster: Wenn wir da mal kurz bei der Bundespolitik bleiben. Ihr Koalitionspartner in Berlin, die FDP, hat in dieser Woche gefordert, dass der Bund mehr Einfluss in der Bildungspolitik haben soll. Bildungspolitik soll nicht mehr allein Ländersache sein. Die Bundesregierung, heißt es da, solle zum Beispiel auch in der Lage sein, Schulen direkt finanziell zu unterstützen. Können Sie da der FDP folgen?

    Rupprecht: Ich kann der FDP da durchaus folgen. Ich glaube, dass es eine gemeinsame Position der Bildungspolitik auf Bundesebene auch seit der damaligen Beschlusslage der Föderalismuskommission ist, dass wir dieses strikte Verbot, dass wir vonseiten des Bundes direkt auch unterstützend tätig werden können, noch nie für gut befunden haben. Unsere Vorstellung ist nicht, dass wir den Bildungsföderalismus auflösen wollen oder verändern oder abschaffen wollen. Nein, der Bildungsföderalismus als solcher ist notwendig und ist richtig, aber unsere Vorstellung ist durchaus, das strikte, das strenge Kooperationsverbot dahingehend aufzuweichen, dass, wenn die Länder es wollen, wenn die Kommunen es wollen, wir durchaus aufgrund der Verfassung die Möglichkeit haben, von Seiten des Bundes direkt auch mit Geldleistungen in die Schulen mit einzusteigen. Wir sehen es im Augenblick beispielsweise in der Diskussion um das Bildungspaket Hartz IV, dass es uns einfacher fallen würde, gute Lösungen zu finden, wenn dieses strikte Kooperationsverbot nicht existieren würde.

    Armbrüster: Kommen wir noch einmal zurück zum Bildungsbericht. Darin heißt es, dass vor allem Ausländer in unserem Schulsystem nach wie vor benachteiligt werden. Ausländische Kinder landen nach wie vor besonders häufig in Haupt- und in Förderschulen. Was machen wir da falsch in Deutschland?

    Rupprecht: Wir haben über Jahre hinweg einiges falsch gemacht, und da muss ich ganz klar benennen, dass es mit einer Multikulti-Ideologie im Ergebnis dazu geführt hat, dass Kinder mit Migrationshintergrund nicht ausreichend die deutsche Sprachkompetenz erworben haben. Das rächt sich, das zeigt sich jetzt in den Ergebnissen, und deswegen ist einer der Schlüssel, um dort nach vorne zu kommen, in der Tat die Sprachkompetenz, und wir sind auch da vonseiten des Bundes bereit, den Ländern und den Kommunen unter die Arme zu greifen, indem wir sagen, wir brauchen flächendeckende Sprachstandstests bei den Kindern mit 4 Jahren, und wenn die Ergebnisse nicht ausreichen, dann Unterstützung, Förderunterricht, Fördermaßnahmen für diese Kinder, weil sie nur dann die Chance haben, auch dem Unterricht zu folgen und erfolgreich zu sein, wenn sie die deutsche Sprache ausreichend beherrschen.

    Armbrüster: Viele Kritiker sagen dagegen, dass unser Schulsystem einfach viel zu rigide ist, dass wir an einem System festhalten, das unterteilt in Haupt-, Realschule und Gymnasium. Das Ausland macht das ja durchaus anders in vielen Ländern. Können wir uns diese Trennung wirklich noch leisten?

    Rupprecht: Erstens glaube ich, dass wir in Deutschland durchaus feststellen, dass wir genau dort, wo wir ein gegliedertes Schulsystem haben, beispielsweise in Bayern die Dreigliedrigkeit, exzellente Ergebnisse haben, besser als in den Regionen, wo das nicht der Fall ist. Das zeigt der Ländervergleich ganz klar. Aber darüber hinaus glaube ich, dass die Strukturdebatte, die ja uralt ist, nicht das abschließend Entscheidende im Augenblick ist. Ich glaube, dass man durchaus mit unterschiedlichen Strukturen auch gute Bildung erreichen kann, und deswegen sollten wir unsere Energien nicht auf Strukturdebatten konzentrieren, sondern auf andere Themen. Im Übrigen eines zum Bildungsbericht grundsätzlich noch ergänzend: Der Bericht sagt durchaus, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung und wenn die familiäre Situation schwierig ist, beispielsweise Migrationshintergrund, sozialer Status, finanzielle Ausstattung, hier Schwierigkeiten haben. Aber der Bildungsbericht zeigt auch, dass wir in allen Bereichen, vorschulischer Bereich, allgemeinbildender Bereich bis zum Hochschulbereich, in den letzten Jahren massive Fortschritte gemacht haben, und ich glaube, das gehört auch dazu, dass das benannt wird. Wir sind bei Weitem nicht so schlecht aufgestellt, wie in der Öffentlichkeit oft diskutiert und gemeint wird.

    Armbrüster: Der Bundestag befasst sich heute mit dem Bildungsbericht 2010. Wir sprachen darüber mit Albert Rupprecht, dem bildungspolitischen Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Interview und einen schönen Tag noch.

    Rupprecht: Gerne! Danke schön.

    Webseite des "Bildungsberichts" Deutschland