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Unis in Rheinland-Pfalz haben Zweifel an zentraler Bewerbungsplattform

Die Uni Mainz gedenkt offenbar ein eigenes Onlineverfahren für die Studienplatzbewerbung einzuführen. Grund ist, dass das geplante System von HIS noch nicht an den Start gegangen ist und auch für Mehrfachstudiengänge wie Lehramt nicht geeignete sei, sagt DLF-Korrespondent Ludger Fittkau.

Ludger Fittkau im Gespräch mit Sandra Pfister | 13.01.2012
    Sandra Pfister: Nach wie vor gibt es kein Onlineverfahren, womit Studienbewerber und Hochschulen unbürokratisch zueinanderfinden können, und das zieht dann einen Rattenschwanz an Problemen nach sich. Es gibt Hochschulen, die nun grundsätzlich daran zweifeln, ob sie ein zentrales Bewerberportal überhaupt noch brauchen, wenn es so spät kommt, zum Beispiel die Uni Mainz. Ludger Fittkau, die meisten Unis, auch die in Mainz, die haben jahrelang nach einem zentralen Bewerberportal geschrien, warum stellt sie das jetzt infrage?

    Ludger Fittkau: Sandra Pfister, das liegt daran, dass sie das zwar grundsätzlich noch gerne haben wollen - es wurde ja im Beitrag auch von den Studierenden gesagt, dass man das eigentlich bräuchte -, aber die Uni Mainz befürchtet jetzt eine zu lange Entwicklungszeit nach dem Scheitern dieses Hochschul-Informations-System-Softwareprogramms. Das wird noch mehrere Jahre dauern, befürchtet die Uni Mainz, bis was Vernünftiges auf dem Markt ist. Man muss ja auch etwas haben für die Mehrfachstudiengänge, also beispielsweise im Lehramtsstudium muss man sich ja für mehrere Fächer einschreiben. Da wäre jetzt auch die Software, die jetzt an den Start gegangen wäre, gar nicht geeignet. Das heißt also, es ist ein kompliziertes technisches System, und der Leiter der Abteilung Studium und Lehre an der Uni Mainz, Dr. Bernhard Einig, denkt eigentlich daran, dass die Unis das vielleicht jetzt selber machen sollten:

    Dr. Bernhard Einig: Wir haben im letzten Jahr, wir haben in diesem Jahr und wir werden in den nächsten zwei Jahren vielleicht noch ganz hohe Bewerberströme haben. Dann sagt die Kultusministerkonferenz selbst ja - kann man hinterfragen, ob das stimmt -, dass die Zahl der Bewerbungen deutlich zurückgeht. Für mich stellt sich schon die Frage, ob das Sinn macht, jetzt etwas zu entwickeln, das wir eventuell ab 2014, 2015 einsetzen können in Modellversuchen. Dann haben wir aber die Problematik in diesem quantitativen Umfeld nicht mehr. Und die Alternative, dass die einzelnen Hochschulen wie bereits jetzt schon durch abgestimmte Verfahren versuchen, wenigstens die Zulassungsverfahren zu optimieren, das, finde ich, ist eine ernsthafte Alternative, dann, wenn die Politik nicht jetzt ganz klar und verbindlich zusagt, ja, wir werden die dauerhafte Finanzierung dieses Bewerbungsportals übernehmen.

    Fittkau: Stichwort Geld: Dieses Portal wird, wenn es jetzt noch neu entwickelt wird, noch mindestens zehn Millionen kosten, also zusätzlich zu den 15 Millionen, die ja schon erwähnt wurden - also auch die Kosten, da schreckt die Uni Mainz vor zurück.

    Pfister: Gleichwohl sagt das Land, das Land Rheinland-Pfalz ja, dass es bislang die Planungen für das zentrale Bewerbungsportal mitträgt. Wie reagiert man auf die grundlegenden Zweifel der Uni Mainz?

    Fittkau: Man zeigt Verständnis - nicht nur die Zweifel der Uni Mainz, auch die Uni Koblenz-Landau zweifelt. Die haben viele Lehramtstudierende und wissen auch nicht, ob dieses System für sie geeignet ist. In einigen Jahren hat man dann vielleicht zu wenig Studenten und sucht die händeringend und hängt dann an diesem vielleicht ungeeigneten zentralen System. Also da gibt es Verständnis, wachsendes Verständnis auch des Landes. Bisher haben die immer auf die HIS-Produkte gesetzt, also auf verschiedene IT-Produkte aus diesem gescheiterten Hochschul-Informations-System, aber da gibt es jetzt ein Umdenken.

    Pfister: Da gibt es ein Umdenken, aber es gibt auch die Klage aus den Ministerien, zumindest hinter vorgehaltener Hand gibt es die Klage aus den Hochschulen, dass die Ministerien ihnen lange Zeit Produkte des HIS, also dieses Unternehmens, dessen Software jetzt gescheitert ist, aufgeschwatzt hätten, obwohl sie schon wussten, dass die nicht funktionieren würde. Gibt es da nach dieser HIS-Pleite mit dem zentralen Bewerberportal ein Umdenken?

    Fittkau: Ja, das Umdenken gibt es, obwohl das völlig richtig ist, man hat vielleicht zu lange auf HIS gesetzt, das wird schon gesagt. Die Uni Mainz hat das nicht getan, die hatte schon vor Jahren einen anderen Anbieter gewählt, einen privaten Anbieter, die sogenannten Datenlotsen, wie einige andere Hochschulen auch. Die haben ohne einen Pfennig staatliches Geld ein vernünftiges Campus-Managementsystem entwickelt und auch Ideen für ein solches zentrales Portal. Also da ist jetzt viel in Bewegung, und man kann gespannt sein, was da in den nächsten Wochen jetzt diskutiert wird.

    Pfister: Was glauben Sie - es gibt ja einen nächsten Schritt, am 2. Februar trifft sich der Stiftungsrat der Stiftung Hochschulstart wieder, die hat die Projektleitung für dieses geplante Portal - wie ist Ihre Prognose, wird die Stiftung die Privatisierung des HIS empfehlen?

    Fittkau: Ich glaube nicht. Das hat einen Grund: Die Hochschulen haben Angst davor, dass wenn HIS privatisiert würde, sie mit der Software, die sie haben - die meisten Hochschulen haben HIS-Produkte -, und dann würden sie mit dieser Software da sitzen und hätten einen privaten Anbieter, irgendeine Firma, und hätten die Probleme mit Wartung, mit Betreuung, mit Entwicklung dieser Software. Also deswegen glaube ich, dass die Hochschulen davor warnen werden, HIS zu privatisieren, aber HIS wird auf den Prüfstand kommen und als staatlich betriebene Einrichtung sich neu aufstellen müssen, sonst geht das alles überhaupt nicht weiter.

    Pfister: Danke, Ludger Fittkau, für Ihre Einschätzungen. Das Chaos bei den Hochschulzulassungen, das beschäftigt uns weiter, morgen um 14 Uhr 05 bei PISAplus. Wer hat das eigentlich zu verantworten und wie kommen wir da raus?

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.