Archiv


United States Trachtler

Florida hat 33 German-American-Clubs, in denen amerikanische Staatsbürger mit deutschen Wurzeln organisiert sind und deutsche Traditionen und Gebräuche pflegen. Oder zumindest das, was in den USA als "typisch deutsch" gilt: Schuhplattlern, Trachtenkostüme, Bier nach Reinheitsgebot.

Von Inge Breuer |
    "Florida hat sehr viele Deutsch-Amerikaner. Das ist einmal im Jahr und da kommen alle Clubs zusammen und man kommt mit Bussen aus ganz Florida. Und ich glaube, dieser eine Tag, das reicht, um alle noch einmal daran zu erinnern, dass man deutsch ist."

    Heute ist "German Heritage Day", der Tag der deutschen Brauchtumspflege in St. Petersburg, Florida. Am frühen Morgen waren noch schwere Wolkenbrüche über die Stadt niedergegangen, aber jetzt, am späten Vormittag wölbt sich ein makellos blauer Himmel über die Metropole an der Südostküste Floridas. Eigentlich zu schade, um nun in einer klimatisierten, nahezu fensterlosen Mehrzweckhalle zu feiern. Aber in St. Petersburg scheint ja angeblich 350 Tage im Jahr die Sonne.

    Sie sind mit Bussen und privaten Pkws angerollt. Über 1000 Menschen strömen ins "Coliseum", wo die Festlichkeiten stattfinden. Viele Männer mit Tirolerhüten, Frauen in Dirndln. Viele im höheren Rentenalter. Dazwischen auch ein paar kleine Kinder im Trachtenlook. Vor der Tür musiziert eine Kapelle. Eigentlich wie auf dem Oktoberfest. Irritierend nur, dass man von allen Seiten ein breites, amerikanisches Englisch hört. Auf der Bühne bedankt sich der Präsident der Deutsch-Amerikanischen Clubs von Florida aus ganzem Herzen für das zahlreiche Erscheinen.

    In der Mehrzweckhalle sind heute lange Biertische und -Bänke aufgebaut. In den Seitenerkern gibt es bayrisches Bier und Weißwürste und deutsche Volksmusik zu kaufen. In der Mitte eine große freie Fläche: der "Dancefloor", der "Tanzboden" also. Und auf der großen Bühne spielt "The Hafenkapelle" zum Tanz auf.

    Florida hat 33 German-American-Clubs. Clubs also, in denen amerikanische Staatsbürger mit deutschen Wurzeln organisiert sind. In einer feierlichen Flaggenparade ziehen sie nun in die Halle ein. Der German-American-Club "Gemütlichkeit", die "Berliner Bären der Tampa Bay", der "Schuhplattler- und Trachtenverein Maiglöckchen" - und wie sie sonst alle heißen. Hauptziel dieser Clubs ist, wie es in ihren Statuten heißt "die Erhaltung und Förderung deutscher Sitten, Traditionen und Geschichte". Mitglieder können alle sein, die irgendwo noch deutsches Blut in ihren Adern spüren.

    "Wir sind alle von Deutschland, aber Sie müssen bis ins 14. Jahrhundert zurück gehen. Meine Leute kamen aus der Pfalz, sie wurden herausgetrieben aus religiösen Gründen, gingen nach Schottland, aber die Schotten wollten und auch nicht. Sie schickten uns nach Nordirland, die wollten uns auch nicht und so kamen wir nach Amerika."

    Viele, viele Deutsche kamen im Laufe der Jahrhunderte über den großen Teich, um sich in Amerika eine neue Existenz aufzubauen. Sie flohen vor Kriegen, wirtschaftlicher Not, sie suchten religiöse oder politische Freiheit und eine einigermaßen sichere Existenz.

    "Die ersten deutschen Siedler kamen 1609 nach Amerika, sie kamen mit den ersten Siedlern, weil sie Glasmacher waren und man brauchte Fenster, ... Amerika wurde ganz entscheidend von Deutschen beeinflusst."

    Mittlerweile ist es im Coliseum still geworden. Die deutsche Honorarkonsulin Norma Hennings erinnert an die Berliner Luftbrücke, die vor 60 Jahren zu Ende ging. 10 Monate lang hatten die Sowjets Berlin abgeriegelt, so dass keine Lebensmittel in die Stadt transportiert werden konnten. Und 10 Monate wurde Berlin von den Westalliierten über den Luftweg versorgt. Im 3-Minutentakt landeten Flugzeuge in Tempelhof, um die Berliner mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen.

    Norma Henning ehrt sechs der Piloten, die damals den Airlift flogen. Männer, die heute alle über 80 sind und denen die Rührung ein paar Tränen in die Augen treibt, als sie sich zurück erinnern. Zum Beispiel Jerry Mudd, vor 60 Jahren stationiert in Wiesbaden:

    "Wie viele andere flog auch ich den Airlift. Drei Jahre vorher hatten wir Deutschland bombardiert, drei Jahre später transportierten wir diese Lebensmittel, um unsere früheren Feinde am Leben zu halten. Denken Sie: wenn wir diese Luftbrücke nicht mit Erfolg durchgeführt hätten, würden die Europäer heute vielleicht Russisch sprechen. Wir wissen ja nicht, wie weit Jo Stalin gegangen wäre, vielleicht den ganzen Weg bis zur Biskaya. Also, ehrlich gesagt, niemand damals realisierte, wie wichtig dieser Job war. Aber, wir haben's gemacht und damit haben wir 2,5 Millionen Leute vor Hammer und Zirkel bewahrt."


    Wir lieben sie für das, was sie für unser Land taten. Aber was ist denn "unser Land" für einen Deutschamerikaner?

    "Ich bin amerikanischer Staatsbürger, aber mein Herz ist immer deutsch. Die Heimat ist immer die Heimat, bleibt immer die Heimat, kann man nie vergessen."

    Besucherin: "Unbedingt."
    Besucher 2: "Heimat ist da schön, wo's mir gefällt, da ist meine Heimat."

    Viele der Menschen, die sich heute hier versammelt haben, sind in den 50er Jahren nach Amerika ausgewandert. Sie waren jung und auf der Suche nach ihrer Zukunft. Und sie hatten gehört, dass es in Amerika Arbeit für alle gibt.

    Besucherin: "Ich bin von Lüdenscheid, Sauerland, und ... bin schon 62 Jahre in Amerika ..."
    Besucher: "Ich bin ... damals weg von der Ostzone und hab in München gewohnt. ... Ich bin 22 Juni 1961 nach Amerika gekommen, ausgewandert bin ich von München 1960 ..."
    Besucherin 2: "1950, für mich haben die Russen schlecht gespielt, wollte nicht mehr von zu Hause wissen ..."

    Auf dem Heritage Day 2009 in St Petersburg / Florida werden die 50er, die 60er Jahre wieder lebendig. "The Hafenkapelle" spielt "So ein Tag, so wunderschön wie heute" oder "Die Heimat der Matrosen ist die See". Und wehmütig denken die deutschamerikanischen Rentner an die Zeit zurück, als sie Deutschland verlassen haben. An die Zeit ihrer Jugend.

    Besucher: "Ich liebe die alte deutsche Musik nicht den Firlefanz von jetzt, wie den Max Greger von Deutschland oder Max ?Heider? Das war Musik ."
    Besucherin: "Wenn ich deutsche Lieder höre, wird es mir immer etwas wehmutig zu Herzen, ich spiele immer deutsche Kassetten, Heino vor allem, den hab ich persönlich kennen gelernt, er hat mit die Hand gedrückt."
    Besucherin: "Die Deutschen in Amerika sind deutscher als die Deutschen in Deutschland."

    Vor allem aber sind die Deutschen in Amerika bayrischer als die Deutschen in Deutschland. "The Schuhplattler Alpenrose-Tanzgruppe" führt einen begeistert bejubelten Massenschuhplattlertanz auf, im Foyer gibt's einen Dirndlverkauf. Und auch die ursprünglich von einem Norddeutschen gegründete "Hafenkapelle" tritt in Lederhosen auf, auf dem Kopf einen Filzhut mit Gamsbart. Warum sehen Sie so bayrisch aus, so die Frage an einen Musiker der Hafenkapelle?

    Weil ich es mag, antwortet der Wahlbayer, der eigentlich Kanadier ist, lakonisch.

    Besucher: "Bayern ist Deutschland in Amerika, ganz genau."
    Besucher: "Wenn man einem deutschen Club angehört, muss man sich Bayrisch anziehen."
    Besucherin: "Dirndl ist eigentlich Deutschland ... natürlich in Bremen und Hamburg sieht man das weniger ... so einer wie der da mit den Lederhosen und der mit dem Schwanz da an seinem Hut, der dät auch kein großes Aufsehen erregen."

    Aus 7000 km Entfernung, da sieht sie eben anders aus, die Heimat - Deutschland. So putzig zusammengeschrumpft, so altbacken und irgendwie auch so amerikanisch.

    Am Abend steht die Sonne tief, keine Wolke am Himmel, der sich langsam rot färbt.

    Auch Norma Henning, die deutsche Honorarkonsulin, war froh, mal wieder, wie sie sagt, "deutsche Kultur" erlebt zu haben.

    "Ich muss sagen, als ich aus Deutschland kam, hätte man mich mit so was jagen können, aber je länger ich hier bin ... desto mehr freu ich mich über die Gruppen, die die deutsche Kultur zelebrieren...., auch mal wieder die Musik zu hören, und sich mal wieder in das Dirndl zu schmeißen und Spaß zu haben ... und dann tanzen die Leute zusammen und man isst deutsches Essen und die Leute freuen sich des Lebens."