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Universalflieger fürs Universum

Raumfahrt. - Erstmals nach dem Columbia-Unglück soll im Juli wieder ein Space-Shuttle in den Orbit starten. Weil aber die Tage der betagten Nasa-Fähren gezählt sind, muss ein Nachfolger her. Langsam kristallisieren sich dazu Details heraus.

Von Guido Meyer | 09.05.2005
    Dass ihre Schiffe nicht ewig halten würden, war der US-Raumfahrtbehörde Nasa schon vor dem Columbia-Unglück vom Februar 2003 klar. Konzepte für ihre Nachfolger wurden ent- und gleich wieder verworfen. Es musste erst der oberste Dienstherr in Form des Präsidenten kommen, um dem neuen Gefährt Name, Aufgabe und Zeitplan vorzugeben.

    "Nach fast dreißig Betriebsjahren werden wir die Space Shuttles 2010 in Rente schicken. Wir wollen ein neues Schiff entwickeln, das so genannte Crew Exploration Vehicle CEV. 2008 soll es seinen ersten Testflug absolvieren, seine erste bemannte Mission dann 2014. In erste Linie soll das CEV Astronauten zu anderen Welten jenseits des Erdorbits tragen. "

    Damit war die schwierige Aufgabe für die Nasa und die amerikanische Weltraumindustrie vorgegeben, ein Universalgerät zu entwickeln: für Einsätze im Erdorbit – vielleicht mit Andockmöglichkeiten an die Internationale Raumstation - genauso wie für Flüge zum Mond und gar zum Mars. Jim Duffy, Chef-Ingenieur der Orbital Science Corporation in Dulles bei Washington, D.C.

    "Es wird nur ein einziges CEV geben, mit dem Menschen fliegen. Egal, ob die Reise zum Mond oder zum Mars geht – die Astronauten werden sich immer im selben Modul aufhalten. Je nach Mission kann das CEV dann mit Zusatzelementen aufgerüstet werden, beispielsweise mit einem Treibstoffsegment. "

    Auf dieses Prinzip beruft sich der Weltraumkonzern Lockheed Martin, dessen Design der NASA nun zur Entscheidung vorliegt. Ein zentrales Element soll dabei bei Langzeiteinsätzen durch Zusatzmodule auf fast die doppelte Länge vergrößert werden können. Diese bestehen vor allem aus Stauraum, Sonnensegeln und einem Treibstofftank, könnten separat ins All geschossen und dort an die Basisstufe angedockt werden. Deren Design ist wie ein kleines Space Shuttle beschaffen. Der deutsche Astronaut Ulrich Walter, der mit der Raumfähre Columbia 1993 im All war.

    "Es gibt zurzeit zwei Alternativen für die Nachfolge vom Shuttle. Das eine ist so eine Art Hermes, was die Europäer früher hatten, so ein kleineres Shuttle. Und das andere ist eine Kapsel. So wie ich die Amerikaner kenne, werden sie das zwar als faszinierendes und als billiges System empfinden, aber unter ihrer Würde. Und deswegen bin ich davon überzeugt, dass sie eher zu diesem Hermes-Typ zurückgreifen werden, weil das eben auch mehr Shuttle ist, es ist mehr thrilling, es ist ein bisschen mehr Hype, es passt mehr zu ihnen."

    Lange war über eine Rückkehr zu den simplen Apollo-Kapseln der sechziger Jahre spekuliert worden, die einfach zu bauen, unkompliziert in der Handhabung, relativ sicher und relativ billig sind. Dennoch liegt nun das Konzept der Mini-Fähre in Dreiecks-Form auf dem Tisch, weil Schiffe mit Tragflächen im Landeanflug besser zu kontrollieren und zu steuern sind, während Kapseln nur herunterplumpsen. Außerdem hat die Nasa - im Gegensatz zu den Russen - keine Erfahrungen mit der Landung von Kapseln auf dem Festland, da ihre Mercury-, Gemini- und Apollo-Kapseln stets gewassert sind. Auch die Belastung durch die Schwerkraft bei einer gleitenden Landung an Fallschirmen sind für Astronauten nach einem Langzeitaufenthalt im All besser zu ertragen als bei einem senkrechten Sturz. Und eine weitere Lehre aus Columbia: Eine Außenhaut aus Titan und zwei weitere Wärme dämmende Schichten würden das Verglühen der Mannschaft im Innern verhindern, auch wenn der primäre Hitzeschild komplett durchbrennt.

    "Aber dazu brauchen sie ein bisschen mehr Entwicklungszeit. Das werden sie bis 2008 nicht schaffen, sondern ich schätze mal eher bis 2009 oder 2010. Bis dahin hält auch das jetzige Shuttle. Und deswegen wird es erst dann zum Nachfolger kommen."

    Der neue Nasa-Chef Michael Griffin hat bereits angedeutet, dass ihm die Lücke zwischen der Stilllegung der Shuttles 2010 und dem ersten bemannten Einsatz des CEV 2014 zu groß ist. Captain Mike Hecker, Projekt-Manager des Crew Exploration Vehicle am Hauptsitz der Nasa in Washington, D.C.

    "Zwischen 2011 und 2014 wird es darum gehen, das Inneres des CEVs auszuarbeiten. Außerdem müssen in dieser Zeit mindestens drei erfolgreiche, unbemannte Einsätze erfolgen, bevor erstmals Menschen mit dem neuen Schiff fliegen. "

    In den kommenden Wochen werden auch Boeing und Northrop Grumman ihre Vorschläge für das CEV einreichen. Bis zum Herbst will die Nasa dann zwei Aufträge zum Bau von Prototypen an zwei konkurrierende Firmen vergeben.