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Universität Hamburg
Gesundheitswissenschaften ohne Lehrpersonal

Von Axel Schröder | 08.04.2015
    Dass das Sommersemester für sie wohl ausfallen werde, überraschte die 100 Studierenden am Fachbereich Gesundheitswissenschaften an der Uni Hamburg genauso wie den zuständigen Prodekan der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften Norbert Ritter:
    "Diese Veranstaltungen waren ja auch schon angekündigt. Mit den Lehrbeauftragten, die das auch in den letzten Semestern und Jahren gemacht haben. Die Ursache für dieses ganze akute Problem ist, dass diese Lehrbeauftragten nun kurzfristig abgesprungen sind und mitgeteilt haben, dass sie das jetzt doch nicht machen können. Und wir müssen jetzt schnell Ersatz finden."
    Gleich mehrere Lehrbeauftragte hatten drei Tage vor dem Start des Sommersemesters ihre Teilnahme abgesagt, so Prodekan Norbert Ritter. Und natürlich suche man nun händeringend nach Ersatz. Bekannt sind die Probleme am Fachbereich Gesundheitswissenschaften schon länger. Das Verhältnis - eine Professorin mit Langzeitstelle, mehrere Lehrbeauftragte mit befristeten Verträgen - sei nicht optimal gewesen. Nun, heißt es aus der Uni, hätten zwei Lehrbeauftragte eine neue, wieder einmal befristete Anstellung abgelehnt. Eine weitere befristete Stelle sei aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht verlängert worden. Die höchstzulässige Gesamtdauer der Beschäftigung, fünf Jahre, wäre sonst überschritten worden. Aber die Probleme sind noch größer: Ganz generell denkt die Uni Hamburg darüber nach, was aus den Gesundheitswissenschaften werden soll. Unter dem Dach der MINT-Fächer, neben Mathematik, Informatik oder der Chemie, so Norbert Ritter, sei der Fachbereich nicht wirklich gut aufgehoben.
    "Und da haben wir uns die Frage gestellt: Ist das langfristig sinnvoll in unserer Fakultät angesiedelt? Oder denkt man da nicht eher an die Medizin? Oder an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften gibt es sowas wie eine Pflegeschule mit mehreren Fachbereichen und ganz vielen Professuren. Und das wäre natürlich eine ganz andere Umgebung für so was."
    Vor einer Entscheidung wolle man, so Ritter, aber erst eine für Mai geplante Evaluation des kompletten MINT-Bereichs der Hamburger Universitäten durch den Wissenschaftsrat abwarten. In die Sackgasse gelaufen ist die Situation aber auch aus anderen, an der Hamburger Universität sehr bekannten Gründen: dem Geldmangel und - daraus resultierend - der Abhängigkeit von Drittmitteln. Auf diese Drittmittel konnten alle drei jetzt fehlenden Lehrbeauftragten nicht mehr zurückgreifen, erklärt Vincent Orth vom AStA der Uni Hamburg.
    "Drittmittelprojekte sind dann noch mal innerhalb der Befristung besonders prekär. Da haben sie ja nicht einen Zeithorizont von drei Jahren oder sowas, sondern da haben sie dann ein halbes Jahr. Drei Monate. Solche Zeithorizonte! Dass das im Wissenschaftssystem ein Fehler ist, dass das langfristig nicht funktioniert - gerade wenn man Ansprüche an die Lehre hat, wenn man sagt: Der Großteil soll professorale Lehre sein, es sollen maximal 20 Prozent über Lehraufträge eingeworben werden, dass das nicht miteinander kompatibel ist und dass man da grundsätzlich Dinge im Wissenschaftssystem anders machen muss, das sollte jedem klar sein. Aber da passiert ja leider viel zu wenig", so AStA-Sprecher Vincent Orth.
    Er hält sich zurück mit Schuldzuweisungen, hält das Warten auf eine Empfehlung des Wissenschaftsrates für ein gutes Rezept. Auf dieser Grundlage könnte dann der Fachbereich Gesundheitswissenschaften neu geordnet werden und eine langfristige Perspektive bekommen. Die kurzfristige Perspektive für die 100 Studierenden ohne Lehrpersonal: Das Studium geht in den nächsten Wochen sehr holprig weiter. Die ausgefallenen Lehrveranstaltungen können sie in Blockseminaren, notfalls in den Semesterferien nachholen.