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Universität Zürich
Keine Gnade für die Whistleblowerin

Eine Professorin der Züricher Uni hatte Journalisten vom "Tagesanzeiger" das Material für einen Skandal geliefert: Ein Kollege vergab offenbar ohne große wissenschaftliche Gegenleistungen Doktortitel. Wegen illoyalem Verhalten wurde ihr gekündigt - der Streit um den Vorgang schwelt weiter.

Von Thomas Wagner |
    "Wir haben die Konsequenzen ziehen müssen aus illoyalem Verhalten. Diese sind dann gezogen werden. Diese sind bitter für die Beteiligten. Das ist mir klar. Aber die Universitätsleitung steht zu dieser Entscheidung."
    Und die Entscheidung, die der Hamburger Professor Ottfried Jarren, derzeit Interimsrektor der Universität Zürich, heute Vormittag verkündet hat, lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Iris Ritzmann, bis Oktober Professorin am Medizinhistorischen Institut der Züricher Uni, wird vorerst nicht an die Hochschule zurückkehren. Die Kündigung, die sie von der Uni erhalten hat, bleibt bestehen.
    Bestärkt sieht sich die Uni Zürich durch ein Rechtsgutachten. Die Betroffene Professorin hatte im Sommer einen handfesten Skandal an der Uni aufgedeckt: Es ging um ihren Kollegen Christoph Mörgeli. Der hatte für die Vergabe von Doktortitel kaum wissenschaftliche Gegenleistungen eingefordert. Manche seiner Studierenden konnten sich promovieren, in dem sie lediglich alte medizinhistorische Texte abgeschrieben hatten. Der Fall gelangte in die Schweizer Medien. Von Anfang an vermutete die damalige Unileitung eine undichte Stelle im Haus - und wurde fündig: Der konkrete Tatverdacht gegen Iris Ritzmann, so Unirektor Ottfried Jarren heute morgen, habe sich bestätigt; sie habe Kontakte zu Journalisten des Züricher "Tagesanzeigers" geknüpft, statt die Unileitung zu informieren.
    "Also ich pflege die Politik der offenen Tür. Und ich erwarte, dass alle, die Fragen und Probleme haben, erst einmal diese offenen Türen suchen. Es kann nicht sein, dass hinter dem Rücken von Vorgesetzten und hinter dem Rücken von Leitungspersonen irgendwelche Versuche gemacht werden. Das finde ich bedauerlich."
    Pikant an diesem Vorgang: Die Vorwürfe gegen Christoph Mörgeli, der allzu leichtfertig Doktortitel vergeben hatte, bestätigten sich im Laufe der Zeit. Auch Mörgeli verlor seinen Job an der Universität, nicht zuletzt durch die Berichterstattung in den Schweizer Medien, die die gekündigte Whistleblowerin Iris Ritzmann angestoßen haben soll. Die hatte das in der Vergangenheit immer wieder bestritten. Nach ihrer Darstellung standen die hochschulinternen Vorgänge, über die sie mit Journalisten geredet haben soll, zu diesem Zeitpunkt bereits ausführlich im Internet. Im Gegenzug sprach sie von einem Maulkorb, die die Unileitung aufmüpfigen Lehrenden überstülpen wollte - ein Vorwurf, den heute Vormittag wiederum der Züricher Unirektor Ottfried Jarren zurückwies:
    "Wenn eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler mit den Medien kommentiert, so schätzen wir das. Es ist wichtig, dass er seine wissenschaftlichen Ergebnisse bekanntmacht, vermittelt. Hier geht es aber um Arbeitsplatzkonflikte, hier ging es aber um arbeitsrechtlichen Streit."
    Es ging wohl aber auch um mehr: Nämlich um die politische Herkunft von Christoph Mörgeli und seinen Doktortiteln im Schnellverfahren. Mörgeli nämlich gehört als Nationalrat der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei dem Schweizer Parlament an; wegen seiner rechtskonservativen Haltung war Mörgli bei vielen seiner Kollegen an der Hochschule eher unbeliebt. Und das, vermutet Rektor Ottfried Jarren, könnte durchaus ein Motiv dafür gewesen sein, Informationen über Mörgelis Promotionspraxis Journalisten zuzuspielen.
    "Wir müssen wissen, es handelt sich um einen politisch initiierten Konflikt, nicht um ein wissenschaftlichen Konflikt. Und wir als Wissenschaftler wollen zu wissenschaftlichen Themen Stellung nehmen, aber nicht zu parteipolitischen."
    Das allerdings sehen viele an der Universität Zürich anders: In den vergangenen Monaten hatten sich viele Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter mit der angeblichen Whistleblowerin Iris Ritzmann solidarisch erklärt. Und auch viele Studierende sind auf ihrer Seite, wenn es um das Aufdecken von Missständen geht.
    "Ich glaube, die Studierenden sind eher gegen die Entlassung von Frau Ritzmann und auch, wie die ganze Sache kommuniziert wurde. Frau Ritzmann war halt allgemein als sehr kompetente Person an der Uni bekannt. Und deshalb ist man eher kritisch."
    "In erster Instanz würde ich auch sagen; Ja, ich finde auch, dass man Missstände an die Öffentlichkeit bringt. Aber auf der anderen Seite: Da kann noch so viel dahinterstecken, wir wissen nicht was."
    Und so bleiben die Meinungen über den ersten Fall einer Whistleblowerin an der Uni Zürich geteilt. Interimsrektor Ottfried Jarren sieht daher eine wesentliche Aufgabe der kommenden Wochen darin, Brücken zu bauen zwischen Ritzmann-Befürwortern und den Anhängern der Hochschulleitung.
    "Man hat Unterschiede ausgemacht. Aber: Repressive Maßnahmen sind mir völlig fremd. In der Akademie wird gestritten, muss gestritten werden. Das ist schmerzhaft. Aber ich muss den Schmerz dann eben aushalten."
    Möglicherweise wird die Affaire weiterhin schmerzhaft sein - nämlich dann, wenn die betroffene Professorin versucht, auf gerichtlichem Weg ihre Wiedereinstellung an der Universität Zürich durchzusetzen. Bislang hat sie sich zu dieser Option noch nicht geäußert. Aber zumindest eine ihrer Anhängerinnen unter den Studierenden vermutet:
    "Es ist in diesem Sinne nicht vorbei. Es ist weiterhin ein großes Thema. Ich glaube, das wird uns noch weiterhin verfolgen hier an der Uni."