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Universitätskirche Leipzig
Abgekanzelt

1968 wurde die Paulinerkirche auf Anordnung der DDR-Führung gesprengt. Seit 2017 gibt es das Paulinum, eine Mischung aus Universitätsaula und Andachtsraum. Eine Kanzel gibt es nicht. Um die Lücke wird gestritten. Dabei geht es um Baukunst, aber auch um das Verhältnis von Glauben und Wissenschaft.

Von Jennifer Stange | 27.09.2019
Das Orchester der Universität Leipzig spielt unter der Leitung von Universitätsmusikdirektor David Timm am 01.12.2017 auf dem Festakt zur Einweihung des Paulinums der Universität in Leipzig.
Das Paulinum wurde 2017 mit einem Festakt eingeweiht. (picture alliance / dpa-Zentralbild / Hendrik Schmidt)
Unübersehbar erinnert das 2017 fertiggestellte Paulinum der Universität Leipzig an den Vorgängerbau: mit gotischem Spitzbogenfensten, Rosette und neugotischem Giebel. Auch das Innere des Paulinums, heute Aula und Andachtsraum zugleich, erweckt durch imitiertes Kreuzrippengewölbe und von der Decke hängenden Glassäulen, den Eindruck eines gotischen Raumes. Altar, Wandschmuck und Orgel erinnern unweigerlich an eine Kirche. Doch für manche fehlt etwas.
"Ich hab im letzten Satz der Predigt gesagt, es tun Kanzelreden gut und damit war eine Anspielung drauf, Kanzel wäre schön in diesem Raum. Natürlich hat man jetzt ein Predigtpult da habe ich auch davon gepredigt."
Sagt Frank Otfried July. Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg hielt am vergangenen Sonntag im Leipziger Universitätsgottesdienst die Predigt. Ohne Kanzel.
"Martin Luther hat gesagt, man kann sogar in einem Stall predigen", so July.
Die fehlende Kanzel, auf die Bischof July angespielt, gehört zu den Kunstwerken, die aus der Universitätskirche St. Pauli geborgen werden konnten, bevor die DDR-Führung 1968 das Gebäude sprengen liess. An der gleichen Stelle steht heute das Paulinum.
Prominente Unterzeichner
Obwohl zur Nutzung für den evangelischen Gottesdienst vorgesehen, hat der der Senat der Hochschule hat nun entschieden: Das Paulinum bleibt ohne Kanzel. Der Paulinerkirchenverein, der sich seit Anfang der Neunziger ursprünglich für den originalgetreuen Wiederaufbau der Kirche einsetzte, wirft der Universität deshalb Wortbruch vor. Ulrich Stötzner:
"Im Jahr 2008 wurde in langjährigen Verhandlungen ein so genannter weiterer Kompromiss ausgehandelt und in diesem Papier wurde festgehalten, dass alle Kunstwerke, soweit also vertretbar, an ihren ursprünglichen Ort zurück kommen und das schloss die Kanzel auch ein."
Auf Initiative des Vereins hatten sich prominente Unterzeichner wie Wolfgang Thierse, die ehemalige Generalbundesanwältin Monika Harms und der sächsische Justizminister Sebastian Gemko in einem Brief an den Senat gewandt und sich für die Kanzel ausgesprochen. Vergeblich. Nun meldet sich auch der sächsische Landesbischof Carsten Rentzing im Kanzelstreit zu Wort.
"Damit können wir nicht einverstanden sein. Wir setzen uns seit vielen Jahren dafür ein, dass diese Kanzel an ihren angestammten Ort und in sofern waren wir eben doch etwas befremdet darüber, dass nun die Universität nun so etwas wie vollendete Tatsachen schaffen wollte und unsere Gesprächsanagebote nicht zum Ziel führten."
Die Entscheidung ohne Einbeziehung der Landeskirche oder des Freistaates mache erneut deutlich, dass die Universitätsleitung mit einer gemeinsamen Nutzung des Paulinums (durch geistliche und weltliche Veranstaltungen) tiefergehende Schwierigkeiten habe, so der Landesbischof. Keineswegs, sagt Franz Zöllner Professor für Kunstgeschichte und Mitglied im Senat der Universität Leipzig:
Zöllner: Wir haben einen sehr schönen Sakralraum wir haben durch viele Spenden restaurierte Epitaphien, wir haben den Paulineraltar aufgestellt, das ist ein sehr schönes Ensemble.
"Nicht nur Kunstwerk, sondern Gebrauchsgegenstand"
Das ewige Gerangel um das Paulinum sei man allerdings leid. Anfangs ging es um den Bau, später um die Trennung von Kirche und Universitätsaula im Inneren. Die Gläubigen hielten sie für überflüssig, Hochschulangehörige für angebracht, weshalb heute ein mobile Glaswand Altarbereich und den Rest des Raumes bei Bedarf trennen. Mitten wünschen sich einigen nun die historische Kanzel.
Sie passt nicht in den Raum hinein. Dann hätte man einen Raum schaffen müssen, der die Voraussetzung hat, die Kanzel aufzunehmen, ohne die Nutzung einzuschränken, man brauch sie auch nicht, es gibt Mikrophone heute."
Ein Modell der Kanzel war im Vorfeld der Senatsentscheidung aufgestellt worden und habe gezeigt, dass mit Kanzel etwa 20 Prozent der Sitzplätze im Saal die Sicht versperrt wären. Ein vom Senat in Auftragt gegebenes Gutachten zum Raumklima prognostiziert schwere Schäden für die Kanzel. Soweit die Entscheidungsgrundlage des Senats. Stötzner vom Paulinerverein überzeugt das nicht.
"Die Kanzel ist ja nicht nur ein Kunstwerk sie ist auch ein Gebrauchsgegenstand, also die darf auch mal einen Riss haben. Aber sie ist eben notwendig."
Zudem hält Stötzner die Argumente des Senats, genau wie des Landesbischof für vorgeschoben. Stötzner glaubt, dahinter stecke die Abneigung gegen eine weitere Sakralisierung des Raumes. Die Mehrheit der Studierenden lehne das tatsächlich ab, sagt Nico Laible vom Studierendenrat der Uni Leipzig.
"Natürlich gilt es hier auch die Befindlichkeiten miteinzubeziehen und vor diesem Hintergrund hat sich der StuRa in der Vergangenheit immer gegen eine Neuerrichtung einer Kirche auf Universitätsgelände eingesetzt."
Forschung und Lehre auf der einen und Glaube auf der anderen Seite, die Trennung sei sei den Studierenden wichtig. Doch der Streit um das Paulinum ist nicht bloß ein Streit um verschiedene Anschauungen, sondern von Beginn an auch ein politischer Konflikt in dem es um die Autonomie der Hochschule geht. Senatsmitlgied Zöllner:
"Es ist ja absehbar, dass der Landesbischof bei der Landesregierung intervenieren wird um unsere Entscheidung zu hintergehen. Damit müssen wir rechnen, damit sind wir auch einigermaßen vertraut und dann wird die Landesregierung entscheiden, ob sie den Druck der Landeskirche weitergibt und die Uni in irgendeiner Weise über finanzielle Dinge zum Beispiel nötigt, diese Entscheidung zu revidieren."
Hier müsste Rentzing nochmal zu Wort kommen bzw. befragt werden, ob er diese Intervention tatsächlich vorhat.
2003 war die Sache schon einmal eskaliert. Die Universiät hatte sich gegen den Wiederaufbau der Kirche entschieden. Die CDU-Landesregierung drohte daraufhin den Neubau des Campus zu stoppen und die Gelder dafür einzufrieren. Der damalige Rektor sprach damals von einem katastrophalen Demokratieverständnis. Aus Protest trat das damalige Rektorat zurück. ein solches Desaster dürfe sich nicht wiederholen meint Laible.
"Auch deshalb würde im dem Bischof ein gewisses Maß an Fingerspitzengefühl anraten."