Am Mikrofon begrüßt Sie Barbara Eckle. In der heutigen Sendung möchte ich Ihnen die neuen Porträt-CDs zweier Komponisten vorstellen, deren Musik von einem in der Tat überwältigenden Phänomen geprägt ist, nämlich der Unendlichkeit des Raums, dem Mysterium von Kosmos und Individuum. Georges Lentz und Christian Jost, sie beide stellen hier Konzept, Klang und Form ihrer Kompositionen ganz in den Dienst dieser zentralen Reflektion - jeder auf seine eigene Art.
Komponist: Georges Lentz
Titel: Guyuhmgan
Interpret: Orchestre Philharmonique du Luxembourg, Emilio Pomarico
Album: Georges Lentz, erschienen 2012
Lable: Timpani Records, LC 10902
Geradezu schicksalhaft traf es den 1965 in Luxemburg geborenen und in Australien lebenden Komponisten Georges Lentz, als er im Alter von 24 Jahren in einer naturwissenschaftlichen Zeitschrift einen Artikel über die Größe des Universums las. Die schockartige Wirkung dieser Lektüre entlud sich fortan – und das bis zum heutigen Tage – in einem monumentalen Werkzyklus, der den Titel "Caeli Enarrant ..." trägt – "Die Himmel erzählen ...". Was Lentz eigentlich als private Verarbeitung seiner Auseinandersetzung mit der Dimension des Kosmos begonnen hatte, sollte sich als Grundstein seines Summum Opus erweisen. In diesen Jahren setzte er sich intensiv mit dem Buddhismus sowie der Kunst der australischen Ureinwohner auseinander, was auf verschiedene Weise Eingang in seine Komposition gefunden hat. Die auf der CD eingespielten Werke Guyuhmgan, Monh und Ngangkar gehören dem 7. Zyklusteil "Mysterium" an. Die Werktitel in der australischen Ursprache sind unterschiedliche Bezeichnung für den Begriff "Sterne". So steht Ngankar für die Sterne, wenn sie von der Erde aus betrachtet werden, während Guyuhmgan die wandelnde Perspektive aus des Weltraums Mitte bezeichnet – als befinde man sich auf einem Hubble-Teleskop. Darin besteht auch der deutlichste Unterschied zwischen den zwei in Aufbau und Struktur eng verwandten Werken Ngankar und Guyuhmgan: Der fixe Standpunkt des Betrachters, den die Unisono-Linie der Streicher zu Anfang von Ngankar suggeriert, ist in Guyuhmgan gänzlich entfokusiert. Der weit gestreute Klang der Streicher ist weder in Raum noch in Tonhöhe zu orten, Betrachter und Objekte, so scheint es, befinden sich in ständiger Bewegung. Einzig Oboe und Englisch Horn ziehen sich als klanglicher Leitfaden durch das Werk:
Komponist: Georges Lentz
Titel: Guyuhmgan
Interpret: Orchestre Philharmonique du Luxembourg, Emilio Pomarico
Album: Georges Lentz, ersch. 2012
Lable: Timpani Records, LC 10902
Starke Extreme treffen in Guyuhmgan aufeinander. Dem sachten Flüstern in den hohen Registern entgegnet Lentz gewaltiges, archaisches Instrumentarium wie Kuhglocken und thailändische Gongs in den Tiefen, lässt zersplitterte Einzelkräfte wirken bis ein an Messiaens "Quattuor pour la fin du temps" erinnernder Choral diese Kräfte schließlich in einer alles umfassenden bannt. Dabei ist es gerade die Ruhe, die ihm seine Macht verleiht.
Komponist: Georges Lentz
Titel: Guyuhmgan (Choral)
Interpret: Orchestre Philharmonique du Luxembourg, Emilio Pomarico
Album: Georges Lentz, ersch. 2012
Lable: Timpani Records, LC 10902
Georges Lentz' Sprache ist bildhaft direkt, seine Botschaft nicht zu verfehlen, seine musikalischen Mittel allerdings umso raffinierter. Ausgebildet wurde er als Geiger. Als Komponist ist er weitestgehend Autodidakt. Seine präzise Kenntnis der klanglichen Qualitäten und Kapazitäten der Instrumente und sein filigraner, inniger Umgang mit diesem immensen Klangvokabular verraten nicht zuletzt seine langjährige Orchestermusikertätigkeit – wiederum eine Perspektive aus der Raummitte. Denn das Orchester scheint er als Körper wie auch als Raum zu verstehen; dazu gehören auch Strecken von Leere und Stillstand, denen er hier jedoch umso größere Intensität verleiht. Immer näher schiebt er die Extreme aneinander – schließlich ineinander.
Lange Zeit war Georges Lentz der Meinung, das Solokonzert sei unvereinbar mit seiner Universalidee. Dass sich das änderte, lag, so Lentz, am Charakter der Bratsche, die für ihn kein virtuoses Hochleistungsutensil, sondern "ein zerbrechliches Individuum im riesigen Gesamtgebilde" darstellt – extreme Pole, zwischen denen sich ein enormes Spannungsfeld auftut. Die Bratschistin Tabea Zimmermann hat Monh für Viola und Orchester von Georges Lentz auf dieser CD mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg unter dem Dirigenten Emilio Pomarico eingespielt. Die Bratsche zeigt sich in Monh jedoch keineswegs nur von der fragilen Seite. Im Zentrum des Werks steuert sie mit stumpfem, determiniertem Klang gemeinsam mit dem Orchester auf den kolossalen Zusammenbruch zu, der fast wie eine Art homerisches Gelächter im Raum widerhallt.
Komponist: Georges Lentz
Titel: Monh
Interpret: Tabea Zimmermann, Orch. Phil. du Luxembourg, E. Pomarico
Album: Georges Lentz, ersch. 2012
Lable: Timpani Records, LC 10902
Dem Zusammenbruch folgt die Ruhe nach dem Sturm, die Läuterung, die Reformation. In diesem Aufbau folgen Ngankar, Guyuhmgan und Monh einem nahezu identischen Programm. Auch Monh mündet, wie zuvor Guyuhmgan, im Choral, der ein einstimmiges Dach über das Unermessliche zieht. Mit der sanften Geräuschtextur, die Lentz dem großflächigen Gesang der Viola unterlegt, zeichnet er eine hauchzarte, nahezu hyperreale Naturkulisse, die ansatzweise an Salvatore Sciarrino erinnert. Eine Simultanperspektive quasi auf Makrokosmos und Mikrokosmos.
Komponist: Georges Lentz
Titel: Monh – Choral
Interpret: Tabea Zimmermann, Orch. Phil. du Luxembourg, E. Pomarico Album: Georges Lentz, ersch. 2012
Lable: Timpani Records, LC 10902
Das Orchestre Philharmonique du Luxembourg hat die drei Werke von Georges Lentz aus Mysterium, dem 7. Teil seines Zyklus' Caeli Enarrant... unter der Leitung von Emilio Pomarico eingespielt. Die CD ist 2012 beim österreichischen Label Timpani Records erschienen.
Mehr als nur einen Hang zum Mysteriösen teilen sich Georges Lentz und der Komponist der folgenden Porträt-CD, Christian Jost. Der vor allem für sein extensives musiktheatralisches Oeuvre bekannte, 1963 geborene, deutsche Komponist ist stets darauf bedacht, dem Hörer geheimnisvolle Zufluchtsräume zu öffnen. Der kompositorische Impuls besteht für ihn vor allem darin, Unbekanntes und Eigenwilliges wie auch Grenzerfahrungen in Form eines intensiven klanglichen Erlebnisses nahe zu bringen. Seine Werktitel verraten meist schon das programmatische Konzept dahinter, so auch auf dieser CD: CocoonSymphony und TiefenRausch für Violine und Orchester. Und wie die Titel so ist auch die Musik frei von jedem Subtext.
Während Lentz sich vor allem mit dem Ausmaß des Universums beschäftigt, ergründet Christian Jost hier den unendlichen Raum auch im Inneren des Individuums, dessen Unfassbarkeit ein nicht minder rauschhaftes Erlebnis auslösen kann. Bei Jost wiederum gehört das instrumentale Solokonzert zu den zentralsten Gattungen seines Schaffens, er bezeichnet es sogar als eine "Versinnbildlichung der menschlichen Existenz": die Spannung zwischen innen und außen, zwischen Individuum und Gesamtheit. Bereits die anfängliche Einsamkeit der Violinstimme in seinem Violinkonzert TiefenRausch trägt ambivalente Züge in sich, denn der Alleingang ist zugleich ein Eigenständigkeitszeugnis. Wie so oft bei Christian Jost, ist der Grundkonflikt am Anfang in einer winzigen Zelle vorhanden, aus der er die Komposition erwachsen lässt und verdichtet.
Komponist: Christian Jost
Titel: TiefenRausch
Interpreten: Viviane Hagner, Essener Philharmoniker, Dir. Christian Jost
Album: Christian Jost, 21st Century Portraits, ersch. 2012
Label: Capriccio, Co-Prod. mit DRadio Kultur, LC08748
Die Geigerin Viviane Hagner spielt das Violinkonzert TiefenRausch auf dieser Aufnahme mit einem dichten, brillanten und stets fest verankerten Ton, der lyrische Linien dennoch in die Schwerelosigkeit entlassen kann. Sie stellt zudem eine perfekte Balance her zwischen den sich mischenden Welten und Stilen dieser Komposition und lässt sie klanglich fast unbemerkt ineinander übergehen. Vielleicht eine der wichtigsten Qualitäten dieser Einspielung, denn Übergänge sind immer Schlüsselstellen bei Christian Jost, der stets auf der Suche nach dem magischen Moment ist, wie er von sich sagt. Ein solcher Moment ist der Punkt im Stück, an dem sich die Solovioline wie zuvor aus dem Orchesterklang herauslöst, nun jedoch die Spannung zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen zu überwinden beginnt. Gattungsspezifische Bravurmerkmale fallen zusehends von der Solostimme ab.
Komponist: Christian Jost
Titel: TiefenRausch
Interpreten: Viviane Hagner, Essener Philharmoniker, Dir. Christian Jost
Album: Christian Jost, 21st Century Portraits, ersch. 2012
Label: Capriccio, Co-Prod. mit DRadio Kultur, LC08748
Dieser langsame Auflösungsprozess der Pole leitet die Schlussphase von TiefenRausch ein: Es ist ein "long good bye", bei dem man das sukzessive Aufgehen des Individuums im Ganzen klanglich detailgenau nachvollziehen kann. Sich reibende Klangoberflächen, Binnenstrukturen und gegenläufige Pulse verschwinden langsam, bald löst sich überhaupt jeder Puls auf und die Musik kommt schwere- und richtungslos im unendlichen Raum zu schweben.
Komponist: Christian Jost
Titel: TiefenRausch
Interpreten: Viviane Hagner, Essener Philharmoniker, Dir. Christian Jost
Album: Christian Jost, 21st Century Portraits, ersch. 2012
Label: Capriccio, Co-Prod. mit DRadio Kultur, LC08748
Während im Violinkonzert TiefenRausch die Beziehung zwischen der inneren und der äußeren Welt im Zentrum steht, spielt sich die 16 Jahre später entstandene CocoonSymphonie – wie es der Name sagt – ganz in der hermetischen Isolation des Inneren ab. Der Untertitel buchstabiert es noch direkter aus: "Fünf Stationen einer Reise in das Innere für großes Orchester". Sie gleicht einem Traum oder Tauchgang: Ihre fünf Stationen nennt Jost Zustand, Flucht, Freiräume, REM, Erschütterung.
In seinem Schaffensprinzip bleibt sich Jost treu. So beginnt CocoonSymphonie – wie auch TiefenRausch - mit einer Unisono-Stimme in den Streichern. Der statische Anfangszustand wird bald durch eine dringlich suchende Bewegung wie Sediment aufgewühlt und lässt den Raum durch Verdichtung plastisch werden.
Komponist: Christian Jost
Titel: CocoonSymphonie - Flucht
Interpreten: Viviane Hagner, Essener Philharmoniker, Dirigent Christian Jost
Album: Christian Jost, 21st Century Portraits, ersch. 2012
Label: Capriccio, Co-Prod. mit DRadio Kultur, LC08748
Anders als im sublimen Ende des Violinkonzerts TiefenRausch findet in CocoonSymphonie nach Entdeckung ungekannter innerer Räume eine Rückreise statt über das Stadium "REM", die traumreiche Schlafphase vor dem Aufwachen. Und endet in der Erschütterung über die Rückkehr nach Außen.
Hören Sie zum Abschluss der heutigen Sendung die Freiräume, die Jost im Herzen seiner CocoonSymphonie ausleuchtet. Es spielen die Essener Philharmoniker unter der Leitung des Komponisten. Die Portrait-CD von Christian Jost aus der Reihe 21st Century Portraits ist in einer Koproduktion mit Deutschlandradio Kultur entstanden und 2012 beim Label Capriccio erschienen. Das war die Neue Platte mit Musik von Georges Lentz und Christian Jost. Am Mikrofon verabschiedet sich - mit Dank fürs Zuhören – Barbara Eckle.
Komponist: Christian Jost
Titel: CocoonSymphonie - 3. Satz : Freiräume
Interpreten: Essener Philharmoniker, Christian Jost
Album: Christian Jost, 21st Century Portraits, ersch. 2012
Label: Capriccio, Co-Prod. mit DRadio Kultur, LC08748
Komponist: Georges Lentz
Titel: Guyuhmgan
Interpret: Orchestre Philharmonique du Luxembourg, Emilio Pomarico
Album: Georges Lentz, erschienen 2012
Lable: Timpani Records, LC 10902
Geradezu schicksalhaft traf es den 1965 in Luxemburg geborenen und in Australien lebenden Komponisten Georges Lentz, als er im Alter von 24 Jahren in einer naturwissenschaftlichen Zeitschrift einen Artikel über die Größe des Universums las. Die schockartige Wirkung dieser Lektüre entlud sich fortan – und das bis zum heutigen Tage – in einem monumentalen Werkzyklus, der den Titel "Caeli Enarrant ..." trägt – "Die Himmel erzählen ...". Was Lentz eigentlich als private Verarbeitung seiner Auseinandersetzung mit der Dimension des Kosmos begonnen hatte, sollte sich als Grundstein seines Summum Opus erweisen. In diesen Jahren setzte er sich intensiv mit dem Buddhismus sowie der Kunst der australischen Ureinwohner auseinander, was auf verschiedene Weise Eingang in seine Komposition gefunden hat. Die auf der CD eingespielten Werke Guyuhmgan, Monh und Ngangkar gehören dem 7. Zyklusteil "Mysterium" an. Die Werktitel in der australischen Ursprache sind unterschiedliche Bezeichnung für den Begriff "Sterne". So steht Ngankar für die Sterne, wenn sie von der Erde aus betrachtet werden, während Guyuhmgan die wandelnde Perspektive aus des Weltraums Mitte bezeichnet – als befinde man sich auf einem Hubble-Teleskop. Darin besteht auch der deutlichste Unterschied zwischen den zwei in Aufbau und Struktur eng verwandten Werken Ngankar und Guyuhmgan: Der fixe Standpunkt des Betrachters, den die Unisono-Linie der Streicher zu Anfang von Ngankar suggeriert, ist in Guyuhmgan gänzlich entfokusiert. Der weit gestreute Klang der Streicher ist weder in Raum noch in Tonhöhe zu orten, Betrachter und Objekte, so scheint es, befinden sich in ständiger Bewegung. Einzig Oboe und Englisch Horn ziehen sich als klanglicher Leitfaden durch das Werk:
Komponist: Georges Lentz
Titel: Guyuhmgan
Interpret: Orchestre Philharmonique du Luxembourg, Emilio Pomarico
Album: Georges Lentz, ersch. 2012
Lable: Timpani Records, LC 10902
Starke Extreme treffen in Guyuhmgan aufeinander. Dem sachten Flüstern in den hohen Registern entgegnet Lentz gewaltiges, archaisches Instrumentarium wie Kuhglocken und thailändische Gongs in den Tiefen, lässt zersplitterte Einzelkräfte wirken bis ein an Messiaens "Quattuor pour la fin du temps" erinnernder Choral diese Kräfte schließlich in einer alles umfassenden bannt. Dabei ist es gerade die Ruhe, die ihm seine Macht verleiht.
Komponist: Georges Lentz
Titel: Guyuhmgan (Choral)
Interpret: Orchestre Philharmonique du Luxembourg, Emilio Pomarico
Album: Georges Lentz, ersch. 2012
Lable: Timpani Records, LC 10902
Georges Lentz' Sprache ist bildhaft direkt, seine Botschaft nicht zu verfehlen, seine musikalischen Mittel allerdings umso raffinierter. Ausgebildet wurde er als Geiger. Als Komponist ist er weitestgehend Autodidakt. Seine präzise Kenntnis der klanglichen Qualitäten und Kapazitäten der Instrumente und sein filigraner, inniger Umgang mit diesem immensen Klangvokabular verraten nicht zuletzt seine langjährige Orchestermusikertätigkeit – wiederum eine Perspektive aus der Raummitte. Denn das Orchester scheint er als Körper wie auch als Raum zu verstehen; dazu gehören auch Strecken von Leere und Stillstand, denen er hier jedoch umso größere Intensität verleiht. Immer näher schiebt er die Extreme aneinander – schließlich ineinander.
Lange Zeit war Georges Lentz der Meinung, das Solokonzert sei unvereinbar mit seiner Universalidee. Dass sich das änderte, lag, so Lentz, am Charakter der Bratsche, die für ihn kein virtuoses Hochleistungsutensil, sondern "ein zerbrechliches Individuum im riesigen Gesamtgebilde" darstellt – extreme Pole, zwischen denen sich ein enormes Spannungsfeld auftut. Die Bratschistin Tabea Zimmermann hat Monh für Viola und Orchester von Georges Lentz auf dieser CD mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg unter dem Dirigenten Emilio Pomarico eingespielt. Die Bratsche zeigt sich in Monh jedoch keineswegs nur von der fragilen Seite. Im Zentrum des Werks steuert sie mit stumpfem, determiniertem Klang gemeinsam mit dem Orchester auf den kolossalen Zusammenbruch zu, der fast wie eine Art homerisches Gelächter im Raum widerhallt.
Komponist: Georges Lentz
Titel: Monh
Interpret: Tabea Zimmermann, Orch. Phil. du Luxembourg, E. Pomarico
Album: Georges Lentz, ersch. 2012
Lable: Timpani Records, LC 10902
Dem Zusammenbruch folgt die Ruhe nach dem Sturm, die Läuterung, die Reformation. In diesem Aufbau folgen Ngankar, Guyuhmgan und Monh einem nahezu identischen Programm. Auch Monh mündet, wie zuvor Guyuhmgan, im Choral, der ein einstimmiges Dach über das Unermessliche zieht. Mit der sanften Geräuschtextur, die Lentz dem großflächigen Gesang der Viola unterlegt, zeichnet er eine hauchzarte, nahezu hyperreale Naturkulisse, die ansatzweise an Salvatore Sciarrino erinnert. Eine Simultanperspektive quasi auf Makrokosmos und Mikrokosmos.
Komponist: Georges Lentz
Titel: Monh – Choral
Interpret: Tabea Zimmermann, Orch. Phil. du Luxembourg, E. Pomarico Album: Georges Lentz, ersch. 2012
Lable: Timpani Records, LC 10902
Das Orchestre Philharmonique du Luxembourg hat die drei Werke von Georges Lentz aus Mysterium, dem 7. Teil seines Zyklus' Caeli Enarrant... unter der Leitung von Emilio Pomarico eingespielt. Die CD ist 2012 beim österreichischen Label Timpani Records erschienen.
Mehr als nur einen Hang zum Mysteriösen teilen sich Georges Lentz und der Komponist der folgenden Porträt-CD, Christian Jost. Der vor allem für sein extensives musiktheatralisches Oeuvre bekannte, 1963 geborene, deutsche Komponist ist stets darauf bedacht, dem Hörer geheimnisvolle Zufluchtsräume zu öffnen. Der kompositorische Impuls besteht für ihn vor allem darin, Unbekanntes und Eigenwilliges wie auch Grenzerfahrungen in Form eines intensiven klanglichen Erlebnisses nahe zu bringen. Seine Werktitel verraten meist schon das programmatische Konzept dahinter, so auch auf dieser CD: CocoonSymphony und TiefenRausch für Violine und Orchester. Und wie die Titel so ist auch die Musik frei von jedem Subtext.
Während Lentz sich vor allem mit dem Ausmaß des Universums beschäftigt, ergründet Christian Jost hier den unendlichen Raum auch im Inneren des Individuums, dessen Unfassbarkeit ein nicht minder rauschhaftes Erlebnis auslösen kann. Bei Jost wiederum gehört das instrumentale Solokonzert zu den zentralsten Gattungen seines Schaffens, er bezeichnet es sogar als eine "Versinnbildlichung der menschlichen Existenz": die Spannung zwischen innen und außen, zwischen Individuum und Gesamtheit. Bereits die anfängliche Einsamkeit der Violinstimme in seinem Violinkonzert TiefenRausch trägt ambivalente Züge in sich, denn der Alleingang ist zugleich ein Eigenständigkeitszeugnis. Wie so oft bei Christian Jost, ist der Grundkonflikt am Anfang in einer winzigen Zelle vorhanden, aus der er die Komposition erwachsen lässt und verdichtet.
Komponist: Christian Jost
Titel: TiefenRausch
Interpreten: Viviane Hagner, Essener Philharmoniker, Dir. Christian Jost
Album: Christian Jost, 21st Century Portraits, ersch. 2012
Label: Capriccio, Co-Prod. mit DRadio Kultur, LC08748
Die Geigerin Viviane Hagner spielt das Violinkonzert TiefenRausch auf dieser Aufnahme mit einem dichten, brillanten und stets fest verankerten Ton, der lyrische Linien dennoch in die Schwerelosigkeit entlassen kann. Sie stellt zudem eine perfekte Balance her zwischen den sich mischenden Welten und Stilen dieser Komposition und lässt sie klanglich fast unbemerkt ineinander übergehen. Vielleicht eine der wichtigsten Qualitäten dieser Einspielung, denn Übergänge sind immer Schlüsselstellen bei Christian Jost, der stets auf der Suche nach dem magischen Moment ist, wie er von sich sagt. Ein solcher Moment ist der Punkt im Stück, an dem sich die Solovioline wie zuvor aus dem Orchesterklang herauslöst, nun jedoch die Spannung zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen zu überwinden beginnt. Gattungsspezifische Bravurmerkmale fallen zusehends von der Solostimme ab.
Komponist: Christian Jost
Titel: TiefenRausch
Interpreten: Viviane Hagner, Essener Philharmoniker, Dir. Christian Jost
Album: Christian Jost, 21st Century Portraits, ersch. 2012
Label: Capriccio, Co-Prod. mit DRadio Kultur, LC08748
Dieser langsame Auflösungsprozess der Pole leitet die Schlussphase von TiefenRausch ein: Es ist ein "long good bye", bei dem man das sukzessive Aufgehen des Individuums im Ganzen klanglich detailgenau nachvollziehen kann. Sich reibende Klangoberflächen, Binnenstrukturen und gegenläufige Pulse verschwinden langsam, bald löst sich überhaupt jeder Puls auf und die Musik kommt schwere- und richtungslos im unendlichen Raum zu schweben.
Komponist: Christian Jost
Titel: TiefenRausch
Interpreten: Viviane Hagner, Essener Philharmoniker, Dir. Christian Jost
Album: Christian Jost, 21st Century Portraits, ersch. 2012
Label: Capriccio, Co-Prod. mit DRadio Kultur, LC08748
Während im Violinkonzert TiefenRausch die Beziehung zwischen der inneren und der äußeren Welt im Zentrum steht, spielt sich die 16 Jahre später entstandene CocoonSymphonie – wie es der Name sagt – ganz in der hermetischen Isolation des Inneren ab. Der Untertitel buchstabiert es noch direkter aus: "Fünf Stationen einer Reise in das Innere für großes Orchester". Sie gleicht einem Traum oder Tauchgang: Ihre fünf Stationen nennt Jost Zustand, Flucht, Freiräume, REM, Erschütterung.
In seinem Schaffensprinzip bleibt sich Jost treu. So beginnt CocoonSymphonie – wie auch TiefenRausch - mit einer Unisono-Stimme in den Streichern. Der statische Anfangszustand wird bald durch eine dringlich suchende Bewegung wie Sediment aufgewühlt und lässt den Raum durch Verdichtung plastisch werden.
Komponist: Christian Jost
Titel: CocoonSymphonie - Flucht
Interpreten: Viviane Hagner, Essener Philharmoniker, Dirigent Christian Jost
Album: Christian Jost, 21st Century Portraits, ersch. 2012
Label: Capriccio, Co-Prod. mit DRadio Kultur, LC08748
Anders als im sublimen Ende des Violinkonzerts TiefenRausch findet in CocoonSymphonie nach Entdeckung ungekannter innerer Räume eine Rückreise statt über das Stadium "REM", die traumreiche Schlafphase vor dem Aufwachen. Und endet in der Erschütterung über die Rückkehr nach Außen.
Hören Sie zum Abschluss der heutigen Sendung die Freiräume, die Jost im Herzen seiner CocoonSymphonie ausleuchtet. Es spielen die Essener Philharmoniker unter der Leitung des Komponisten. Die Portrait-CD von Christian Jost aus der Reihe 21st Century Portraits ist in einer Koproduktion mit Deutschlandradio Kultur entstanden und 2012 beim Label Capriccio erschienen. Das war die Neue Platte mit Musik von Georges Lentz und Christian Jost. Am Mikrofon verabschiedet sich - mit Dank fürs Zuhören – Barbara Eckle.
Komponist: Christian Jost
Titel: CocoonSymphonie - 3. Satz : Freiräume
Interpreten: Essener Philharmoniker, Christian Jost
Album: Christian Jost, 21st Century Portraits, ersch. 2012
Label: Capriccio, Co-Prod. mit DRadio Kultur, LC08748