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Unkrautvernichter
Bundesinstitut für Risikobewertung: Glyphosat nicht gefährlich

Kein anderer Unkrautvernichter wird so häufig auf Feldern und in Gärten eingesetzt, wie Glyphosat. Und kein anderer Wirkstoff ist so umstritten. Im Rahmen der EU-Zulassung hat das Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin jetzt die gesundheitlichen Risiken, die von Glyphosat ausgehen, neu bewertet.

Von Marieke Degen | 21.01.2014
    Wie gefährlich ist der Unkrautvernichter Glyphosat? Die Suche nach der Antwort war für die Wissenschaftler vom Bundesinstitut für Risikobewertung eine Mammutaufgabe. Mehr als 1000 neue Studien sind in den letzten Jahren dazu veröffentlicht worden, alle haben sie geprüft und ausgewertet. Jetzt liegt das Ergebnis vor.
    "Der Einsatz von Glyphosat ist im Vergleich zu anderen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen nicht gefährlich, insbesondere wenn die landwirtschaftliche Praxis eingehalten wird. Es ist vorgeschrieben, welche Menge, also welche Aufwandmenge, wo Glyphosat eingesetzt werden darf, wenn das alles eingehalten wird, dann ist Glyphosat sicher",
    sagt Roland Solecki, der am BfR die Abteilung für Chemikaliensicherheit leitet.
    "Wir konnten keine Hinweise auf eine krebserzeugende Wirkung, auf Fortpflanzungsstörungen oder auf mutagene Wirkungen feststellen."
    Einzelne Studien, die das Gegenteil behaupten – und die von Glyphosat-Gegnern immer wieder ins Feld geführt werden – habe man entkräftet. Die Wissenschaftler haben auch Presseberichte überprüft, in denen Glyphosat für Fehlbildungen bei Kindern verantwortlich gemacht wird.
    "Es gibt Beobachtungen zum Beispiel aus Südamerika, wo gewisse Veränderungen festgestellt worden sind, es ist aber kein klarer Zusammenhang nachgewiesen zwischen Glyphosateinsatz oder anderen Ursachen, wir arbeiten sehr eng mit der brasilianischen Behörde zusammen und konnten diese Verdachtsmomente nicht bestätigen."
    Ebenfalls vom Tisch: Der Verdacht, dass Glyphosat Rinder krank macht, dass Glyphosat-Rückstände im Futter die Bakterienflora in ihrem Vormagen durcheinanderbringen. Das haben Forscher von der Tierärztlichen Hochschule Hannover jetzt zum ersten Mal untersucht – an einem künstlichen Pansenmodell im Labor. Gerhard Breves:
    "Wir können ganz klar sehen, dass es weder durch die eine noch durch die andere Dosis des Glyphosats zu wirklich substanziellen Veränderungen im mikrobiellen Stoffwechsel gekommen ist, zum einen, und dass auch die mikrobielle Population, die ja charakteristisch ist für das Vormagensystem, nicht signifikant beeinflusst wurde."
    Als die Forscher überprüft haben, ob sich die Zusammensetzung der Bakterien im Kunst-Pansen verändert hat, erlebten sie sogar eine kleine Überraschung.
    Unter denen war es so, dass die Bifidobakterien, denen im Magendarmtrakt generell positive Wirkung zugeschrieben wurden, unter Glyphosateinsatz überhaupt erst stimuliert wurden. Also genau das Umgekehrte von dem, was in der Literatur manchmal behauptet wird.
    Glyphosat gelangt allerdings nie alleine aufs Feld. In den Pflanzenschutzmitteln ist die Chemikalie mit verschiedenen Beistoffen vermischt, um die Wirksamkeit zu erhöhen. Und einige dieser Beistoffe, sagt Roland Solecki, erhöhen auch die Giftigkeit von Glyphosat. Ein Beispiel sind sogenannte Tallowamine.
    "Sie erhöhen die Reizwirkung, eine der wichtigen Wirkungen von Glyphosat ist Schleimhautreizung, Hautreizung, diese Reizwirkung kann durch diese Tallowamine verstärkt werden."
    Die eigentlichen Pflanzenschutzmittel – also die Kombination der verschiedenen Inhaltsstoffe – werden längst nicht so umfassend getestet wie die einzelnen Wirkstoffe. Auch, um Versuchstiere zu schonen. Hier besteht Nachholbedarf.
    "Wir machen uns Gedanken, wie wir die Toxizität miteinander addieren können, das tun wir auch. Auf der anderen Seite wollen wir in einem neuen Forschungsprojekt daran arbeiten, tierversuchsfreie Methoden zu etablieren, wo künftig diese Kombinationswirkungen untersucht werden können. "
    Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit will den Glyphosat-Bericht in den nächsten Wochen veröffentlichen. Roland Solecki hofft, dass ihn die Glyphosat-Kritiker lesen.
    "Und das kann eine Basis sein für einen wissenschaftlichen Dialog, wo wir auch unsere Argumente vorstellen können und auch mit NGOs und mit anderen, die der Bewertung kritisch gegenüber sind, ins Gespräch zu kommen."