Mittwoch, 15. Mai 2024

Archiv


Unliebsame Bewerbung

Obwohl Eva Wybrands vor Gericht Recht bekam, hat sie im Streit um ihre Bewerbung für den Posten der Gleichstellungsbeauftragten in Sachsen-Anhalt den Kürzeren gezogen.

Von Susanne Arlt | 12.07.2012
    Als Eva Wybrands die Stellenausschreibung vor vier Jahren auf der Internetseite des Sozialministeriums las, muss sie gedacht haben: wie für mich gemacht. Gesucht wurde ein Bewerber mit Genderkompetenz. Also eine Person, die sich in geschlechterpolitischen Strategien auskennt. Eva Wybrands hat in so etwas Erfahrung. Für das Wirtschaftsministerium hatte sie ein erfolgreiches Konzept gegen die Abwanderung junger Landeskinder entwickelt. Wie bei internen Bewerbungen üblich, forderte das Sozialministerium eine schriftliche Beurteilung beim Wirtschaftsministerium an.

    "Der zuständige direkte Vorgesetzte erstellte eine dienstliche Beurteilung, die dann vom Abteilungsleiter nach unten korrigiert wurde. Darin wurde zum Beispiel der sprachliche Ausdruck nicht korrekt bewertet. Das war aber ein Merkmal für die Auswahl der Bewerberin, damit wäre eine korrekte Auswahlentscheidung nach Leistung, Befähigung und Eignung nicht möglich gewesen","

    sagt Hans-Adolf Welp, Prozessbeobachter und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Eva Wybrands klagte daraufhin - und bekam Recht. Das Gericht stellte "durchschlagende Verfahrensfehler" fest. Das Wirtschaftsministerium ließ eine neue Beurteilung erstellen. Doch der Abteilungsleiter hielt trotz der durchschlagenden Verfahrensfehler an seiner Meinung fest.

    ""Einige kleine Punkte wurden geändert, aber von der Bewertung, vom Inhalt her hat sich das kaum geändert."

    Eva Wybrands, die sich selbst nicht vor dem Mikrofon dazu äußern will, klagte erneut – und bekam wieder Recht. In der Zwischenzeit wartete das Sozialministerium auf eine neue, dritte Beurteilung aus dem Wirtschaftsministerium. Die aber kam nicht. Weil die Bewerbungsunterlagen nicht vollständig waren und der Gerichtsprozess die Entscheidung hinauszögerte, vereinbarte der Sozialminister mit dem damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer am Kabinettstisch: Wegen der langen Verfahrensdauer wird das Auswahlverfahren gestoppt, die Staatssekretärin im Sozialministerium sollte die Aufgaben bis zum Ende der Legislaturperiode übernehmen.

    "Offiziell wurde die lange Verfahrensdauer als Ursache mitgeteilt, die hatte aber die Landesregierung selbst verursacht. Und vom damaligen MP Böhmer ist bekannt, dass er selber Bedenken gegen den Abbruch des Verfahrens geäußert hat. Aber ich denke, da haben sich die Fachbeamten durchgesetzt, aus welchen Gründen auch immer, aber das wären dann Mutmaßungen, die ich hier nicht vertiefen möchte."

    Genau genommen war für besagte Verfahrensverzögerung das Wirtschaftsministerium verantwortlich, das damals der heutige Ministerpräsident Reiner Haseloff leitete. Und überraschenderweise kam wenige Stunden nach besagtem Kabinettsgespräch die lang ersehnte Beurteilung doch noch beim Sozialministerium an. Das Verfahren aber wurde trotzdem abgebrochen. Eva Wybrands klagte auch gegen diese Entscheidung - und bekam wieder Recht. Das Gericht forderte die Staatskanzlei auf, das Bewerbungsverfahren fortzusetzen.

    Wenige Wochen später aber entschied das Kabinett - jetzt schon unter CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff: Die Stelle wird aufgewertet, fortan übernimmt Angela Kolb, SPD-Ministerin für Gleichstellung und Justiz, diese Aufgabe.

    "Also es beschleicht sich natürlich der Eindruck, dass es hier um eine Lex Anti-Wybrands gegangen ist","

    sagt Eva von Angern, Linken-Politikerin und Vorsitzende des Landesfrauenrats. Und noch aus anderen Gründen findet sie diese Entscheidung fatal.

    ""Das ist insbesondere vor dem Hintergrund fatal, dass wir aus Sicht des Landesfrauenrates der Auffassung sind, dass wir diese Stelle der Landesgleichstellung- bzw. Frauenbeauftragten ganz dringend hier in Sachsen-Anhalt gebraucht hätten und ja auch viele Jahre brauchten."

    Nicht nur die Opposition war deshalb über die neueste Wendung erstaunt, auch innerhalb der CDU-Fraktion sei man überrascht gewesen, sagt Siegfried Borgwardt, Parlamentarischer Geschäftsführer:

    "Dann sind ja meines Wissens die Rechtsmittel zum Vorteil der Klägerin ausgegangen. Und dann hat man sich eben entschieden, das Verfahren abzubrechen und quasi gar nichts in der Weise zu machen, sondern es im Rahmen der Organisationshoheit anders zu organisieren und zu ordnen. Und das wirft natürlich bei den Gegnern dieses Verfahrens durchaus Fragen auf, die ich durchaus verstehen kann, weil das eben so lange gedauert hat."

    Bei Angela Kolb hingegen hat dieses Verfahren keine Fragen aufgeworfen. Sie begrüßt es, dass unter ihrem Dach die Aufgaben konzentriert wurden.

    "Also grundsätzlich ist ja diese Entscheidung, die Stelle der Landesbeauftragten für Gleichstellung nicht wieder zu besetzen, bereits in der letzten Legislaturperiode getroffen worden."

    Wenn die Entscheidung damals wirklich so grundsätzlich getroffen worden ist, dann wundert man sich doch über den aktuellen Haushaltsplan der Ministerin. Für die Jahre 2012 und 2013 ist dort nämlich noch ein Budget für die Landesbeauftragte für Frauen- und Gleichstellungspolitik vorgesehen. Immerhin - eine positive Seite habe der jahrelange Disput um das Auswahlverfahren, sagt Eva von Angern. Die Solidarität unter den Frauen sei seitdem enorm gewachsen. Parteibücher interessiere viele Landespolitikerinnen nicht mehr. Den Frauen in Sachsen-Anhalt geht es jetzt einzig und allein um politische Inhalte.